Robert Litterer 1903 - 1945 Edit
Born 1.11.1903 in Warszawa
Died 31.3.1945 in Mauthausen
Biography
Am 3. April ist Harry Klauber bereits drei Tage tot. Zwei Wochen hat er auf seinen Tod im Konzentrationslager Mauthausen gewartet, wenige haben den letzten Atemzug so herbeigesehnt wie er, denn mit dem Herzstillstand ist sein Überleben erst möglich geworden. Für Harry Klauber stirbt Robert Litterer, ein Fräser aus Warschau, der mit einem Häftlingstransport aus Groß Rosen nach Mauthausen gekommen war. Litterer war einer von 2.600 Häftlingen, von denen zahlreiche sofort nach der Ankunft in Mauthausen liquidiert wurden; 400 von ihnen, darunter Robert Litterer, kamen in die Krankenbaracke.
Harry Klauber trifft am 8. März 1945 in Mauthausen ein, er kommt aus dem Zuchthaus Stein in ein Konzentrationslager kurz vor seiner Auflösung. Die Wachmannschaft nimmt sich nicht mehr so viel Zeit für den Terror. Das stundenlange Warten an der Mauer entfällt. Nackt, mit Petroleum eingerieben, mit stumpfen Rasiermessern den Kopf geschoren, so erreicht auch Harry Klauber die Quarantäne-Baracke, als einer von 1.000 Gefangenen, die nur eingeliefert werden, um liquidiert zu werden. Klauber ist einer der letzten, der eintritt, er findet nur mehr Platz in der Zugluft des vergitterten Fensters, und so muss der Lagerschreiber Werner Susdeck über ihn stolpern. Es ist ein Wiedersehen nach Jahren. Beide hatten voneinander gehört, durch Dritte. Der Klauber ist hochgegangen, das hatte Susdeck gewusst und die Verbindungen zu den Genossen im Spätherbst 1938 neu geregelt. „Mit mir sind auch drei Exekutionsbefehle mitgekommen”, kann Harry Klauber dem Lagerschreiber mitteilen, zwischen Stolpern und Erinnern.
Lagerschreiber hatten Zugang zu den Akten, die kurze Randbemerkung über die Exekutionsbefehle in der Zugluft des Fensters war die einzige Möglichkeit, der tödlichen Gewissheit vielleicht noch zu entkommen. Von dem Netz, das Susdeck einstweilen knüpfte, um ihn in die Sanitätsbaracke zu verlegen, wusste Klauber nichts, zwei Ärzte spielten mit und unterschrieben die Verlegung, ein Pole und ein Tscheche.
Im Sanitätslager, im sogenannten Russenlager, wo ursprünglich nur russische Kriegsgefangene untergebracht werden sollten, wartete Harry Klauber dann im März 1945 auf den Tod von Robert Litterer, der an Ruhr erkrankt war. Litterer starb anstelle von Harry Klauber und Harry Klauber lebte als Robert Litterer weiter und erbte neben seinem Namen auch seine Häftlingsnummer, mehr konnte ihm der polnische Fräser aus Warschau nicht hinterlassen.
Der Häftling, der nun Robert Litterer heißt, erwacht erst nach der Befreiung des Konzentrationslagers Ebensee. Tage davor war er nur mehr auf den Schultern von Bettnachbarn zurück ins Lager gekommen. Harry Klauber hatte sich wenige Tage vor der Befreiung krankgemeldet und war mit einem Fußtritt im Krankenrevier gelandet.
Er kann Ebensee auch nach dem 8. Mai nicht aufrecht verlassen. Auf allen vieren kriecht er den Berg hinunter und bleibt vor einem Bauernhaus liegen. In einer Decke tragen die Bewohner das 30 Kilogramm schwere, menschenähnliche Skelett ins Haus, säubern ihn von Schmutz und Läusen, legen ihn in ein weißes Bett und füttern ihn mit Ziegenmilch. Das war Harry Klaubers erste Nacht in einem frisch bezogenen Bett, beinahe wäre er erdrückt worden unter der aufgeplusterten Decke.
