Born 19.8.1908 in Ludwigshafen Died 6.1.1943 in Gusen
Biography
Um die empfundene Weiblichkeit und sexuelle Vorlieben ausleben zu können entschied sich Heinrich Habitz aus Ludwigshafen für ein Leben als Hure und nannte sich Liddy Bacroff.
Er wuchs bei seinen Großeltern auf. Joseph Habitz, der spätere Ehemann seiner Mutter, adoptierte ihn. Da er als „schwer erziehbar“ galt, wurde er für ein Jahr in ein Erziehungsheim gesteckt. Nach einer abgebrochenen kaufmännischen Lehre arbeitete er als Bürodiener und anschließend als Laufbursche. Für die 1920er- und 1930er-Jahre sind mehrere Vorstrafen wegen Eigentumsdelikten und Hausfriedensbruchs dokumentiert. 1924 wurde der 16-Jährige wegen eines Vergehens nach § 176 Ziffer 3 Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) vom Amtsgericht Ludwigshafen zu sechs Wochen Haft verurteilt, später wurde ihm die Strafe erlassen. 1929 verhängte das Amtsgericht Mannheim eine zweimonatige Gefängnisstrafe wegen „widernatürlicher Unzucht“ nach § 175 RStGB. Im November 1929 verließ Habitz endgültig sein Elternhaus und zog zunächst nach Berlin, dann nach Hamburg. In der Hansestadt nannte sich Heinrich Habitz fortan Liddy Bacroff.
1930 folgte erneut eine zweimonatige Haft, dieses Mal, weil sie einem Zimmergenossen die Damenkleidung gestohlen hatte. Im Juni desselben Jahres wurde sie wegen Hausfriedensbruchs mit einem Monat Gefängnis bestraft. Im Mai 1931 folgte der nächste Prozess: Liddy Bacroff erhielt vier Monate Gefängnis wegen homosexueller Handlungen nach § 175 RStGB. 1933 und 1934 folgten zwei Verurteilungen wegen „Beischlafdiebstahls“ und „widernatürlicher Unzucht“ zu sechs und zehn Monaten Freiheitsentzug.
Während der Gefängnisaufenthalte in den Jahren 1930 und 1931 verfasste Liddy Bacroff mehrere Texte über ihre Gefühlswelt, die einen guten Einblick in das Leben eines Transvestiten geben. Die Texte trugen die Titel Freiheit! (Die Tragödie einer homosexuellen Liebe) und Ein Erlebnis als Transvestit. Das Abenteuer einer Nacht in der Transvestitenbar Adlon!
Im März 1936 wurde Liddy Bacroff erstmals nach dem neuen § 175 a Ziffer 4 RStGB, der „gewerbsmäßige Unzucht“ unter Strafe stellte, und wegen Diebstahls vom Landgericht Hamburg zu zwei Jahren Zuchthaus mit Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte für drei Jahre verurteilt. Die Strafe verbüßte sie im Zuchthaus Bremen-Oslebshausen.
Was war geschehen? Im Dezember 1935 hatte ein Seemann bei der Schutzpolizei Anzeige gegen eine Hure wegen Diebstahls erstattet. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass dafür nur Liddy Bacroff in Frage kam. Im Jänner 1936 erfolgte ihre Verhaftung. Im Verhör machte sie folgende Aussage: „Den Diebstahl der RM 20,– in der Herrenweide gebe ich zu. Nach meinem Dafürhalten hat der Mann nicht gewusst, dass ich ebenfalls männlichen Geschlechts bin. Er wird vielmehr angenommen haben, dass er mit einer Frauensperson verkehrt. Seit meiner Entlassung habe ich von widernatürlicher Unzucht gelebt. Feste Arbeit hatte ich nicht und habe auch keine Unterstützung aus öffentlichen Mitteln bezogen. Meine Freier lernte ich auch auf St. Pauli kennen. Für jeden Verkehr erhielt ich meistens 2 bis 3,– Reichsmark. Durchschnittlich hatte ich auf diese Weise einen Tagesverdienst von zehn Reichsmark. Gewohnt habe ich an verschiedenen Stellen immer nur ein paar Tage. Dort[hin] bin ich auch mit meinen Freiern gekommen. Die Namen und Adressen der Leute kenne ich nicht mehr. Bei Schmidt (Seilerstr. 11) wohnte ich erst seit zwei Tagen.“
Aus dem Bericht der polizeilichen Ermittlungshilfe über Liddy Bacroff: „Zur sexuellen Veranlagung des Habitz ist zu sagen, dass die Anfänge seiner Abnormität schon in jüngsten Jahren zu beobachten waren. Er spielte vorzugsweise mit Puppen, wie sein Gebaren ganz dem eines Mädchens angepasst war. Ein Lippenstift war ihm bei seiner ,Eitelkeit‘ unentbehrlich. In seinem 16. Lebensjahre zeigte sich das Erwachen seiner homosexuellen Natur. Sein Gefühlsleben sei das [sic] einer Frau gleichzusetzen. Das Verlangen, den Geschlechtstrieb als Mann auszuüben, habe er nie gehabt. Mit der Bezeichnung, dass er ein ‚Mann-Weib‘ ist, ist er treffend gekennzeichnet.“
Nach der Haftentlassung im Jänner 1938 meldete sich Liddy Bacroff wahrscheinlich in der Davidstraße 3 auf St. Pauli an. Um sich der ständigen polizeilichen Überwachung zu entziehen, zog sie mit gefälschten Meldepapieren in die Eckernförderstraße 78 (heute Simon-von-Utrecht-Straße 79). Die Folge war, dass die Polizei steckbrieflich nach ihr fahndete.
