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Hans Friedemann 1907 - 1943 Bearbeiten

Geboren 17.10.1907 in Kastellaun
Gestorben 12.1.1943 in Gusen

Biografie

Über „Hansi“, wie unsere Mutter ihren Bruder Hans Friedemann nannte, machte die Familie nur Andeutungen. „Er war Kleptomane, ging in Frauenkleidern rum“, erzählte man sich etwa, und „ist im Gefängnis verstorben“. Treffen zwischen unserer in Berlin lebenden Mutter und ihrem Bruder gab es nicht, wie sie sagte. Im Übrigen wurde geschwiegen.

Hans Friedemann kam am 17. Oktober 1907 in Kastellaun zur Welt – als letztes der vier Kinder unserer Großeltern Norbert und Else Friedemann. Über der Familie lag ein Schatten, da die beiden ältesten Söhne bereits im Kindesalter verstorben waren. Die Restfamilie zog 1916 nach Bonn. Als er 13 Jahre alt war, starb auch seine Mutter nach langer Krankheit. Die künftige Stiefmutter kam mit ihrem Sohn ins Haus. Die weiteren biografischen Spuren von Hans konnten wir nur einer Sondergerichtsakte entnehmen.

Darin fanden wir das letzte Lebenszeichen von Hans, die Kopie eines eigenhändig von ihm verfassten Schreibens vom 16. August 1942 an die Polizeiverwaltung Bremen aus dem Strafgefangenenlager Neusustrum, einem „Emslandlager“. Er bat, seiner ehemaligen Braut mitzuteilen, wohin sie sein Hab und Gut zur Verwahrung während seiner Haft bringen könne. Nicht einmal fünf Monate später war er – 35-jährig – tot.

In dieser Akte steht, dass Hans in Neuß eingeschult wurde und in Bonn die Volksschule, bis zur Primareife das Gymnasium und anschließend die Höhere Handelsschule besuchte. Er erweiterte seine kaufmännischen Fähigkeiten von 1930 bis 1932 mit jeweils einem einjährigen Aufenthalt in England und einem Volontariat in Bonn. An der Handelshochschule Köln versuchte er die Hochschulreife zu erlangen, jedoch ohne Erfolg. Bis 1936 arbeitete er als Buchhalter in zwei Bonner Firmen.

Im Vorstrafenregister sind aufgeführt: Fahrraddiebstahl, Veruntreuung von Mitgliedsbeiträgen als ehrenamtlicher Zellenleiter der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) und Betrug seines Arbeitgebers. Deshalb verbüßte er von 1936 bis 1937 eine einjährige Haftstrafe in Bonn. Nach seiner Entlassung war er erwerbslos und bezog eine eigene Bleibe. Mit Unterstützung seines Vaters, dem Kreisveterinär von Bonn, fand er 1938 wieder eine Anstellung im Kaufmannsberuf. Diese endete, als er wegen Unterschlagung und Scheckbetrugs zu einer zweieinhalbjährigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde, die er in der Haftanstalt Griebo bei Coswig (Sachsen) verbüßte. Im Anschluss an seine Entlassung fand er eine Anstellung als Hilfsarbeiter in einer Möbelfabrik mit einem Wochenlohn von 30 Reichsmark. Dort wurde er am 28. November 1941 beim versuchten Diebstahl von Holzfüßen „auf frischer Tat“ erwischt. Zwei weitere Holzdiebstähle gestand er; er wollte Holzspielzeug und Möbel für den Verkauf fertigen. Das Amtsgericht Bonn erließ Haftbefehl wegen schweren Diebstahls. Nunmehr wandte sich sein Vater von ihm ab.

Das Sondergericht Köln verurteilte Hans Friedemann am 16. Februar 1942 „nach § 2 der Volksschädlingsverordnung als gefährlichen Gewohnheitsverbrecher“ zu vier Jahren Zuchthaus, außerdem wurden „Sicherungverwahrung“ angeordnet und die Ehrenrechte auf zehn Jahre aberkannt. Am 12. März kam er ins Strafgefangenenlager Neusustrum, wurde am 11. Dezember in das KZ Mauthausen eingeliefert und mit der Gefangenennummer 17703 am 15. Dezember in das Zweiglager Gusen überstellt. Nach nur knapp einem Monat wurde im Totenbuch von Gusen der Tod von Hans Friedemann mit „12. Jänner 1943 um 17:10 Uhr“ vermerkt. Als Todesursache wurde „eitriger Dickdarmkatarrh“ angegeben.

Gunhild Zürcher / Hartmut Pagenstecher / Gisela Wienrich

Gunhild Zürcher, Hartmut Pagenstecher und Gisela Wienrich sind die Nichten und Neffen von Hans Friedemann.

 

Quellen:

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Sondergericht Köln, Anklage gegen Hans Friedemann vom 19.1.1942 (1 S Js 1067/41), Urteil vom 16.2.1942 (1 S Ls 8/42), Rep. 112, Nr. 17400.

Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Totenbuch des SS-Sandortarztes Mauthausen für Gusen, 1.1.6.

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