Анатолий Николаевич Кобликов / Anatolij Nikolaewitsch Koblikow

Geboren 1909
in Mauthausen

Biografie

 Held der Sowjetunion Oberst der Garde

Koblikow Anatolij Nikolajewitsch

Geboren 1909 in der Stadt Bologoje, Landkreis Waldaj, Gouvernement Nowgorod (in der Personalkarteikarte des Offiziers der Roten Armee, Oberst der Garde Koblikow A. N., die sich im Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums Russlands in der Stadt Podolsk befindet, ist die Stadt Wyschnij Wolotschek als Geburtsort angegeben). 1924 beendete Anatolij seine siebenjährige Schulausbildung und setzte sein Studium in der Betriebsschule der Textilfabrik in der Stadt Wyschnij Wolotschek fort. Er arbeitete in der Weberei, war betrieblicher Ausbildner in der Betriebsschule.

1929 begann er sein Studium am Moskauer Straßeninstitut. Der vorbildliche Beststudent wurde 1930 in die Kommunistische Partei (Allrussische kommunistische Partei der Bolschewiki) aufgenommen. 1931 beschloss die Führung der UdSSR, die Rote Armee mit Parteimitgliedern zu verstärken. Auf Anweisung des Zentralkomitees der Allrussischen kommunistischen Partei der Bolschewiki wurde eine Sonderrekrutierung von 4.000 Kommunisten in die Flugschulen der Luftstreitkräfte der Roten Arbeiter- und Bauernarmee durchgeführt.

Nach dem Abschluss des 2. Studienjahres wurde der Kommunist Koblikow an die beste Bildungseinrichtung der Luftstreitkräfte geschickt: die 1. Schule für Militärpiloten. Sie befand sich auf der Krim im Dorf Katscha, 20 km von der Stadt Sewastopol entfernt. Hier machte sich Koblikow erfolgreich die Flugzeuge U-2 und R-1 zu Eigen.

Als einer der besten Absolventen verblieb er als Fluglehrer an der Flugschule. Er erwies sich als kompetenter Mentor und vielversprechender Pilot-Formationsführer. Auf Empfehlung der Leitung der Flugschule wurde er an die Hauptbildungseinrichtung der Luftstreitkräfte geschickt: die Militärakademie der Luftstreitkräfte [1] „Professor N. Zhukowskij“. Koblikow absolvierte an der Akademie 1939 die Fakultät für Kommandeure. Es gab nur sehr wenige Piloten-Formationsführer mit Hochschulausbildung in den Reihen der Luftstreitkräfte. Jährlich wurden an der Fakultät für Kommandeure der Akademie nur 50 Personen aufgenommen.

Während seines Studiums an der Akademie nahm Anatolij aktiv an der Arbeit der Parteiorganisation teil und genoss unter den Kommunisten ein hohes Ansehen. Es ist kein Zufall, dass er nach seinem Abschluss an der Akademie zum Geschwadermilitärkommissar in einer der besten Einheiten der Luftstreitkräfte, dem 25. Jagdgeschwader, ernannt wurde. Ihm wurde der Grad eines Bataillonskommissars (Major) verliehen. Das 25. Jagdgeschwader war Teil der 59. Jagdfliegerbrigade der Luftstreitkräfte des Leningrader Militärbezirks und war auf dem Flugplatz in der Stadt Puschkin (ehemals Zarskoje Selo) stationiert. Seine Bewaffnung bestand aus Jagdflugzeugen vom Typ I-15 bis und I-16. Im September 1939 führte das 25. Jagdgeschwader unter schwierigen Witterungsbedingungen einen Langstreckenflug ohne Unfälle und Abstürze durch: von Puschkin zum Flugplatz Skomorochiin der Oblast Zhytomir in der Ukraine. Koblikows Geschwader wurde Teil der 12. Armee der Ukrainischen Front und nahm während des Feldzugs der Roten Armee in der Westukraine an Kämpfen mit der polnischen Armee teil. Das 25. Jagdgeschwader nahm auch an der Operation zum Einzug der Roten Armee in Estland teil. Vom ersten bis zum letzten Tag des sowjetisch-finnischen Krieges kämpfte das 25. Jagdgeschwader als Teil der 59. Luftbrigade der 7. Armee auf der Karelischen Landenge. Während dieses erfolglosen Krieges erlitten die Luftstreitkräfte der Roten Armee schwere Verluste. Das 25. Jagdgeschwader war von solchen [Verlusten] nicht betroffen. Das hohe Ausbildungsniveau der Piloten und das kompetente Kommando des Geschwaders ermöglichten es, 3.721 Angriffsflüge durchzuführen, 45 finnische Flugzeuge abzuschießen und nur ein eigenes Jagdflugzeug zu verlieren! Für erfolgreiche Arbeit im Kampf wurde dem Geschwader der Rotbannerorden verliehen. Der Kommandeur des Geschwaders Major Nikolaj Toroptschin, der Kommissar des Geschwaders Bataillonskommissar Anatolij Koblikow, der stellvertretende Staffelführer Oberleutnant Jakow Antonow (er wurde während des Großen Vaterländischen Krieges abgeschossen und gefangen genommen) und Flugkettenführer Oberleutnant Grigorij Sokolow wurden am 21. März 1940 mit dem Titel Held der Sowjetunion mit der Verleihung der Medaille Goldener Sternund des Leninordens ausgezeichnet.