Liddy Bacroffs Freiheit dauerte nur zwei Monate, bevor sie am 25. März 1938 einer Denunziation zum Opfer fiel. Um 23:15 Uhr wurde der Polizeiwache „vertraulich mitgeteilt, daß sich in dem Lokal ‚Komet‘ ... ein Mann in Frauenkleidung aufhalte und mit einem anderen Mann an einem Tisch sitze.“ Daraufhin wurden die beiden verhaftet. Liddy Bacroff gab an, sie trage Frauenkleidung „aus anomaler Veranlagung, um auf homosexueller Basis anzuschaffen.“ Ihr Begleiter erklärte, er habe nichts von der wahren Identität der Liddy Bacroff geahnt, er war der Meinung, eine Frau kennengelernt zu haben. Im Verhör am 2. April 1938 gab sie gegenüber den Kriminalbeamten freimütig Auskunft über ihr bisheriges Leben als Transvestit: „Von der Polizeibehörde erhielt ich dazu die Erlaubnis. Ich konnte mich also in Frauenkleidern bewegen. Hiermit stand ich gleichzeitig unter sittenpolizeilicher Kontrolle. […] Meine Leidenschaft zu den Männern hat mich dann letzten Endes zur Prostitution getrieben. Ich finde meine geschlechtliche Befriedigung, wenn Liebe zu meinem Partner vorliegt, durch den Afterverkehr. […] Ich habe bis auf den heutigen Tag durch gewerbsmäßige Unzucht meinen Lebensunterhalt erworben. [… ] In der Zeit nach meiner Strafverbüßung bis zu meiner Festnahme, also vom 15.1.38 bis zum 25.3.38 habe ich in den 9 Wochen täglich etwa 3 Männer gehabt. Sie gaben mir durchschnittlich RM 3,–. Es ist auch vorgekommen, daß ich von einem Freier bis zu RM 10,– bekam. In den meisten Fällen lernte ich meine Kavaliere auf der Straße kennen (St. Georg); in den seltensten Fällen in einem Lokal. Teilweise habe ich die Leute angesprochen oder umgekehrt. Nachdem wir über den Preis einig geworden waren, gingen wir nach dem Pensionat Kucharsky, Ecke Hansaplatz und Bremerreihe. Der Pensionsinhaber wusste, daß ich Mannweib bin.“
Am 4. April 1938 stellte Liddy Bacroff einen Antrag auf „freiwillige“ Kastration, um „von meiner krankhaften Leidenschaft, die mich auf den Weg der Prostitution brachte, geheilt zu werden.“ Daraufhin wurde sie von einem Gerichtsmediziner des Gesundheitsamtes Hamburg untersucht. Der Arzt zog in seinem Bericht folgendes Fazit, das einem Todesurteil gleich kam: „H. ist seiner Grundeinstellung nach ein Transvestit. Beim Gesamthabitus nach ist er entsprechend feminin infantilistisch, der Stimme nach eunuchoid […] Als Urning = Strichjunge = passiver Paederast wird er sich vermutlich auch nach seiner evt. Kastration weiter betätigen, weil ihm beim Fehlen der höheren Gefühlskräfte das unmoralische seiner Handlungen, z. B. Geldverdienen durch passive Paederastie[,] als Strichjunge nicht begreiflich gemacht werden kann. Er fühlt sich in seiner Lebenslage glücklich und denkt nicht daran, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt auf anständige Art und Weise zu verdienen. […] Es liegt demzufolge bei ihm schon eine Dauerfixierung, d. h. das Gewohnheitsmäßige: die sexuell-kriminelle Habitualform vor. […] Die Sicherungsverwahrung ist infolge der absolut ungünstigen Prognose erforderlich. Als Persönlichkeit in der geschilderten Form ist und bleibt er zweifellos ein Sittenverderber schlimmster Art und muß deshalb aus der Volksgemeinschaft ausgeschaltet werden.“
Am 22. August 1938 wurde Liddy Bacroff vom Landgericht Hamburg wegen „gewerbsmäßiger widernatürlicher Unzucht“ als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“ zu drei Jahren Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Aus dem Urteil: „Von der von dem Angeklagten selbst angeregten Kastration hat das Gericht abgesehen, […] weil […] diese Maßnahme nach dem Gutachten des Sachverständigen offenbar auch nicht geeignet ist, das Triebleben des Angeklagten entscheidend zu beeinflussen. Es besteht sogar die Gefahr, daß die Kastration dem Angeklagten sein verbrecherisches Treiben noch erleichtern würde. Es würde ihm das Verbergen seines Geschlechtsteils vor seinen Unzuchtspartnern nur noch erleichtert werden. Er selbst hat diesen Antrag auch offenbar unter diesem Gesichtspunkt gestellt. Denn fast im gleichen Atemzuge hat er dem Sachverständigen erklärt, seinen After könne man ihm ja nicht verschließen.“
