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Marguerite Pellet 1904 - 1945 Bearbeiten

Geboren 12.8.1904 in Lyon
Gestorben 20.3.1945 in Amstetten

Biografie

Nach Besuch der Schule für Grundschullehrerinnen in Lyon von 1920 bis 1923 war Marguerite Baud im Jahr 1924 zunächst Praktikantin in Theizé (Département Rhône), dann im darauffolgenden Jahr Hilfslehrerin in Saint-Pierre-la-Palud, bevor sie ab 1927 in Villeurbanne am Institut für Taubstumme, Blinde und Behinderte unterrichtete. Im Jahr 1932 erhielt sie das Eignungszeugnis für den Unterricht von Behinderten. Am 21. Dezember des folgenden Jahres heiratete sie in Villeurbanne den um sieben Jahre jüngeren René Pellet, der 1940, sieben Jahre nach Dienstantritt an dieser Institution, Leiter des Instituts für Gehörlose, Stumme, Blinde und Zurückgebliebene wurde. Ab 1941 war Marguerite, nunmehr Mutter von zwei Kindern – Jacques (geboren am 25. Oktober 1937) und Hélène (geboren am 18. April 1940) –, Direktorin der Schule für junge Blinde, nachdem sie 1936 ein Diplom der pädagogischen Hochschule erhalten hatte. Während des Krieges wohnte die Familie Pellet in der rue des Maisons Neuves 77 in Villeurbanne (Rhône).

1942 trat Marguerite Pellet an der Seite ihres Ehemannes dem Widerstand bei. René Pellet schloss sich dem Marco Polo-Netz an und wurde nach dessen Gründer Pierre Sonneville und nach Paul Guivante de Saint-Gast dessen dritter Leiter (Guivante de Saint-Gast wurde am 21. Juli 1943 in Lyon verhaftet und mit der Aktion „Nacht-und-Nebel“ am 5. März 1944 zunächst in das Lager Neue Bremm bei Saarbrücken und entsprechend seinem Status als „Schutzhäftling der Kategorie III“ weiter nach Mauthausen deportiert. Er war durchgehend im Stammlager inhaftiert, wo er in der Weberei und im Arbeitseinsatz arbeiten musste, bevor er mit dem ersten Konvoi des Internationalen Roten Kreuzes am 22. April 1945 repatriiert wurde). Dieses Informationsnetz unterstand dem Bureau central de renseignements et d’action, der zentralen Informations- und Aktionsstelle der Widerstandsorganisation France libre (freies Frankreich), die ihren Ursprung im 2. Büro von General de Gaulle hatte, das dieser am 1. Juli 1940 in London geschaffen hatte.

Marguerite Pellets Tätigkeit für das Netz bestand hauptsächlich darin, die im Institut, dem neuralgischen Zentrum der Organisation, eingehenden Nachrichten anzunehmen, zu entschlüsseln und andererseits die für London bestimmten Informationen zu verschlüsseln. Das Institut bot mehrere Möglichkeiten: Es ermöglichte unverdächtige Geheimtreffen, es konnten fiktive Beschäftigungen für Verbindungsleute geschaffen werden, Material und Dokumente konnten unauffällig hinein und hinaus geschafft werden …

Am 24. November 1943, als René sich neuerlich auf Mission in London befand, wurde das Netz schwer getroffen – und Marguerite an ihrem Wohnort verhaftet. Am selben Tag wurden auch ihr Schwager Paul und Lucien Périchon verhaftet, ebenso zahlreiche Widerstandskämpfer, die das Institut betraten, in dem eine Falle errichtet worden war. Beide wurden am 22. März 1944 nach Mauthausen deportiert, gemeinsam mit ihnen unter anderem Gaston Fléchier (verhaftet am 26. November), François Douris und von Jean Bénech (beide verhaftet am 20. Dezember), Pierre Vitches (verhaftet am 23. Dezember) oder Schweizer Marcel Wyler, der am darauffolgenden Tag verhaftet worden war, und Paul Guivante de Saint-Gast. André Pellet, ein anderer Bruder von René, wurde am 27. November an seinem Wohnort in der rue Servient 18 verhaftet und dann am 27. Jänner 1944 nach Buchenwald deportiert. Von diesen Männern überlebten mit Ausnahme von François Douris, der am 24. Juli 1944 in Gusen starb, alle, und sie konnten 1945 nach Frankreich zurückkehren.