Das Ehrenblatt für Anatolij Koblikow besagt, dass er für die höchste Auszeichnung der UdSSR für persönlichen Mut und Tapferkeit, für hervorragende Unterstützung der Kampfarbeit des Geschwaders unter schwierigen Winterbedingungen von Seeflugplätzen" nominiert ist. Während des sowjetisch-finnischen Krieges führte Koblikow 41 Angriffsflüge durch. Dreimal flog er mit voller Weglänge des Jagdflugzeugs I-16 in das Hinterland der finnischen Truppen. Sieben Mal deckte er schnelle Bombenflugzeuge bei Bombenangriffen ab, ohne unter ihnen einen einzigen Verlust zuzulassen. Zweimal befehligte er Gruppen von Bombenflugzeugen des Geschwaders bei Überfällen auf finnische Flugplätze. Wiederholt führte er Aufklärungsflüge und Angriffe auf Bodentruppen aus, führte persönlich Jagdtrupps bei der Zerstörung von zwei Eisenbahnzügen.

Im April 1940 wurde das 25. Jagdgeschwader in den transkaukasischen Militärbezirk verlegt und auf dem Flugplatz Nasosnajain der Nähe der Stadt Sumgait in Aserbaidschan stationiert. Das Jagdgeschwader wurde Teil der 27. Jagdfliegerdivision der Flugabwehr und erhielt die neuesten Jagdflugzeuge MiG-3. Hier erlebte Koblikow den Beginn des Großen Vaterländischen Krieges.

Von Juli 1941 bis Juli 1942 kämpfte er an der Krimfront, von Juli 1942 bis April 1943 an der Nordkaukasusfront, von April 1943 bis Juli 1944 an der Woronesch-, Steppen- und 2. Ukrainischen Front. Bei heftigen Kämpfen auf der Krim erlitt er zwei schwere Verletzungen und eine leichte. Er bekleidete Positionen als Militärkommissar in den Luftstreitkräften der 44. Armee und in der 236. Jagdfliegerdivision. Nach der Abschaffung der Militärkommissare in der Roten Armee im Oktober 1942 und ihre Ersetzung durch Stellvertreter des Kommandeurs für politische Arbeit verließ Oberst Koblikow die Reihen der politischen Arbeiter und wechselte in eine Kommandoposition. Er wurde zum allgemeinen Stellvertreter des Kommandeurs der 203. Jagdfliegerdivision ernannt (für besondere Verdienste im Kampf wurde diese Division am 5.02.1944 in die 12. Gardejagdfliegerdivision umgewandelt). In dieser Position nahm Oberst der Garde Koblikow an den [folgenden] Offensivoperationen der Roten Armee teil: Belgorod-Charkow, Korsun-Schewtschenkowskij, Uman-Botoschi, Lwow-Sandomierz und Karpaten-Duklapass. Die 12. Gardejagdfliegerdivision war zusammen mit der 8. und 9. Gardesturmdivision Teil des 1. Gardejagdbombenfliegerkorps. Die Hauptaufgabe der Jagddivision, die sich aus dem 152., 153. und 156. Gardejagdgeschwader zusammensetzte, bestand darin, Angriffsflugzeuge Il-2 vor Angriffen deutscher Jagdflugzeuge zu schützen. Die Bewaffnung der Division bestand aus Jagdflugzeugen vom Typ Jak-16.

