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Feliks Lisut 1910 - 1943 Bearbeiten

Geboren 14.8.1910 in Kolonie Górne
Gestorben 25.8.1943 in Mauthausen

Biografie

Laut Gefangenenpersonalakte der Justizvollzugsanstalt Hamm, die den Vermerk „Polenvollzug“ trägt, wurde Felix Lizut am 15. August 1910 in Janowka bei Lublin in Polen geboren. Er arbeitete als Landarbeiter in Groß Reken. Am 25. Dezember 1941 wurde er der „Schädigung des Ansehens des Deutschen Reiches und Volkes“ bezichtigt.
Unter „Vermerk über die Erörterung von Tat und Vorleben und über den dabei gewonnenen Eindruck“ gibt Felix Lizut an, er habe in Polen nur zwei Klassen der Schule besucht und habe eigentlich immer in der Landwirtschaft gearbeitet.1939 wurde er im August zum Heeresdienst in die polnische Armee berufen und geriet bereits im September 1939 als Soldat in deutsche Kriegsgefangenschaft. Zuletzt arbeitete er auf dem Hof Dorf 106. Das Gericht hat den Eindruck, schon bei früheren Bauern habe er sich „faul, rüpelhaft und aufsässig gezeigt.“

Am 28. Dezember 1941 wurde er vom Rekener Gendarmeriemeister Brauers festgenommen und saß seitdem im Bocholter Gerichtsgefängnis. Der Oberstaatsanwalt beim Sondergericht Bielefeld legt ihm am 12. Februar 1942 zur Last, den Bauern tätlich angegriffen und dabei an Unterarm und Unterlippe verletzt zu haben.

Dazu äußert Herr Lizut sich wie folgt: Seit 1940 habe er für 22 Reichspfennig im Monat bei schlechtem Essen auf dem jetzigen Bauernhof arbeiten müssen. Am 2. Weihnachtstag 1941 sei er morgens früh von der Bauerstochter geweckt worden, um das Vieh zu füttern. Er habe jedoch zuvor eine Tasse Kaffee trinken wollen. Dies sei ihm verweigert worden. Vielmehr habe diese den Bauern geholt, der ihn habe verprügeln wollen: „Es war nur Abwehr gegen den Angriff des Bauern […] nach Abbüßung meiner Strafe will ich weiterarbeiten.“

Der Bauer stellt das völlig anders dar: Der Lizut sei immer schon faul […] gewesen und habe Anweisungen nur mürrisch befolgt. Er habe sich am 25. Dezember 1941 geweigert, der Aufforderung seiner Tochter Folge zu leisten und sei im Bett geblieben. Schließlich habe er, der Bauer, ihn aus dem Bett holen wollen und da sei der L. so handgreiflich geworden, dass er „schließlich seine Flinte ergriff, um den Angeklagten abzuwehren.“
Dass es schlechtes Essen gegeben habe, verneint der Bauer. Es waren noch zwei weitere „polnische Arbeitskameraden“ auf dem Hof, die sich jedoch trotz der Hilferufe des L. zurückgehalten hätten. Als Zeugen wurden sie nicht vernommen, wohl aber der Gendarmeriemeister Brauers.

Das Urteil lautet wegen „Volksschädlingsverbrechen“ auf sechs Jahre verschärftes Straflager, „die Strafe ist zu vollziehen“. Als Ende der Strafe wird das Ende des Kriegszustandes festgelegt, da „Auf L. die VO vom 11.6.1940 Anwendung findet.“ Es sei verschärftes Straflager angemessen „gem. Ziff.III der Polen-Strafrechtsverordnung wegen Zuwiderhandlung gegen Ziff. I, Abs.3 der Polenverordnung vom 4.12.1941.
Das Gericht folgt dabei den Zeugenaussagen des Bauern und des Dorfgendarmen, weil es „Aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt ist, [dass] die polnischen landwirtschaftlichen Arbeiter, die in Deutschland zum Einsatz kommen, sich im allgemeinen hier schlecht aufführen […]. Der Grund ihres Verhaltens entspringt einer jahrzehntelangen Verhetzung gegen das Deutschtum und den Gedanken, dass der deutsche Bauer jetzt im Kriege wegen des Mangels an Arbeitskräften dringend auf polnische Hilfskräfte angewiesen ist […]. Dies nutzen die Polen für ihr renitentes Verhalten aus […]. Den Angeklagten musste eine empfindliche Strafe treffen […]. Die Strafe muss vor allem auch abschreckend wirken, denn der deutsche Bauer […] muss vor solch schweren Übergriffen geschützt werden.“

