Филипп Георгиевич Остриков / Filipp Georgiewitsch Ostrikow1901 - 1942Edit
Born 21.1.1901 in Petropawlowsk Died 9.5.1942 in Mauthausen
Biography
Filipp Georgiewitsch Ostrikow wurde am 21. Jänner 1901 in Petropawlowsk in eine arme Bauernfamilie geboren, in der es vier Kinder gab: drei Söhne und eine Tochter. Seine Kindheit war voller Entbehrungen. Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1908 fing er mit sieben Jahren an, als Tagelöhner in der Landwirtschaft zu arbeiten; ab 1914 arbeitete er als Zwangsarbeiter unentgeltlich in einem Kloster, ab Februar 1917 bei einem wohlhabenden Dorfbewohner.
Im Dezember 1919 trat er freiwillig in das 270. Belorezkij-Regiment der Roten Armee in Krasnojarsk ein. Er nahm an Feldzügen gegen die weißen Truppen unter Baron Wrangel Teil, unter anderem an der Schlacht an der Bucht Siwasch. Im Juli 1920 wurde er Mitglied der Kommunistischen Allunions-Partei (Bolschewiki).
Nach der Zerschlagung der Truppen von Wrangel wurde Filipp Georgiewitsch zu einem Lehrgang nach Kostroma geschickt. Im Mai 1921 mussten die Kursanten einen konterrevolutionären Aufstand in Tambow bekämpfen, wo Ostrikow in der Aufklärung tätig war. Im September 1922 wurde er vom Militärkommissariat nach Tjumen ins 86. Schützenregiment entsandt, wo er als Gruppenführer, Gehilfe eines Zugführers und Zugführer diente. Von August 1924 bis 1925 nahm er an einem erneuten Lehrgang in Smolensk teil. 1926 heiratete er Klawdija Timofeewna Tytschkina, und im August 1927 wurde seine erste Tochter Lidija geboren. In den Jahren 1928 und 1929 war er Hörer militärpolitischer Kurse in Leningrad, danach wurde er nach Wjasma in eine geheime Abteilung geschickt. Im März 1932 wurde seine zweite Tochter Walentina geboren.
1936 erhielt er den Rang eines Hauptmanns und bekam die Stelle eines Bataillonsführers im 86. Schützenregiment. Im März 1937 wurde der Sohn Anatolij geboren. In seinen 17 Dienstjahren in der Roten Arbeiter- und Bauernarmee erhielt er viele Dankschriften und Auszeichnungen. Er kämpfte an den polnischen, finnischen und bessarabischen Fronten und wurde mit einem Rotbannerkampforden ausgezeichnet. Danach wurde er nach Odessa als Regimentsführer des 674. Schützenregimentes überstellt.
Am 22. Juni 1941 verteidigte das 674. Schützenregiment unter Führung des Majors Ostrikow die südlichen Grenzen gegen die nazideutschen Truppen. Anfang August 1941 wurde ihm vom Divisionskommando aufgetragen, mit seinem Regiment den Rückzug der Division nach Osten in der Gegend bei Kotowsk zu decken. In Filipp Georgiewitschs Regiment kämpfte auch Dmitrij Konstantinowitsch Lewinskij, der später das Buch Wir sind aus 1941 schreiben sollte. In diesem Buch erzählt er über sein Schicksal und schenkt seinen militärischen Leitern – unter ihnen auch Ostrikow – viel Aufmerksamkeit, indem er einige Ereignisse von Juni bis August 1941 und in der Gefangenschaft beschreibt: „Der Regimentsführer, Major Ostrikow, war ein ernster, besinnlicher und wortkarger Mann Mitte 40; im Bürgerkrieg bekam er einen Rotbannerkampforden; im Regiment genoss er Autorität und Respekt. […] Zuletzt wieder über Mauthausen. Ich nahm Abschied von Regimentsführer Major Ostrikow, dem Stabschef Hauptmann Owtschinnikow und anderen Regimentsführern in Kischinew, in einem Durchgangslager für Kriegsgefangene […]. 1943, als ich bereits im Außenlager Gusen des KZ Mauthausen war, hörte ich vom Schicksal von Ostrikow und Owtschinnikow. Ich kann mich nicht erinnern, von wem genau ich es gehört habe, aber ich kannte meine Kommandeure gut und glaube, dass es genau so hätte passieren können. Im Herbst 1941 wurden sie nach einer erfolglosen Flucht nach Mauthausen gebracht. Als sie antraten, gab ein SS-Offizier das Kommando: ‚Kommunisten, drei Schitte vorwärts!‘ Aus der Reihe trat nur Major Ostrikow heraus und wurde sofort erschossen.“
Filipp Georgiewitsch war ein guter Familienvater, ein liebender und treuer Mann und Vater. Er war gutmütig und lustig, liebte Singen und Tanzen, las viel und hatte eine große Bibliothek. Er machte Sport und war ein Tierfreund. Der Dienst nahm sehr viel Zeit in Anspruch, doch trotzdem widmete er seiner Familie viel Aufmerksamkeit. Seine Ehefrau und seine Kinder liebten und respektierten ihn. Viele Jahre war das Schicksal meines Großvaters unbekannt. Klawdija Timofeewna blieb bis ans Ende ihrer Tage ihrem Mann treu. Leider schied sie aus dem Leben, ohne von Filipp Georgiewitschs Schicksal zu erfahren. Seine Tochter Walentina Filippowna (meine Mutter) und sein Sohn Anatolij Filippowitsch wohnen in Odessa.