Als erfahrener Pilot, der die Flugzeuge U-2, R-1, I-15, I-16, UT-1, UT-2, UTI-4, MiG-3, Jak-1 perfekt beherrschte, war Oberst der Garde Koblikow für die Kampfausbildung der Flieger der Division verantwortlich und widmete jungen Piloten seine besondere Aufmerksamkeit. Seine Schützlinge kämpften kompetent und geschickt. Allein vom 5. bis 18. Juli 1943 schossen sie, eskortiert von Angriffsflugzeugen, 108 (!) deutsche Flugzeuge ab. Während dieser Zeit flog Koblikow selbst sechs Angriffsflüge mit Jagdflugzeugen vom Typ Jak-16 und wurde mit dem Rotbannerorden ausgezeichnet. Vom 5.07.1943 bis 1.01.1944 flogen die Jagdflieger seiner Division 8760 Angriffseinsätze, führten 366 Gruppenluftkämpfe durch, bei denen 416 deutsche Flugzeuge abgeschossen wurden. Vom 1.01.1944 bis zum 1.08.1944 führten sie weitere 4892 Angriffseinsätze aus, führten 253 Luftkämpfe durch und verzeichneten 208 abgeschossene feindliche Flugzeuge auf ihrem Kampfkonto. In dieser Zeit entfielen auf Koblikow 26 Angriffseinsätze und drei Luftkämpfe. Er machte weitere 285 Einsätze mit den Flugzeugen Jak-16, UT-2 und U-2, indem er operative Aufgaben ausführte.

Für die hervorragende Organisation der Kampfarbeit der Division wurde Koblikow am 23. August 1944 mit dem Orden des Vaterländischen Krieges erster Klasse ausgezeichnet. Der Befehl zur Verleihung erfolgte am 16. Oktober 1944, als Anatolij Nikolajewitsch bereits als tot galt. Dieser Orden wurde durch den Kommandeur der 12. Gardedivision, General Barantschuk, Koblikows Ehefrau, Marija Wasiljewna Lebedewa, zur Aufbewahrung als Erinnerung übergeben.

Ende August 1944, nach Abschluss der Offensivoperation Lwow-Sandomierz, konzentrierten sich die Sturm- und Jagdgeschwader des 1. Gardejagdbombenfliegerkorps auf den Flugplätzen Dzikowiec, Niwiska, Domatkow, Lipnica, Ranizow, Wola Ranizowska, Matys auf dem Gebiet des Powiats Kolbuszowski und des Powiats Mielecki der Woiwodsсhaft Karpatenvorland in Polen. Das Hauptquartier der 12. Gardejagdfliegerdivision befand sich 3 km nördlich der Stadt Mielec im Dorf Chorzelow.

Nach heftigen Kämpfen war eine Pause geplant, um die Geschwader mit Piloten und Flugzeugen aufzufüllen. Doch am 29. August begann plötzlich der Slowakische Nationalaufstand. Das sowjetische Kommando beschloss, dem slowakischen Volk zu helfen und die Deutschen aus dem Osten über die Karpaten anzugreifen, um sich mit den aufständischen Einheiten der slowakischen Armee und den örtlichen Partisanenabteilungen zu verbinden. Am 8. September begann die Karpatenoffensive der sowjetischen Truppen, die sehr schwierig war und nicht zu einem Erfolg führte. Die Karpaten konnten nicht durchbrochen werden. Der slowakische Nationalaufstand wurde von den Deutschen brutal niedergeschlagen. Auch die sowjetischen Truppen erlitten schwere Verluste. Das 1. Gardejagdbombenfliegerkorps beteiligte sich aktiv an dieser Operation. Als die Stadt Krosno in der Woiwodschaft Karpatenvorland am 9. September befreit wurde, wurde sofort eine Einsatzgruppe aus Jagdflugzeugen und Angriffsflugzeugen auf den örtlichen Flugplatz verlegt. Die Jagdflugzeuge wurden von Koblikow angeführt. Am 15. September 1944 befahl ihm der Kommandeur der 12. Gardejagdfliegerdivision, die Deckung für zwei Gruppen von je 9 Jagdflugzeugen Il-2 und sechs Gruppen je 6 Il-2 zu organisieren, die ausflogen, um Einheiten der 38. Armee und des 4. Gardepanzerkorps zu unterstützen, die in Richtung Duklapass vorrückten.  Die deutsche [militärische] Luftfahrt zeigte wenig Aktivität. Im Verband von vier Jagdflugzeugen vom Typ Jak-1б aus dem besten [Geschwader] der Division, dem 152. Gardejagdgeschwader Sandomierz, flog am 15. September unter der Führung von Major der Garde Sergej Luganskij, zweimaliger Held der Sowjetunion, auch der Held der Sowjetunion Koblikow zum Kampfeinsatz in die Region Ivel, Rymanow, um sechs Il-2 abzudecken. Die vier Jagdflugzeuge wurden vom Navigator des 152. Gardejagdgeschwaders, Held der Sowjetunion Kapitän Iwan Kornijenko, angeführt. Wie im Kriegstagebuch des 1. Gardejagdbombenfliegerkorps aufgezeichnet, das im Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums Russlands aufbewahrt wird (Fondsnummer 20502, Verzeichnis 1, Fall 68, Blatt 38), flogen 60 Flugzeuge Il-2-und 32 Flugzeuge vom Typ Jak-1 an diesem Tag in den Kampfeinsatz. Der Feind hielt einen Überflug von 21 Jagdflugzeugen FW-190 und 4 Jagdflugzeugen Me-109 fest. Mit ihnen wurden 4 Luftkämpfe durchgeführt, 4 FW-190 wurden abgeschossen. 2 Jak-1 kehrten nicht zu ihrem Flugplatz zurück. Der Kapitän der Garde Kornijenko wurde von feindlichen Jagdflugzeugen abgeschossen. Der Oberst der Garde Koblikow funkte, dass er auf dem Flugplatz in Krosno landen werde. Aber er landete nicht, und sein Aufenthaltsort war unbekannt. Wie sich herausstellte, wurden vier von den von Kornijenko angeführten Jagdflugzeugen plötzlich von deutschen Jagdflugzeugen angegriffen. Die Flugzeuge von Kornijenko und Koblikow wurden abgeschossen. Beide Piloten führten Zwangslandungen im Berggebiet durch, wurden verletzt und gefangen genommen.