Marguerite Pellet, zunächst im Fort Montluc in Lyon interniert, wurde in das Gefängnis von Fresnes transportiert und dann am 24. Februar ins Fort Romainville, wo sie die Nummer 4377 erhielt. Am 2. März 1944 wurde sie mit 49 Frauen, die wie sie die Kennzeichnung „Nacht-und-Nebel“ trugen, in das Gefängnis in Aachen deportiert. Über Essen, Bremen und Hamburg kam sie am 16. März nach Ravensbrück, wo sie die Häftlingsnummer 31971 erhielt. Am 2. März 1945 verließ sie den Block 32 dieses Lagers, wo die als „Nacht-und-Nebel“ kategorisierten Frauen zusammengefasst worden waren, und nach fünftägigem Transport kam sie gemeinsam mit 568 oder 569 Französinnen im KZ Mauthausen an, wo sie die Häftlingsnummer 2341 erhielt.

Weniger als 15 Tage nach ihrer Ankunft in Österreich, wurde sie am 20. März mit mindestens 494 weiteren Frauen, davon 106 Französinnen, unter den jüngsten und gesündesten Frauen ausgesucht, um in Amstetten die Eisenbahngleise frei zu räumen. Am Tag zuvor war dieser wichtige Eisenbahnknotenpunkt in drei Angriffen von 255 Bombenflugzeugen bombardiert worden, wobei 180 Wagons und Lokomotiven zerstört sowie Gebäude und Gleisanlagen beschädigt worden waren. Zwei Frauengruppen wurden gebildet: eine Tagschicht und eine Nachtschicht. Marguerite Pellet gehörte zur Tagschicht. Während sie mit ihren Kameradinnen, die ebenfalls am Ende ihrer Kräfte waren, so gut es eben ging, die verhakten Metallteile zur Seite räumte, wurde der Standort erneut bombardiert. Sie starb bei diesem neuen Luftangriff, der auch Armida Mion, Marie Ducy, Marie Trottier, Olga Melin, Raymonde Thibouville, Marthe Munnier, Yvonne Noutari, Charlotte Decock, Paulette Menoret und Eugénie Gravillon tötete.

René wusste zwar, dass er gesucht wird, dennoch kehrte er nach den Verhaftungen im November nach Frankreich zurück. Nach der Deportation seiner Frau ließ er sich in Chaponost nieder, wo er von den Deutschen am 30. Juli 1944 verhaftet wurde. Er wurde in Montluc gefangen gehalten und vermutlich am 23. August erschossen. Sein Leichnam, der in die Rhône geworfen worden war, wurde am 26. August etwa 60 Kilometer flussabwärts in Saint-Pierre-de-Boeuf (Département Loire) entdeckt.

Marguerite Pellet wurde ausgezeichnet mit der Verdienstmedaille der Ehrenlegion, der Medaille des Widerstands (Amtsblatt vom 11. Jänner 1947) und dem Kriegskreuz (Verfügung Nr. 1317 vom 10. November 1945). Sie wurde am 15. September 1950 mit der Auszeichnung Mort pour la France (Für Frankreich gestorben) und dem Titel déporté résistant (deportierte Widerstandskämpferin) geehrt. Eine Straße in Lyon trägt nunmehr den Namen von René und Marguerite Pellet.

Adeline Lee

Adeline Lee, Lisieux, ist eine französische Historikerin. Für die neuen Dauerausstellungen an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen nahm sie an einem umfangreichen Forschungsprojekt nach Quellen zur Geschichte des KZ Mauthausen in französischen Archiven und Sammlungen teil. Sie ist die Autorin zahlreicher Artikel über die Deportation von Französinnen und Franzosen in das KZ-System Mauthausen. 

 

Quellen:

Service historique de la Défense, Akt MED 21 P 523773, 21 P 656919 (Akt René Pellet), 21 P 656908 (Akt André Pellet), 21 P 956916 (Akt Paul Pellet), RA 2/19, 26 P 1134 Zugangsbuch Frauenkonzentrationslager Mauthausen, Register des Fort Romainville, Kartei Romainville.

Archives Nationales, 72 AJ 63, Marco-Polo-Netz.

Literatur:

Bruno Permezel: Résistants à Lyon, Villeurbanne et aux alentours: 2824 engagements (Lyon 2003), S. 501.

Thomas Fontaine: Les oubliés de Romainville, un camp allemand en France (1940-1944) (Paris 2005), S. 144.

Jacques Ghémard: René Pellet (http://www.francaislibres.net/liste/fiche.php?index=110380, Zugriff am 24.2.2015).

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