Tatjana Gajda
Tatjana Gajda ist die Enkelin von Filipp Georgiewitsch Ostrikow. Sie schrieb die Biografie ihres Großvaters gemeinsam mit ihrer Mutter Walentina Filippovna Raschislova, die in Odessa (Ukraine) wohnt.
Postskriptum: Erinnerungen von Walentina Filippovna Raschislova an ihren Vater Filipp Georgiewitsch Ostrikow
„Papa liebte seine Frau sehr, sogar seine Kinder haben dies gefühlt. Er bemühte sich, Mama die Möglichkeit zu geben, immer gut auszusehen: gut gekleidet, eine hübsche Frisur. Aber auch er selbst sah immer tadellos aus.
Er nannte Mama zärtlich Klanetschka und umarmte sie oft und innig. Papa half sehr viel im Haushalt: er machte den Abwasch, reinigte die Fenster, wischte Staub und unterstützte Mama in der Küche.
Er ließ seine Kinder sehr wohlbehütet aufwachsen und kümmerte sich hingebungsvoll um sie. Wenn er vom Dienst nach Hause kam, widmete er sich zuerst immer seinen Kindern: überprüfte die Hausaufgaben, half ihnen in den diversen Schulfächern und spielte mit ihnen. Wenn etwas passierte oder wir krank waren, hat immer Papa uns zum Arzt gebracht. Jeden Morgen brachte er seine Kinder in den Kindergarten oder begleitete sie zur Schule.
Er unterstützte die Entwicklung seiner Kinder, meine Schwester Lidiya besuchte Ballett- und Gesangsunterricht, und ich durfte in den dramatischen Zirkel und übte mich in einer Volkstanzgruppe. Mein Bruder Anatoli ging nirgendswo hin, er war noch zu klein.
Einmal in der Woche nahm uns Vater mit in die Banja und massierte uns alle mit Zweigbündeln. Während dieser Zeit blieb meine Mutter zu Hause und hatte Zeit für sich.
Zu Neujahr fertigte er mit uns Kindern aus verschiedenfarbigen Papierbögen die Dekoration für den Tannenbaum.
Mein Papa war ein echter Tierfreund. Er liebte es zu singen, zu tanzen und Gedichte vorzutragen, vor allem von Puschkin, Lermontov, Blok, Jesenin, Achmatova, Tzvetaeva und Mayakovski.
Als Kommandant seines Schützenregiments war er strikt, aber fair. Wenn zu Hause bei einem seiner Soldaten ein Unglück geschah oder es Probleme gab, half er immer, so gut er konnte. Seine Leute schätzen ihn sehr dafür.
Die Lücke, die mein Vater hinterlassen hat, konnte nie geschlossen werden. Der Krieg, die Unklarheiten über seinen Verbleib und sein Verlust rissen große Wunden ins Leben der ganzen Familie. Die Deportation war furchtbar, aber noch schlimmer war die Verleumdung meines Vaters, und dass uns alles, aber auch wirklich alles weggenommen wurde. Eine Rehabilitation erfolgte viel zu spät und halbherzig.
Ich vermisse meinen Vater noch heute.“
Aus dem Russischen von Tatiana Szekely
Filipp Georgievich Ostrikov was born on 21 January 1901 in Petropavlovsk into a poor peasant family of four children: three sons and a daughter. His childhood was marked by deprivation. After the death of his father in 1908 he started to work, at the age of seven, as a day labourer in agriculture; from 1914 he worked as a conscripted labourer without pay in a monastery, and from February 1917 for a wealthy villager.
In December 1919 he joined the 270th Beloretsky Regiment of the Red Army in Krasnoyarsk as a volunteer. He took part in campaigns against White troops under Baron Wrangel, among others in the battle of Sivash Bay. In July 1920 he become a member of the All-Union Communist Party (Bolsheviks).