Robert Streibel
Vom Autor adaptierter Ausschnitt aus dem im Residenz-Verlag erschienenen Roman April in Stein – Robert Streibel: April in Stein (St. Pölten/Salzburg/Wien 2015). Abgesehen von dem Robert Litterers wurden die Namen der beteiligten KZ-Häftlinge abgeändert.
Robert Streibel, Historiker, Direktor der Volkshochschule Hietzing, Publizist und Erinnerungsarbeiter in Krems und Hietzing (Wien). Arbeiten zu Krems 1938–1945, Juden in Niederösterreich, Widerstand und Februar 1934 in Niederösterreich, Eugenie Schwarzwald. Roman April in Stein (2015).
On 3 April, Harry Klauber had already been dead for three days. Two weeks he had waited for his death in the Mauthausen concentration camp, few had so longed for their last breath as him, for his heart stopping was the thing that made his survival possible. In place of Harry Klauber, Robert Litterer had died, a machine cutter from Warsaw who had arrived in Mauthausen on a prisoner transport from Groß Rosen. Litterer was one of 2,600 prisoners of whom countless were liquidated immediately upon arrival in Mauthausen; 400 of them, including Robert Litterer, were taken to the sick barracks.
Harry Klauber arrived in Mauthausen on 8 March 1945, coming from Stein jail to a concentration camp shortly before its disbandment. The guards no longer took so much time over the practice of terror. The hours of waiting by the wall were gone. Naked, rubbed down with petrol, head shorn with a blunt razor, this too was how Harry Klauber arrived in the quarantine barracks as one of 1,000 inmates who had only been admitted in order to be liquidated. Klauber was one of the last to arrive and only found space in the draft by the barred window, and so it was that camp clerk Werner Susdeck stumbled across him. It was a reunion after many years. Both had heard of the other, through third parties. Klauber had been nabbed; Susdeck had known about it and so had reorganised the network of comrades in late autumn 1938.
‘I bring three execution orders with me’, Harry Klauber was able to tell the camp clerk, between him stumbling and remembering. Camp clerks had access to the files, the quick aside about the execution orders in the draft from the window was the only chance of possibly escaping the deadly certainty after all. Of the network that Susdeck set about forming in the meantime in order to move him to the infirmary barracks, Klauber knew nothing. Two doctors colluded and signed the transfer, a Pole and a Czech.
In the infirmary camp, in the so-called Russian camp, where originally only Russian prisoners of war were supposed to be housed, Harry Klauber then waited in March 1945 for the death of Robert Litterer, who was ill with dysentery. Litterer died in place of Harry Klauber and Harry Klauber lived on as Robert Litterer, inheriting his prisoner number along with his name; there was nothing more the Polish machine cutter from Warsaw could leave him.
The prisoner, who was know called Robert Litterer, awoke only after the liberation of the Ebensee concentration camp. Days before he had only made it back to the camp on the shoulders of his bunkmate. Harry Klauber had reported sick a few days before the liberation and had been kicked into the infirmary. He could not leave Ebensee on his feet even after 8 May. On all fours he crawled down the mountain and lay down outside a farmhouse. Wrapped in a blanket, the inhabitants carried the human-like skeleton, weighing 30 kilogrammes, into the house, cleaned off the dirt and lice, laid him in white bed and fed him goat’s milk. That was Harry Klauber’s first night in a freshly-made bed; he was nearly crushed under the fluffed up covers.
Robert Streibel
Translation into English: Joanna White
This excerpt was adapted by the author from his novel April in Stein, published by Residenz Verlag. Robert Streibel: April in Stein (St. Pölten/Salzburg/Vienna 2015). The names of the concentration camp prisoners involved have been altered except for that of Robert Litterer.
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