René Lescoute 1920 - 1945

Geboren 25.12.1920 in Cap-de-Bonne-Espérance
Gestorben 28.1.1945 in Ebensee

Biografie

René Lescoute wurde am 25. Dezember, dem Weihnachtstag des Jahres 1920, im kleinen Ort Tarkastad in der östlichen Kapprovinz Südafrikas geboren und erhielt daher den Beinamen Noёl. Seine Mutter war Lina de Jager, sie stammte möglicherweise aus Saltriver in Kapstadt. Offenbar gab es auch einen älteren Bruder namens David. „Tante Lina“, wie sie laut lngrid Barnard in der Familientradition genannt wurde, war coloured, in der südafrikanischen Rassenhierarchie (die 1920 allerdings noch nicht so ausgeprägt war wie später) also ein Mensch zweiter Klasse. Linas Ehemann war Franzose: David Lescoute, ein Missionar der Société des missions évangéliques de Paris, kurz Mission de Paris genannt, einer 1822 gegründeten Missionsvereinigung der reformierten Kirche Frankreichs. Lescoute wurde 1910 nach Südafrika geschickt, wo sich die Missionare aus Paris üblicherweise auf einen Einsatz im Inneren Afrikas vorbereiteten. Vielleicht hat er in Kapstadt seine Frau kennengelernt, und diese begleitete ihn dann auf die Reise nach Norden, wo er seine Tätigkeit ausüben sollte. Sein Bruder, der Großvater von Frau Barnard und ebenfalls Missionar, war z. B. in Livingstone im heutigen Zambia stationiert.

Den Kindern wollte man eine europäische Erziehung angedeihen lassen und schickte sie daher zu Verwandten nach Frankreich. So auch Rene Noёl (über seinen Bruder David liegen uns keine weiteren Informationen vor). Im Studienjahr 1941/1942 – schon während des Zweiten Weltkrieges – war er an der Philosophischen Fakultät, 1942/1943 an der Evangelischen Theologischen Fakultät der Universität von Montpellier inskribiert. René Lescoute befand sich somit auf dem Territorium des mit dem nationalsozialistischen Deutschen Reich kollaborierenden Vichy-Regimes. Er verfasste eine schriftliche Arbeit über das Verhältnis von Wille und Glaube, referierte über das Übernatürliche, studierte die Bibel oder die Auffassung von Kirche bei Calvin und predigte am 10. Mai 1942 über Vers 14,6 des Johannesevangeliums: „Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ Fotos zeigen ihn mit Kollegen seines Jahrgangs an der Fakultät oder freundlich lächelnd und ein bisschen melancholisch in einem Park in Montpellier. Bernard Monteverdi weiß von einer Verlobten, Marguerite Poncet.

Ab Mitte 1943, als die Achsenmächte in Nordafrika geschlagen waren und der Widerstand gegen die Zwangsarbeitspflicht für alle Männer in Vichy-Frankreich immer stärker wurde, fassten auch an der Universität von Montpellier Theologiestudenten den Entschluss, sich in den umliegenden Bergen als Partisanen ausbilden zu lassen. Im Juni 1943 war von Widerstandskämpfern nördlich von Montpellier, in Tréminis, einer Bergregion, die heute durch den Wintersportort Grenoble bekannt ist, ein Lager aus Holzfällerhütten errichtet worden. Diese, auf einer Seehöhe von 1350 m errichteten Baracken – genannt „Das Nest“ – sollten als Ausbildungsort für 30 bis 40 Mann einer aufzustellenden Partisaneneinheit der französischen Resistance dienen.

„Heute wird unser Glaube auf die Probe gestellt“ schrieb René Lescoute vor seinem Aufbruch in die Berge – vielleicht ein Anklang an die hugenottische Tradition seiner Kirche. Gemeinsam mit Studienkollegen bildet er ab dem Sommer 1943 die kleine Gruppe des „Camps der Theologen“ in den Wäldern von Tréminis. Eine Bäuerin aus dem Ort beliefert sie mit selbstgebackenem Brot, für das auch bezahlt wurde. Zu dieser Zeit dürfte die Widerstandsgruppe weder über die Absicht noch über die militärische Ausrüstung für eine offensive Operation verfügt haben. Man wollte sich offenbar für die zu erwartende Landung alliierter Truppen in Frankreich bereithalten – eine Überlegung, die angesichts der am 13. Oktober 1943 begonnenen Rückereroberung der nahegelegenen Insel Korsika durch Truppen der „Freien Franzosen“ unter dem Oberbefehl von General Charles de Gaulle realistisch erschien.

Doch schon im Morgengrauen des 19. Oktober 1943 war eine Kolonne deutscher Soldaten mit französischen Helfern im Anmarsch auf das Camp; die Gruppe war verraten worden. Das erste Opfer, Jean Amigoni, ein gelernter Mechaniker und militanter Kommunist, erlitt einen tödlichen Kopfschuß. Die vier Theologiestudenten René Lescoute, George Siguier, Pierre Fabre und Joseph Laroche wurden samt anderen gefangengenommen und in Grenoble verhört. Lescoute wurde schwer gefoltert.

Seine weiteren Stationen als Häftling sind exakt datiert: Ende November 1943 wurden elf Gefangene auf einen Lastwagen der Gestapo in das Gefängnis Montluc in Lyon überstellt, wo ihnen von einem deutschen Militärtribunal der Prozess gemacht wurde; neun von ihnen, darunter Lescoute und Siquier, wurden zum Tod verurteilt. Fünf wurden hingerichtet, die übrigen vier am 7. Jänner 1944 begnadigt – allerdings nur, um ins Transitlager Compiegne gebracht zu werden.

Lescoute wurde am 27. März 1944 von Compiegne in das berüchtigte GESTAPO-Lager „Neue Bremm“ in Saarbrücken überstellt, wo er am 28. März eintraf.

Schon sehr geschwächt von Mangelernährung und Zwangsarbeit transportierte man ihn schließlich am 22. April 1944 ins Konzentrationslager Mauthausen. Im Zugangsbuch des Lagers wurde er als Nummer „64135 (Cap de Bonne Esperance)“ erfasst.

Nach Arbeitseinsätzen in Mauthausen selbst sowie im Außenlager Linz III starb René Noёl Lescoute am 28. Jänner 1945 in Ebensee, einem Außenlager des KZ Mauthausen, in dem die Häftlinge unter unvorstellbaren Bedingungen Stollen und Kavernen für die unterirdische Produktion von Raketen ausheben mussten.

 

Walter Sauer, Bernhard Bouzek

 

Literatur:

Walter Sauer/Bernhard Bouzek: Von Tarkastad nach Mauthausen René Noël Lescoute: Theologe, Partisan, KZ-Häftling. In: Indaba. Das SADOCC-Magazin für das Südliche Afrika 94/17, S. 24–26 (pdf).

Lisa Isaacs: WATCH: Finding the untraceable,12.4.2017.

Lisa Isaacs: Identify victim of the Nazis. In: Cape Times, 13.4.2017.

Lisa Isaacs: Courageous Capetonian stood up to Nazis, 5.10.2017.

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