Am 4. März 1942 muss Herr Lizut in das Strafgefängnis Lingen und von dort in das Strafgefangenenlager V Neu Sustrum, Emsland. Dort versichert Herr Lizut am 29. November 1942: „Ich will den Schaden wieder gut machen.“ – wozu die Anstaltsleitung vermerkt, er besitze keinerlei Gut.

Am 31. Januar 1943 wird Herr Lizut dem KL Mauthausen (Häftlingsnummer 23041) und von dort weiter in das Außenlager Großraming überstellt. Er wurde als Häftling der Kategorie „SV“ („Sicherungsverwahrung“) eingestuft. Dies waren Justizhäftlinge, die auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen Reichsführer-SS Himmler und Justizminister Thierack im September 1942 in das KZ Mauthausen eingeliefert wurden. Wie erwähnt, sollte Felix Lizut sollte bis zum „Ende des Kriegszustandes“ in Haft bleiben.

Dazu schreibt Herr Egger von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen: „Dem Eintrag im Totenbuch zufolge ist Herr Lisut im ‚SL‘ (‚Sanitätslager‘) gestorben. Beim ‚Sanitätslager‘ handelte es sich um einen Lagerteil außerhalb der Lagermauern zur Unterbringung von kranken Häftlingen. Während im sogenannten Krankenrevier zumindest rudimentäre medizinische Versorgung gegeben war, handelte es sich beim Sanitätslager um kaum mehr als eine Einrichtung zur Auslagerung des Sterbens. Es gab kaum medizinische Versorgung, was zu einer immens hohen Todesrate im Sanitätslager führte. Neben der nicht vorhandenen Versorgung wurden die Häftlinge des Sanitätslagers auch immer wieder Opfer von ‚Selektionen‘.“

Am Morgen des 25. August 1943 um 7.10 Uhr endet das Leben von Felix Lizut, weil er sich in den Augen des Bauern, des Gendarmen, des Gerichts am 2. Weihnachtstag mit seinem Wunsch, vor der Viehfütterung einen Kaffee zu trinken zu wollen, dem Befehl eines deutschen „Betriebsführers“ widersetzt hatte..

An Herrn Lizut sollte von vornherein ein Exempel statuiert werden. Er hatte nie den Hauch einer Chance und bei diesem Vorwurf war das Ende schon absehbar: Als Warnung für alle anderen Zwangsarbeiter im Raum Reken hatte er 1943 seine Schuldigkeit getan und sollte dem Reich nicht weiter zur Last fallen.
Der Gendarmeriemeister Brauers – sein Chef war Amtsbürgermeister Bösing – war mit Sicherheit am 25. Dezember nicht auf dem Hof anwesend, die beiden polnischen Staatsangehörigen wurden nicht als Zeugen vernommen. Das Gericht macht sich nicht einmal die Mühe, den Vorgang zu prüfen, sondern folgt schlicht der Naziideologie: Man kennt sie ja, „die“ Polen.
 

Ulrich Hengemühle

 

Quellen:

JVA Hamm, Q 920 Nr. 419: Gefangenenpersonalakte „Polenvollzug“ Felix Lizut, 1942.

Auskunft zu Feliks Lisut von Peter Egger, KZ-Gedenkstätte Mauthausen.

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