After the defeat of Wrangel’s troops, Filipp Georgievich was sent for training to Kostroma. In May 1921 the course participants had to put down a counter-revolutionary uprising in Tambov, where Ostrikov worked in reconnaissance. In September 1922 he was posted by the military commissariat to Tyumen to the 86th Rifle Regiment, where he served as group leader, adjutant to a platoon leader and platoon leader. From August 1924 to 1925 he attended another training course in Smolensk. In 1926 he married Klavdiya Timofeevna Tychkina, and in August 1927 their first daughter, Lidiya, was born. In the years 1928 and 1929 he audited military political courses in Leningrad, after which he was sent to Vyazma to a secret department. In March 1932 his second daughter Valentina was born.
In 1936 he was promoted to the rank of captain and was given the position of battalion leader in the 86th Rifle Regiment. In March 1937 his son Anatoly was born. In his 17th year of service in the Workers’ and Peasants’ Red Army he received many letters of thanks and awards. Having fought on the Polish, Finnish and Bessarabian fronts and was awarded the Order of the Red Banner. After his he was transferred to Odessa as regiment commander of the 674th Rifle Regiment.
On 22 June 1944 the 674th Rifle Regiment under the command of Major Ostrikov defended the southern borders against the Nazi German troops. At the beginning of August 1941 Filipp Georgievich was ordered by division command to take his regiments and cover the division in the region of Kotovsk as it retreated to the east. Dmitry Konstantinovich Levinsky also fought in Filipp Georgievich’s regiment and was later to write the book We are from 1941. In this book he tells his story and throws light on his military commanders – among them Ostrikov – by describing some of the events from June to August 1941 and in captivity: ‘The regiment commander, Major Ostrikov, was a serious, thoughtful and taciturn man in his mid-40s; in the civil war he was awarded an Order of the Red Banner; in the regiment he enjoyed authority and respect. […] Finally again on Mauthausen. I bid farewell to the regiment commander Major Ostrikov, the chief of staff Captain Ovchinikov and other regiment commanders in Kishinev, in a transit camp for prisoners of war […]. In 1943, when I was already in the Gusen subcamp of Mauthausen concentration camp, I heard what happened to Ostrikov and Ovchinikov. I can’t remember any more exactly who told me, but I knew my commanders well and believed that it could have happened exactly like that. In autumn 1941 they were taken to Mauthausen following an unsuccessful escape attempt. When they arrived, an SS officer gave the command: “Communists, three steps forwards!” Only Major Ostrikov stepped out of the line and was shot immediately.’
Filipp Georgievich was a good family man, a loving and loyal husband and father. He was cheerful and funny, loved to sing and dance, read a lot and had a large library. He took part in sport and was kind to animals. His service took up a lot of his time but still he devoted a lot of attention to his family. His wife and children loved and respected him. For many years my grandfather’s fate remained unknown. Klavdiya Timofeevna remained loyal to her husband to the end of her life. Sadly she left this world without knowing what happened to Filipp Georgievich. His daughter Valentina Filippovna (my mother) and his son Anatoly Filippovich live in Odessa.
Tatiana Gaida
Postscript: Valentina Filippovna Rashislova’s memories of her father Filipp Georgievich Ostrikov
‘Papa loved his wife deeply, something even his children could sense. He strove so that Mama always had the opportunity to look good: well dressed, a nice hairdo. But he also always looked impeccable himself.
His pet name for Mama was Klanechka and he embraced her often and ardently. Papa helped a lot around the house: he did the washing up, cleaned the windows, dusted and helped Mama in the kitchen.
His gave his children a very sheltered upbringing and devoted great care to them. When he came home from work, he always went first to his children: checked their homework, helped them with various school subjects and played with them. When something happened or we were ill, it was always Papa who took us to the doctor. Every day he took his children to kindergarten or accompanied them to school.
He supported his children’s development: my sister Lidiya attended ballet and singing classes, I was allowed to join a drama society and trained in a folk dance group. My brother Anatoly didn’t go anywhere, he was still too little.
Once a week our father took us along with him to the banya and massaged us all with bundles of twigs. During this time my mother stayed at home and had time to herself.
At New Year he joined us children in making decorations for the fir tree from different coloured pieces of paper.
My Papa was a real animal lover. He loved to sing, to dance and to recite poetry, especially Pushkin, Lermontov, Blok, Yesenin, Akhmatova, Tsvetaeva and Mayakovsky.
As commander of a rifle regiment he was strict but fair. If one of his soldiers was experiencing misfortune at home or there were problems, he always helped them as best he could. His people regarded him highly for it.
The void left behind by my father could never be filled. The war, the uncertainty about where he was and his loss tore a great wound in the life of the whole family. The deportation was terrible, but even worse was my father’s defamation and that everything, but really everything was taken away from us. His rehabilitation took place too late and too half-heartedly.