Born 8.4.1922 in Nancy Died 27.1.1943 in Mauthausen
Biography
Verhaftung, Verurteilung, Deportation
Jean Blum wurde 1922 in Nancy geboren. Im Jahr 1940 war er Schüler des Gymnasiums Poincaré in Nancy. Ab Juni 1940 befand sich Nancy in der besetzten Zone der Wehrmacht. Im Alter von 18 Jahren trat Jean Blum gemeinsam mit André Claudel, seinem Schulfreund aus dem Gymnasium, und mit zwei anderen Jugendlichen, Roger Beaufay und Pierre Flornoy, der Gruppe der Widerstandskämpfer um Alfred Gauthier bei.
Sie helfen den in Gefangenschaft geratenen Soldaten der französischen Armee, die aus den Gefängnislagern der Kriegsgefangenen ausgebrochen sind, aus der besetzten Zone in die freie Südzone zu flüchten. Darüber hinaus nehmen sie an der Rekrutierung von Freiwilligen für die „Freie Französische Streitmacht“ von General de Gaulle teil. Die vier Jugendlichen beschließen, die „Freie Zone“ zu passieren, um über Spanien das „Freie Frankreich“ in London zu erreichen. Am 18. November 1940, am Tag ihrer Abreise, werden sie am Bahnhof von Nancy festgenommen und inhaftiert.
Einen Monat später, am 15. Dezember 1940, werden sie mit ihrem Anführer Alfred Gauthier vom deutschen Militärgericht in Nancy verurteilt. Alfred Gauthier wird zum Tode verurteilt, über die drei Kameraden von Jean Blum ein Freiheitsentzug von drei Jahren verhängt. Was Jean Blum betrifft, wird er als einziger freigesprochen. Tatsächlich erwägt das Gericht, dass Jean Blum als Jude nicht in der Lage sei, an Widerstandskämpfen teilzunehmen, und folgt seiner Aussage: „Obwohl ich mehrere Male gesagt habe, dass ich mich General de Gaulle anschließen möchte, wollte ich in Wahrheit nur in die ‚Freie Zone‘ gelangen, um mein Studium an der Universität von Montpellier fortzusetzen, um damit das Verbot für Juden zu umgehen, sich an der Universität von Nancy einzuschreiben.“ Er wird prompt auf freien Fuß gesetzt.
Am 31. Jänner 1941 wird Alfred Gauthier erschossen. Am selben Tag wird das Urteil der vier Jugendlichen vom 15. Dezember 1940 annulliert. Jean Blum, der in Nancy geblieben ist, wird erneut festgenommen. Am 6. Februar 1941 werden Jean Blum und seine Kameraden vom selben Gerichtshof zum Tode verurteilt. Einen Monat lang warten sie auf ihre Hinrichtung, doch am 5. März 1941, um 18:00 Uhr, eröffnet ihnen schließlich ein Offizier der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“, Mitglied der persönlichen Leibwache von Hitler, den Inhalt eines Telegramms vom Hauptquartier der Wehrmacht: Sie seien begnadigt und zu zehn Jahren Haftstrafe verurteilt worden. Der SS-Offizier erklärt den vier Jugendlichen: „Die Entscheidung der Begnadigung der vier zum Tode Verurteilten wurde vom Führer Adolf Hitler höchst persönlich getroffen. Er schenkt euch das Leben, er ist euer zweiter Vater.“
Am 20. Mai 1941 nach Deutschland deportiert – zu einem Zeitpunkt, als erst knapp über hundert Franzosen deportiert worden sind –, befinden sich die vier Widerstandskämpfer unter den ersten deportierten Franzosen. Bis Ende August werden die vier Jugendlichen, die sehr enge Freunde sind, immer gemeinsam in die Gefängnisse von Saarbrücken, Ludwigshafen und Bruchsal überführt.
Das Verschwinden
Im August 1941, während der üblichen Einvernahme zur Identitätskontrolle vor der Überführung in ein anderes Gefängnis, wird zum ersten Mal nach dem Glaubensbekenntnis gefragt. Jean Blum gibt sich als Jude zu erkennen. Sofort wird er von seinen drei Freunden getrennt, letztere kommen nach 1.655 Tagen Gefängnis von der Deportation zurück.