Dies ist der einzige Fall in der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, in dem zwei Helden der Sowjetunion in einer Schlacht abgeschossen und gefangen genommen wurden. Zuerst wurden die Piloten in das Lazarett des Kriegsgefangenenlagers gebracht und anschließend nach Berlin, wo man versuchte, sie zum Landesverrat zu überreden und zum Flugdienst in der Russischen Befreiungsarmee unter General Wlasow zu gehen. Nachdem die Nazis eine kategorische Ablehnung erhalten hatten, schickten sie die Piloten in die Konzentrationslager.

Anatolij Koblikow gelangte als ehemaliger Kommissar in den Todesblock Nr. 20 des Konzentrationslagers Mauthausen. Nach den Erinnerungen überlebender Häftlinge des Blocks Nr. 20, war Koblikow, zusammen mit den Piloten Oberst K. Tschubtschenkow, A. Isupow und Oberstleutnant N. Wlasow Teil des Stabs der Führung des Aufstands, der im Januar 1945 stattfinden sollte. Auf Denunziation eines Verräters wurde er erschossen und im Krematorium Mauthausen verbrannt.

In der Personalkarteikarte von Offizier der Garde, Oberst Koblikow Anatolij Nikolajewitsch Koblikow, aufbewahrt im Archiv in Podolsk, ist [wie folgt] angeführt: Am 15. September 1944 vom Kampfeinsatz im Gebiet von Ivel, das 15 km südlicher der Stadt Krosno in Polen liegt, nach einem Luftkampf mit Jagdflugzeugen nicht zurückgekehrt. Durch Befehl der Hauptpersonalverwaltung des Volkskommissariats für Verteidigung vom 17. November 1944 Nr. 3874 wurde der Held der Sowjetunion Koblikow A. N. aus den Listen der Offiziere der Roten Armee als nicht vom Kampfeinsatz zurückgekehrt herausgenommen. Iwan Kornijenko hatte das Glück, aus deutscher Gefangenschaft zurückzukehren und über die letzte Schlacht von Anatolij Koblikow zu erzählen.

Seinen Kollegen blieb Anatolij Koblikow als ein sehr freundlicher, aufrichtiger, sympathischer, grundehrlicher und äußerst bescheidener Mensch in Erinnerung. Es gibt fast keine Fotos von ihm. Zu seinen Ehren wurden Straßen in den russischen Städten Bologoje und Wyschnij Wolotschek nach Koblikow benannt. Er verdient es, dass das Gedenken an ihn auch im Mauthausen Memorial bewahrt wird.

               

Katschuk Nikolaj Nikolajewitsch, Militärhistoriker, Forschungsjournalist, Oberst a. D. (speziell für das Mauthausen Memorial und den Raum der Namen)

22.09.2020

 

[1] Anm. d. Übers.: die komplette Bezeichnung lautet: Militärakademie für Ingenieure der Luftstreitkräfte „Prof. N. Je. Schukowski“ gemäß https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rakademie_f%C3%BCr_Ingenieure_der_Luftstreitkr%C3%A4fte_%E2%80%9EProf._N._J._Schukowski%E2%80%9C

 

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