Zurück

Marcel Lacroix 1926 - 1945 Bearbeiten

Geboren 6.7.1926 in Pont-à-Mousson
Gestorben 30.3.1945 in Gusen

Biografie

Marcel Lacroix, geboren 1926, und Stéphane Lewandowski, geboren 1925, waren unter den wenigen Franzosen, die erst dann nach Mauthausen deportiert wurden, nachdem sie das berauschende Gefühl der Befreiung Frankreichs erlebt hatten.

Als Bewohner der Stadt Pont-à-Mousson in Lothringen, im Osten Frankreichs, bekämpften sie, bewaffnet, die nationalsozialistische Besatzungsmacht. Nach der Befreiung von Pont-à-Mousson kämpften sie an der Front Seite an Seite mit der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika, am Ufer der Mosel, wo sie Anfang September 1944 festgenommen wurden. Vorerst mehrere Wochen in deutschen Gefängnissen gemeinsam inhaftiert, trafen sie nach dreimonatiger Trennung, an einem Sonntag-Nachmittag, im „Stammlager“ Mauthausen wieder aufeinander.

Erinnerungsbericht von Stéphane Lewandowski (Jänner 2015)

„Wir wohnten in Pont-à-Mousson im gleichen Stadtteil und besuchten seit dem Kindergarten dieselben Schulen. Nach der Schule bin ich Metallarbeiter geworden, und Marcel war in einer Pferdefleischerei angestellt. Während der Zeit der Besatzung haben wir uns, jeder für sich, für den Widerstand eingesetzt, im Jahr 1944 für den bewaffneten Widerstandskampf im Gebiet von Pont-à-Mousson, welches wir befreiten.

Nach der Befreiung von Pont-à-Mousson bekämpften wir an der Front Seite an Seite mit den Amerikanern die Wehrmacht in Lothringen. Am 9. September 1944 erschossen Marcel Lacroix und André Biquillon einen Artillerie-Leutnant, der eine deutsche Wachmannschaft kommandierte. Daraufhin wurden sie festgenommen und hinter die feindlichen Linien gebracht, in einen Schuppen, in dem sich Soldaten der Alliierten befanden, Amerikaner und Franzosen, die wie ich während des Kampfes in Gefangenschaft geraten waren. Unter diesen Umständen haben wir uns wiedergefunden. Er vertraute mir an, dass er und sein Kamerad ihre prompte Erschießung erwarteten. Dem war nicht so. Aber einige Tage später erkannte ein deutscher Soldat, der von den Alliierten im Rahmen eines Häftlingsaustausches freigelassen wurde, Marcel wieder und beschuldigte ihn diverser Gewalttaten. Und wieder glaubte Marcel, seine letzte Stunde hätte geschlagen. Dies traf aber nicht ein, und so blieben wir mit André Cavajani einige Wochen beisammen, vier Widerstandskämpfer aus Pont-à-Mousson, die mit den Waffen in der Hand von der Wehrmacht zu Kriegsende gefangengenommen wurden.

Wir wurden nach Saarbrücken gebracht, dann nach Limburg in das Stalag XII-A überführt, wo der Kommandant sich weigerte, den ‚französischen Terroristen‘ Einlass zu gewähren. Hier wurden wir von den amerikanischen Soldaten getrennt und in das Gefängnis der Gestapo gebracht, wo Marcel und ich uns eine Zelle teilten. Nach mehreren Wochen in Frankfurt am Main und nach einer mehrtägigen Reise mit dem Zug wurde unsere Gruppe (etwa 30 ‚französische Terroristen‘) von Gefängnis zu Gefängnis überführt. Am 30. November 1944 kamen wir ohne Marcel in Mauthausen an.

Ende Jänner 1945, als ich im Zentrallager in Block 10 war, das wir, die Häftlinge, ‚das freie Lager‘ nannten, erfuhr ich von der Anwesenheit Marcels in Quarantäne. Er kam am 9. Jänner 1945 an. Am Sonntag, dem freien Tag, war der Zutritt zu den Blocks tagsüber erlaubt, und jene aus dem ‚freien Lager‘, so wie ich, besaßen das Privileg, für kurze Zeit einen Gefangenen aus der Quarantäne herauszuholen.

Ich ging durch eine von einem Kapo bewachte Tür, umgeben von Stacheldraht, der auf der Höhe zum Eingang der Quarantäne den Appellplatz versperrte, und bat den Blockältesten des Blocks 16, meinen Freund zu holen. Es wurde mir erlaubt, meinen Freund, der sechs Wochen nach mir nach Mauthausen gekommen war, einige Momente in das ‚freie Lager‘ mitzunehmen. Er war zu diesem Zeitpunkt in einem weitaus besseren Gesundheitszustand als ich. Wir diskutierten lange, und durch seine Erfahrung als Metzger gab Marcel uns Ratschläge für den Kauf von Pferdefleisch, das wir auf dem Schwarzmarkt sahen. Ich brachte Marcel in den Quarantänebereich zurück und wir trennten uns in der Hoffnung, uns nächsten Sonntag wiederzusehen.

Wir sahen uns nie mehr wieder. Er wurde am 14. Februar 1945 in das Nebenlager Gusen überstellt, um als Hilfsarbeiter an der Baustelle ‚Bergkristall‘ zu arbeiten. Nach dem Totenbuch von Gusen starben am 30. März 1945 ab fünf Uhr Früh, in weniger als einer Stunde, 16 Gefangene. Für zwölf andere Gefangene gab man als Todesursache in Gusen II ‚Herzschwäche‘ an. Marcel Lacroix – mein Jugendfreund – war 18 Jahre alt.“

In Erinnerung an Marcel Lacroix

Der Lebensweg von Marcel Lacroix ist auf der Webseite des Gedenkbuches der Fondation pour la Mémoire de la Déportation und auf der Webseite des Troisième Monument der Amicale de Mauthausen dokumentiert.

In Pont-à-Mousson, auf dem Kriegerdenkmal „Für die Toten des Widerstandes“, sind in goldenen Buchstaben die Namen von „Marcel Lacroix“ und die der 31 bewaffneten Widerstandskämpfer von Pont-à-Mousson aus dem Gebiet F.F.I. (Französische Streitkraft im Inneren) graviert, verstorben im Kampf gegen den Nazismus.

In Mauthausen scheint der Name von „Marcel Lacroix“ in einem bronzenen Herzen auf dem französischen Denkmal auf, er befindet sich unter den im Jahr 1949 bekanntgegebenen Namen der 4.665 ermordeten Franzosen in den Lagern von Mauthausen.

Stéphane Lewandowski / Patrice Lafaurie

Stéphane Lewandowski, geboren 1925, ist Überlebender des KZ Mauthausen. Er war unter den wenigen Franzosen, die mit dem 30. November 1944 erst dann nach Mauthausen deportiert wurden, als Frankreich bereits befreit wurde.

Patrice Lafaurie ist der Stiefsohn von Jean Gavard, der seit Ende 1940 französischer Freiheitskämpfer im besetzen Frankreich war. Jean Gavard wurde im Juni 1942 verhaftet und am 27. März 1943 nach Mauthausen deportiert; er ist Überlebender des KZ Gusen und lebt 2016 in Paris. Patrice Lafaurie ist Leitungsmitglied der Amicale des déportés, familles et amis de Mauthausen, Frankreich.

 

Aus dem Französischen von Andrea Peyrou

Dateien

Informationen zur Person senden...

Weitere Informationen zur Person hinzufügen...