Sein Freund André Claudel wird im November 2014 schreiben: „Wir werden ihn nie wiedersehen. Nach mehr als 60 Jahren, im Jahre 2004, bei der Herausgabe des Gedenkbuches der politisch Deportierten Frankreichs, habe ich von der Fondation pour la Mémoire de la Déportation erfahren, dass Jean nach Mauthausen deportiert wurde, wo er am 27. Jänner 1943 starb.“ Jean Blum, von seinen Kameraden isoliert, weil er Jude war, wird über ein Jahr lang in einem anderen Gefängnis eingesperrt. Dann, als jüdischer Häftling zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wird er gemeinsam mit 1.000 anderen Häftlingen aus deutschen Gefängnissen vom Justizministerium nach Mauthausen deportiert. Die Suche auf der 2008 veröffentlichten Webseite des Troisième Monument der Amicale de Mauthausen (Frankreich) und in Dokumente im Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen haben es ermöglicht, einige Details über die letzten Wochen des Lebens von Jean Blum zu erfahren.
Ermordung
Am 31. Oktober 1942 konmt Jean Blum, neben Amédée Chicheportiche der einzige Franzose, in Mauthausen an. Er wird als „französischer Jude“ vermerkt und dem Block 5, dem „Judenblock“, zugewiesen. Anfang Jänner 1943 sind sie die einzigen Überlebenden des Transports vom 31. Oktober 1942. Im Jänner 1943 sind 66 Juden ermordet worden, davon 24 am 27. Jänner 1943. Laut dem von der SS geführten Totenbuch starben am 27. Jänner 1943 34 Häftlinge an diversen Krankheiten im Stammlager: am Morgen zwölf Häftlinge, zwei Juden und zehn Nichtjuden, am Nachmittag 22 Häftlinge, allesamt Juden aus dem Block 5.
Amédée Chicheportiche und Jean Blum werden am Nachmittag des 27. Jänner 1943 ermordet. An welchem Ort genau in Mauthausen die Tötung stattgefunden hat, bleibt unbekannt. Sie sind 20 Jahre alt. Am 31. Jänner 1943 gibt es nur noch 30 Juden in Mauthausen.
Memoiren
Der Name Jean Blum scheint auf Gedenktafeln im Gymnasium Poincaré in Nancy und in Mauthausen auf. Die Mütter von André Claudel und Jean Blum, die nach der Inhaftierung ihrer Söhne Freundinnen geworden sind, tauschten untereinander Fotos von ihren Söhnen aus.
Jean Blums Mutter und seine Tante mütterlicherseits, die einzigen Verwandten, die André Claudel kannten, wurden in Auschwitz ermordet. Auf dem jüdischen Friedhof von Nancy gibt es keinen Grabstein, der den Namen Jean Blum trägt.
Die Lebensgeschichte von Jean Blum wird auf der Webseite des Gedenkbuches der Fondation pour la Mémoire de la Déportation und auf der Webseite des Troisième Monument der Amicale de Mauthausen präsentiert.
André Claudel / Patrice Lafaurie
André Claudel ist Präsident der Amis de la Fondation pour la Mémoire de la Déportation – de Meurthe et Moselle und lebt in der Nähe von Nancy. Gemeinsam mit seinem Schulfreund Jean Blum beteiligte er sich am Freiheitskampf im besetzten Frankreich. Er wurde im November 1940 verhaftet und am 2. Mai 1945, nach 1.655 Tagen Gefängnis, befreit.
Patrice Lafaurie ist der Stiefsohn von Jean Gavard, der seit Ende 1940 französischer Freiheitskämpfer im besetzen Frankreich war. Jean Gavard wurde im Juni 1942 verhaftet und am 27. März 1943 nach Mauthausen deportiert; er ist Überlebender des KZ Gusen und lebt 2016 in Paris. Patrice Lafaurie ist Leitungsmitglied der Amicale des déportés, familles et amis de Mauthausen, Frankreich.
Aus dem Französischen von Andrea Peyrou
Imprisonment, Sentencing, Deportation
Jean Blum was born in 1922 in Nancy. In 1940 he was a pupil at the Poincaré Grammar School in Nancy. From June 1940 onwards, Nancy was located in the zone occupied by the Wehrmacht. At the age of 18, Jean Blum, together with André Claudel, his school friend from the grammar school, and two other young men, Roger Beaufay and Pierre Flornoy, joined the resistance group led by ‘Alfred Gauthier’.