Nach der Gestapo- und Untersuchungshaft wurde Liddy Bacroff im Oktober 1938 in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen überstellt und nach Verbüßung der Strafe im Oktober 1941 in die Sicherungsanstalt in Rendsburg eingeliefert. Im November 1942 erfolgte ihre Überstellung an die Hamburger Polizeibehörde und anschließend die Verbringung in das KZ Mauthausen, wo Liddy Bacroff am 6. Jänner 1943 ermordet wurde.
Bernhard Rosenkranz / Ulf Bollmann
Ulf Bollmann ist Mitbegründer der Hamburger Initiative „Gemeinsam gegen das Vergessen – Stolpersteine für homosexuelle NS-Opfer“.
Bernhard Rosenkranz, mit Ulf Bollmann Mitbegründer der Initiative „Gemeinsam gegen das Vergessen – Stolpersteine für homosexuelle NS-Opfer“ und mit Gottfried Lorenz Co-Autor des Buches Hamburg auf anderen Wegen. Die Geschichte des schwulen Lebens in der Hansestadt.
In order to live out femininity and sexuality Heinrich Habitz from Ludwigsburg chose a life as a sexworker and called himself Liddy Bacroff.
He was raised by his grandparents. Joseph Habitz, his mother’s future husband, adopted him. Classed as having ‘difficult’, he was put in a correctional home for a year. After breaking off a business course he worked in an office and then as a messenger boy. Several previous convictions for property offences and trespass are documented for the 1920s and 1930s. In 1924 the 16-year-old was sentenced to six weeks’ imprisonment for an offence under § 176 subparagraph 3 of the Reich Criminal Code (RStGB) by the Ludwigshafen district court; the sentence was later remitted. In 1929 the Mannheim district court gave him a two month jail sentence for ‘unnatural sex acts’ under § 175 RStGB. In November 1929 Habitz left his parents’ house for good and moved first to Berlin and then to Hamburg. From then on, in the Hanseatic city Heinrich Habitz called himself Liddy Bacroff.
Another two-month prison sentence followed in 1930, this time because she had stolen women’s clothing from a roommate. In June of that year she was sentenced to one month in jail for trespass. The next court case was in May 1931: Liddy Bacroff was given four months’ imprisonment for homosexual acts under § 175 RStGB. In 1933 and 1934 she was given two sentences for theft in connection with sex acts and ‘unnatural sex acts’ and sentenced to six and ten months’ imprisonment.
During her prison terms in 1930 and 1931, Liddy Bacroff wrote several texts about her emotional life which provide a good insight into the life of a transvestite. The texts bore the titles Freedom! (The Tragedy of a Homosexual Love) and An Experience as a Transvestite. The Adventure of a Night at the Adlon Transvestite Bar!
In March 1936 Liddy Bacroff was sentenced for the first time under the new § 175a subparagraph 4 RStGB, which made ‘prostitution’ a punishable offence, and for theft by the Hamburg regional court to two years in jail and to the loss of civil rights for three years. She served her time in the Bremen-Oslebshausen prison.
What had happened? In December 1935 a sailor had gone to the police and reported a prostitute for theft. Police investigations found that Liddy Bacroff was the only possible suspect. Her arrest took place in January 1936. During questioning she made the following statement: ‘I admit to the theft of 20 RM in the Herrenweide. Its my opinion that the man did not know that I am also of the male sex. Rather he will have assumed that intercourse was with a woman. Since my release I have lived from unnatural sex acts. I did not have stable employment and I also didn’t receive any help from public funds. I met my punters in St. Pauli. I usually received 2 to 3 RM for each job. On average this meant my daily earning were around ten Reichsmarks. I lived in different places, usually only for a day or two. I also went there with my punters. I don’t know the names and addresses of the people any more. I had only been living with Schmidt (No. 11 Seilerstraße) for two days.’
