Born 31.7.1890 in Radelstetten Died 13.3.1945 in Mauthausen
Biography
Georg Straub wurde am 31. Juli 1890 in Radelstetten bei Ulm geboren. Die Familienverhältnisse galten als schwierig. Der Mutter wurde eine „geistige Verwirrung“ attestiert, der Vater und mehrere Brüder waren mehrfach inhaftiert.
Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg heiratete Georg Straub 1921 Anna Katharina Buck und übernahm den elterlichen Hof. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Nachbarn bekundeten, er habe fleißig gearbeitet, allerdings alles anders gemacht als die anderen Bauern und hätte wenig erwirtschaftet. Mit seiner Frau lag er im Streit, da er sie der Untreue verdächtigte.
Seine leichte Erregbarkeit und die Neigung zu verbalen Überreaktionen brachten Georg Straub schon in der Weimarer Republik Geldstrafen wegen Beamtenbeleidigung, falschen Anschuldigungen und Bedrohungen ein. Weil er wieder einmal gegen den – jetzt nationalsozialistischen – Staat gewettert hatte, verurteilte ihn das Sondergericht Stuttgart wegen „Heimtücke“ im Jänner 1936 zu einem Jahr Gefängnis. Die Strafe verbüßte er größtenteils im Strafgefangenenlager VI in Oberlangen an der Ems nahe Meppen, das Teil der berüchtigten Moorlager war. Dort wurde er wegen Renitenz mit Lagerstrafen belegt. Nach seiner Rückkehr im Februar 1937 äußerte er seiner Frau und dem Knecht Helfferich gegenüber: „Im Lager sind lauter Schnallentreiber. Jeder Lausbub mit 20 und 27 Jahren, der Heil Hitler sagt und in der SA ist, darf die Leute schlagen[,] wie er will.“[1] Ehefrau und Knecht, die mittlerweile liiert waren, nutzten die Gelegenheit, den unwillkommenen Gatten wieder los zu werden und denunzierten ihn bei der Gestapo. Daraufhin wurde Straub durch einen Beamten der Ulmer Gestapo und zwei Landjäger festgenommen. Dabei habe er sich wie ein Rasender gebärdet, wilde Drohungen gegen seine Frau ausgestoßen und staatsfeindliche Äußerungen von sich gegeben.
Während seiner Untersuchungshaft ließ das Sondergericht Stuttgart von der Universitätsnervenklinik Tübingen und vom Staatlichen Gesundheitsamt Münsingen psychiatrische Gutachten erstellen, die Straub einen gewissen Grad geistiger Verwirrung und leichte Paranoia bescheinigten. Seine „erbbedingten Wesenszüge“ hätten durch die Lebensumstände zu krankhafter Reizbarkeit, affektiver Enthemmung und zur wahnhaften Umdeutung der Verhältnisse geführt. Wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit nach § 51 Abs. 2 Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) sei eine milde Strafe angeraten.
Dem folgte das Urteil des Sondergerichts vom Jänner 1938. Straub wurde zu sechs Monaten Gefängnis, abgegolten durch die Untersuchungshaft, verurteilt. Jedoch ordnete das Gericht seine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt nach § 42b RStGB zur Abwendung der Gefahr für die öffentliche Sicherheit an. Anfang Februar 1938 wurde Straub in die Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten im Kreis Reutlingen eingeliefert. Im Mai entmündigte ihn das Amtsgericht Blaubeuren auf Antrag seiner Ehefrau. Als sich Straub juristisch zu wehren versuchte, besiegelte der Anstaltsdirektor Hans Gruhle mit einer vernichtenden Expertise sein Schicksal: Straub sei ein „rabiater, unbeherrschter, querulatorischer Charakter“ und definitiv „unbelehrbar“.
Um den Konzentrationslagern immer weitere Arbeitssklaven zuzuführen, griff Heinrich Himmler auch auf die arbeitsfähigen forensischen Anstaltspatienten zu. Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt und diverse Anstaltsleitungen listeten in Württemberg im Laufe des Jahres 1943 gemeinsam „abgabefähige“ Patienten auf. Für Zwiefalten waren es 16 Personen, darunter Georg Straub. Am 21. März 1944 wurde er zusammen mit elf Leidensgenossen von Kripobeamten abgeholt und per Sammeltransport ins KZ Mauthausen überführt. Bei der Ankunft am 23. März erhielt Straub die Häftlingsnummer 59330 (Kategorie: „Sicherungsverwahrter“). Für einen nicht bekannten Zeitraum war er anschließend im Nebenlager Ebensee eingesetzt, wurde dann aber in das Stammlager rücküberstellt. Dort registrierte man am 13. März 1945 seinen Tod im Sanitätslager. Als Todesursache wurden Kreislaufschwäche und akuter Dickdarmkatarrh genannt.
Sigrid Brüggemann
Sigrid Brüggemann ist freie Historikerin in Stuttgart. Sie begleitet seit Jahren historische Stadterkundungen im Rahmen des Stadtjugendrings Stuttgart und ist Mitglied des Mauthausen Komitees Stuttgart e.V. (MKS). Publikationen (u. a.): Stadterkundungen – auf den Spuren des Dritten Reiches in Stuttgart (2006, zusammen mit Roland Maier).
Quellen:
Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 350 I Bü 1101.
Auskunft des Archivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen
Literatur:
Klaus Ulrich Morlock: Die forensischen Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten 1933–1945 (Tübingen 1999).