They helped soldiers of the French army, who had been taken prisoner and escaped from the prisoner of war camps, to flee the occupied zone into the free zone in the south. In addition, they also took part in the recruitment of volunteers for the ‘Free French Forces’ of General de Gaulle. The four young men decided to travel through the ‘Free Zone’ in order to get to ‘Free France’ in London via Spain. On 18 November 1940, the day of their departure, they were arrested at Nancy train station and imprisoned.
One month later, on 15 December 1940, they were sentenced by a German military court in Nancy together with their leader, Alfred Gauthier. Alfred Gauthier was sentenced to death and Jean Blum’s three comrades were given a prison term of three years. As for Jean Blum, he was the only one to be acquitted. Indeed, the court considered that, as a Jew, Jean Blum was not capable participating in the resistance and believed his statement when he said:
‘Although I said several times that I wanted to join General de Gaulle, in truth I just wanted to get to the ‘Free Zone’ in order to continue my studies at the University of Montpellier, in order to get around the ban on Jews registering at the University of Nancy.’ He was promptly released.
On 31 January 1941, Alfred Gauthier was shot. On the same day, the verdict returned for the four young men on 15 December 1940 was annulled. Jean Blum, who had remained in Nancy, was rearrested. On 6 February 1941, Jean Blum and his comrades were sentenced to death by the same court. For a month they waited to be executed until, on 5 March 1941, at 6pm, an officer of the ‘Leibstandarte SS Adolf Hitler’, a member of Hitler’s personal bodyguard, finally revealed to them the contents of a telegram sent by the Wehmacht headquarters: they had been given a reprieve and sentenced to ten years’ imprisonment. The SS officer explained to the four young men that, ‘[t]he decision to reprieve the four death sentences was taken by the Führer Adolf Hitler himself. He gives you your lives, he is your second father.’
Deported to Germany on 20 May 1941 – at a time when only just over one hundred Frenchmen had been deported – the four resistance fighters found themselves among the first lot of French deportees. Until the end of August, the four youths, who were very close friends, were transferred from one prison to the next, always together, from Saarbrücken to Ludwigshafen to Bruchsal.
Disappearance
In August 1941, during the standard questioning to verify identity when being transferred from one prison to the next, they were asked about their religion for the first time. Jean Blum revealed that he was a Jew. He was immediately separated from his three friends. After 1,655 days in prison, they returned from deportation.
In November 2014, his friend André Claudel was to write: ‘We will never see him again. After more than 60 years, in 2004, during the publication of the memorial book for political deportees from France, I found out from the Fondation pour la Mémoire de la Déportation that Jean was deported to Mauthausen, where he died on 27 January 1943.’ Jean Blum, isolated from his comrades because he was a Jew, was locked up in another prison for over a year. Then, as a Jewish prisoner sentenced to three years’ imprisonment, he was deported to Mauthausen by the Ministry of Justice along with a thousand other prisoners from German prisons. A search via the Troisième Monument website of the Amicale de Mauthausen (France), launched in 2008, and excerpts from his files in the archives of the Mauthausen Memorial have made it possible to learn some of the details about the final weeks of Jean Blum’s life.
Murder
On 31 October 1942, Jean Blum arrived at Mauthausen, one of only two Frenchmen along with Amédée Chicheportiche. He was registered as a ‘French Jew’ and assigned to Block 5, the ‘Jewish Block’. By the beginning of January 1943, they were the only survivors of the transport of 31 October 1942. In January 1943, 66 Jews were executed, 24 of whom on 27 January 1943. According to the death register kept by the SS, 34 prisoners died in the main camp on 27 January 1943 from various diseases: 12 in the morning, 2 Jews and 10 non-Jews; and 22 in the afternoon, all Jews from Block 5.
Amédée Chicheportiche and Jean Blum were executed on the afternoon of 27 January 1943. Where exactly in Mauthausen the killings took place is unknown. They were twenty years old. On 31 January 1943 there were only 30 Jews left at Mauthausen.
Commemoration
The name Jean Blum appears on a memorial plaque at the Poincaré Grammar School in Nancy and at Mauthausen. The mothers of André Claudel and Jean Blum, who became friends after the imprisonment of their sons, exchanged photos of their sons.
Jean Blum’s mother and his aunt on his mother’s side, the only relatives of his André Claudel knew, were murdered in Auschwitz. At the Jewish cemetery in Nancy there is no gravestone that bears the name Jean Blum.
Jean Blum’s life story is presented on the website of the Memorial Book of the Fondation pour la Mémoire de la Déportation and on the Troisième Monument website of the Amicale de Mauthausen.