This from the report by the assistant police investigator on Liddy Bacroff: ‘On the homosexual disposition of Habitz it should be said that the seeds of his abnormality can already be observed in his youngest years. He preferred to play with dolls, as his behaviour matched just that of a girl. Lipstick was indispensible to him in his ‘vanity’. At the age of 16 his homosexual nature was awakened. His emotional life can be compared to that of a woman. He never had the urge to live his sexual life as a man. The description of ‘Mann-Weib’ [literally: ‘man-woman’] aptly characterises him.’
After release from prison in January 1938, Liddy Bacroff probably registered her residence at no. 3 Davidstraße in the St. Pauli quarter. In order to avoid continual police surveillance, she used falsified registration papers to move to 78 Eckernförderstraße (present-day 79 Simon-von-Utrecht-Straße). This led to a police search for her using wanted posters.
Liddy Bacroff’s freedom only lasted two months before she fell victim to a denunciation on 25 March 1938. At 11.15pm the police were ‘reliably informed that in the ‘Komet’ bar … there was a man in women’s clothing sitting at a table with another man’. The two were then arrested. Liddy Bacroff stated that she wore women’s clothing ‘from an abnormal disposition in order to obtain clients on a homosexual basis’. Her companion explained that he had known nothing of the true identity of Liddy Bacroff and had believed he had met a woman. During questioning on 2 April 1938 she provided the criminal investigator frank information about her life thus far as a transvestite: ‘I was given permission for it by the police authorities. So I could move about in women’s clothes. But at the same time I was watched by the vice squad. […] My passion for men ultimately drove me to prostitution. I find sexual satisfaction, where there is love for my partner, through anal intercourse. […] Up to today I have earned a living through prostitution. […] In the period after serving my sentence until my arrest, i.e. from 15.1.38 to 25.3.38, in these 9 weeks I had around 3 men per day. On average they paid me 3 RM. Sometimes I would even get as much as 10 RM from a punter. In most cases I met my gentlemen on the street (St. Georg); rarely in a bar. Sometimes I would approach the men, sometimes the other way around. After we had agreed on the price we would go to the Kucharsky guesthouse, on the corner of Hansaplatz and Bremerreihe. The guesthouse owner knew that I was a Mannweib.’
On 4 April 1938 Liddy Bacroff submitted a request for ‘voluntary’ castration in order ‘to be cured of my sick passion which has led me onto the path of prostitution’. She was subsequently examined by a medical examiner from the Hamburg Health Department. In his report, the doctor came to the following conclusion, which was equal to a death sentence: ‘H. is a transvestite to his core. Accordingly his entire habitus is feminine and infantile, the voice eunuchoid. […] As Uranian = rent boy = passive pederast he will probably continue to operate after his proposed castration, since in lacking the loftier emotions the immorality of his actions, e.g. earning money though passive pederasty, as a rent boy, cannot be made comprehensible to him. He is happy in his situation and has no thought of earning his living in a respectable manner through work. […] Hence there is already a permanent fixation present in him, i.e. the routine: the sexual-criminal habitual form. […] Preventative detention is necessary given the absolutely unfavourable prognosis. As a personality of the form described he is and remains without doubt a corrupter of morals of the worst kind and must therefore be removed from the ‘Volksgemeinschaft’ [‘people’s community’].’
On 22 August 1938, Liddy Bacroff was sentenced by the Hamburg regional court to three years’ imprisonment with subsequent preventative detention for ‘prostitution with unnatural sex acts’ as a ‘dangerous habitual criminal’. This from the verdict: ‘The court has ignored the castration suggested by the accused himself, […] because […] according to the expert evaluation, this measure is clearly unsuited to having a decisive influence on the sex life of the accused. There is even the danger that the castration of the accused would even facilitate his criminal urges. It would make it even easier for him to hide his genitals from his sexual partners. It is clear that he made this request himself with this consideration in mind. For in the same breath he explained to the expert that, they couldn’t close up his anus after all.’
Following imprisonment by the Gestapo and remand in custody, Liddy Bacroff was transferred to the Bremen-Oslebshausen prison in October 1938 and, after serving her sentence, was admitted to the internment facility in Rendsburg in October 1941. In November 1942 she was handed over to the Hamburg police authorities and subsequently deported to Mauthausen concentration camp, where Liddy Bacroff was murdered on 6 January 1943.