Renato Dalla Palma 1924 - 1945

Geboren 12.8.1924 in Enego
Gestorben 12.3.1945 in Gusen

Biografie

Lager Bozen, Jänner 1945

Mein liebster Vater,

[…] Morgen früh fahren wir vielleicht nach Deutschland: Dort wird mein Leidensweg ein Ende haben. Alles für den Glauben und für die kommende Zeit. Ich erbitte keine Hilfe mehr, sondern nur Euer beständiges und liebevolles Denken an mich. Das ist das Leben, das sind die Überraschungen des Lebens. Ein großer Schlafsaal, schmutzig und voller Läuse, aber voller Hoffnung und Aufregung. Gute und unglückliche Seelen, auserwählte und entmutigte Seelen erwarten mit mir die Stunde der Auferstehung.

Im Schatten der düsteren Berge erlebt die Seele ihre heiligsten Stunden. Nie bin ich ein so guter Mensch gewesen, wenn auch hin und wieder gereizt. Ich habe Zahnschmerzen und eine leichte Grippe: Kleinigkeiten, die bald vorüber gehen. Nur Mut und hoch die Herzen.

Grüße an die Freunde und Küsse für meine Liebsten. Lebe wohl, mein lieber Vater,

Renato

 

Diese Worte aus seiner Feder, fast am Ende eines kurzen Lebens, erzählen uns mehr über Renato, als wir es tun könnten. Geboren und aufgewachsen in Enego auf der Hochebene von Asiago, war Renato das erste von acht Geschwistern. Nach der Grundschule besuchte er in Vicenza zunächst die Mittelschule am Kolleg „Baggio“ und später, zu Gast bei Onkel und Tante mütterlicherseits, das Gymnasium „A. Pigafetta“.

Es waren intensive Jahre, vor allem die im Gymnasium, in denen er eine tiefes Gefühl für die humanae litterae, vor allem für Musik und Theater, entwickelte. Dank seines Philosophielehrers Mario Dal Prá, der 1942 zu den Begründern des Partito d’Azione (Aktionspartei) in Venetien gehörte, interessierte er sich für ethisch-politischen Fragestellungen. Dies bezeugt Renatos kleine Bibliothek, die den Krieg überstand und Essays von Benedetto Croce und anderen Autoren umfasste, die zu jener Zeit unerwünscht waren.

Auch sein religiöses Empfinden, mit dem er groß geworden war, nahm zu. Er engagierte sich als aktives Mitglied in den Jugendorganisationen der G.I.A.C., einer Vereinigung katholischer Studenten.[1]

Das Episkopat von Monsignore Rodolfi in Vicenza erzog die Menschen zu einem mutigen Katholizismus, und nach dem 8. September entschieden sich viele Führungsfiguren der Azione Cattolica (Katholische Aktion) für den Kampf gegen den Nazifaschismus. In vielen Fällen bezahlten sie dafür mit dem Leben. Ich möchte etwa an seinen gleichaltrigen Mitschüler im Gymnasium, Franco Fraccon, erinnern, wie auch Renato Schülervertreter der Azione Cattolica. Er starb am 4. Mai 1945 in Mauthausen.

Nach der humanistischen Reifeprüfung im Jahr 1942 schrieb sich Renato an der Medizinischen Fakultät der Universität von Padua ein, wo sich nach dem 8. September 1943 die ersten Zellen des Partisanenkampfes gebildet hatten.

Zurück in Enego näherte er sich der Befreiungsbewegung an, indem er sich der Brigade „Fiamme Verdi“, Division „Ortigara“ anschloss. Bei der Rückkehr von der Ortschaft Valdicina, wohin er vor den Säuberungsaktionen des vorangegangenen Herbstes geflüchtet war, wurde er am Dreikönigstag 1945 nach einer Denunziation von der deutschen Polizei beim Abendessen mit der Familie überrascht und nach Roncegno (Trento) überführt. Von dort wurde er ins KZ Bozen überstellt und am 1. Februar 1945 nach Mauthausen deportiert, wo er am 4. desselben Monats eintraf. Er wurde dem Außenlager Gusen zugeteilt, wo er wenig später am 12. März 1945 starb.

Der Glaube an Gott hatte in ihm das Gefühl verstärkt, einer leidenden Menschheit anzugehören, die trotz allem zuversichtlich die Erlösung erwartet:

„Ich ertrage voller Ergebenheit: der Körper mag leiden, die Seele mag leiden, aber eines stirbt nicht: der Plan. Und die Heimat ist der göttliche Plan. […] Wir sind großzügigen Seelen begegnet. Gott möge sie und alle guten Menschen segnen und den bösen und den erbarmungswürdigen verzeihen.“

(Brief aus Roncegno, Jänner 1945)

Carla Poncina Dalla Palma

Istituto Storico della Resistenza e dell’Età Contemporanea della Provincia di Vicenza „Ettore Gallo”

 

 

Aus dem Italienischen von Camilla Brunelli


[1] Vgl.: I Cattolici Isontini nel XX Secolo (Gorizia 1987), Band III, S. 75; Benito Gramola (Hg.): Cattolici nella Resistenza (Vicenza 2001), S. 31; Sivio Tramontin: La lotta partigiana nel Veneto e il contributo dei cattolici (Venedig 1995), S. 34.

Position im Raum