[1] Obwohl die Moorlager der Justiz unterstanden, bestand das Wachpersonal in Oberlangen fast ausschließlich aus SA-Angehörigen.
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Der Bauer Georg Straub, ein politisch interessierter und etwas eigenartiger, jedoch vollkommen harmloser Mann, hat seine unbedachten und spontanen Äußerungen mit dem Leben bezahlt. Herr Armbruster hat mit Hilfe seines Blockwartes dafür gesorgt, dass Herr Straub 1938 in die psychiatrische Anstalt Zwiefalten eingeliefert wurde. Von dort wurde er im März 1944 ins KZ Mauthausen gebracht. Wo er ein Jahr später, im März 1945 verstorben ist.
Er soll zum Viehhändler gesagt haben: „Die Ferkel sind mir zu teuer, die soll der Goebbels kaufen.“ Und in der Schmiede soll er geäußert haben, dass der Göring mit einer dreimal geschiedenen Theaterschnalle verheiratet sei.
Dies und Ähnliches wurde ihm zum Verhängnis, vermutlich auch, dass er seinen Hof nicht richtig bewirtschaftet hat. Im November soll er noch Heu umgewendet haben.
Manfred Engel
Manfred Engel, geb. 1931, ist der älteste Sohn des früheren Radelstetter Hauptlehrers G. Engel. Er erinnert sich auch heute noch (2021) bestens an Georg Straub. M. Engel wohnt heute in Wangen bei Göppingen.
Quelle:
Manfred Engel in „Erinnerungen an Begebenheiten und Erlebnisse aus meiner Kindheit und Jugend auf der Schwäbischen Alb – im Jahre 2010.“
Georg Straub was born on 31 July 1890 in Radelstetten near Ulm into what can be considered difficult family circumstances. His mother was certified as ‘mentally confused’ and his father and several brothers had been jailed numerous times.
After serving in the First World War, Georg Straub married Anna Katharina Buck in 1921 and took over his parents’ farm. The marriage produced three children. Neighbours report that he worked hard but did everything differently to the other farmers and did not generate much profit. He often quarrelled with his wife as he suspected her of infidelity.
His quick temper and tendency to verbal overreaction earned Georg Straub fines for insulting an official, and making false accusations and threats already during the Weiner Republic. For railing yet again against the – now National Socialist – state, in January 1936 the Stuttgart Special Court sentenced him to one year’s imprisonment for ‘treachery’. He served most of the sentence in prisoner camp VI in Oberlangen/Ems near to Meppen, which was one of the infamous moorland camps. There he was given punishments in the camp for defiance. After his return in February 1937, he spoke out in front of his wife and the farmhand Helfferich: ‘The camp is full of pimps. Every little beggar aged 20 to 27 who says Heil Hitler and is in the SA is allowed to beat people as he pleases.’[1] His wife and the farmhand, who were now a couple, took advantage of this opportunity to be rid of the unwelcome husband again and denounced him to the Gestapo. As a result, Straub was arrested by two officers of the Ulm Gestapo and two gendarmes. During the arrest he behaved like a maniac, uttering wild threats against his wife and spouting derogatory remarks about the state.
While being detained in custody the Stuttgart Special Court ordered psychiatric assessments from the University Psychiatric Clinic in Tübingen and the Münsingen State Health Authority, who attested that Straub was suffering from some degree of mental confusion and mild paranoia. His ‘hereditary traits’ combined with his life circumstances had led to abnormal irritability, affective disinhibition and delusional interpretation of events. A lenient sentence was recommended on the basis of diminished responsibility under § 51 para. 2 of the Reich Criminal Code.
The verdict of the Special Court in January 1938 heeded this recommendation. Straub was sentenced to six months’ imprisonment, which had already been served in custody. However, the court ordered that he be housed in a closed institution under §42b of the Reich Criminal Code for prevention of danger to public safety. At the beginning of February 1938 Straub was admitted to the Zwiefalten mental hospital in Reutlingen district. In May he was incapacitated by the Blaubeuren district court at the request of his wife. When Straub attempted to defend his legal rights, the hospital director Hans Gruhle sealed his fate with a damming expert opinion: Straub was a ‘brutal, short-tempered, querulous character’ and definitely ‘irredeemable’.
In order to provide the concentration camps with ever more slave workers, Heinrich Himmler turned to court-ordered hospital patients who were fit for work. Over the course of 1943, the Stuttgart attorney general together with the various hospital directors made a list of ‘patients suitable for handover’ in Württemberg. There were 16 people for Zweifalten, among them Georg Straub. On 21 March 1944 he was collected by Criminal Police officers along with eleven fellow patients and transported to Mauthausen concentration camp. On arrival on 23 March, Straub was assigned prisoner number 59330 (category: ‘preventative detention’). For an unknown period of time he was also deployed in the Ebensee subcamp, but was then transferred back to the main camp. His death in the infirmary camp was registered there on 13 March 1945. The cause of death was given as circulatory insufficiency and acute colitis.
Sigrid Brüggemann
Sources:
Staatsarchiv Ludwigsburg: EL 350 I Bü 1101.
Information provided by the Archive of the Mauthausen Memorial.
References:
Klaus Ulrich Morlock: Die forensischen Patientinnen und Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten 1933–1945 [The Forensic Patients of the Zwiefalten Mental Hospital 1933–1945] (Tübingen 1999).
Translation into English: Joanna White
[1] Although the moorland camps were part of the justice system, the guards at Oberlangen were nearly all members of the SA.