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Jan Jebavý 1908 - 1942 Bearbeiten

Geboren 10.5.1908 in Brno
Gestorben 1.10.1942 in Mauthausen

Biografie

Jan Jebavý wurde im Brünner Vorort Žabovřesky als einziger Sohn von Bohumila und Rudolf Jebavý, einem engen Verwandten des Dichters Otokar Březina (1868–1929), geboren. Jan schloss im Juni 1926 ein klassisches Gymnasium ab und studierte anschließend an der Masaryk-Universität in Brünn Medizin. Er promovierte im Mai 1933 und arbeitete zunächst extern als Kinderarzt, bis er sich 1935 auf Ophthalmologie (Augenheilkunde) spezialisierte. 1936 heiratete er die Lehrerin Svatava Gallusová; im Jahr darauf wurde ihre Tochter Hana geboren – sie studierte später an derselben Universität Kinder- und Jugendmedizin. Als begeistertes Mitglied des Sokol-Gymnastikvereins wurde Jan Jebavý ein leistungsstarker Athlet; als Arzt stand er der Medizinischen Sektion der Organisation (župa Jana Máchala) vor und hatte einen Sitz in deren Leitungsgremium. Von April 1937 an arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Augenheilkunde der Universitätsklinik unter Professor Bohuslav Slavík, dem Gründer des Brünner Universitätsinstituts in diesem Feld. Er publizierte sieben Artikel, die er als Kapitel seiner für die Zukunft geplanten Habilitation konzipierte.

Jan wurde zum ersten Mal verhaftet, als der Deutsch-Polnische Krieg begann: er war einer der 490 Geiseln (162 wurden in Brünn verhaftet, drei von ihnen an der Medizinischen Fakultät), die am 1. September 1939 in Mähren verhaftet und im berüchtigten Špilberk/Spielberg-Festungsgefängnis festgehalten wurden. Am 10. Oktober entlassen, nahm er bald danach Kontakt mit der militärischen Untergrundorganisation Obrana národa (Verteidigung der Nation) auf: als Mitglied ihres politischen Arms war er in der wichtigen internen Sokol-Kommission tätig (Komise pro styk se župami). Unter Führung von Augustin Pechlát (ermordet am 30. September 1941) versuchte diese Kommission, lokale Untergrund-Gruppierungen im Protektorat zu implantieren und zu koordinieren. Ab Frühling 1940 nahm er an der „jugoslawischen Verbindung“ teil, d.h. der Recherche und Übermittlung geheimdienstlicher Nachrichten für den britischen Militärattaché an der Belgrader Gesandtschaft.

Seine zweite Verhaftung geschah unter dem Standrecht des neu eingesetzten „Reichsprotektors“ Reinhard Heydrich, am Vorabend der Auflösung aller Sokol-Vereine (am 8. Oktober 1941). Am 27. November wurde er von einem SS-Gericht in absentia dazu verurteilt, an die „Gestapo übergeben“ zu werden. Da die Polizei keine Beweise gegen ihn in der Hand hatte, wurde er für „wiederholtes reichsfeindliches Verhalten“ verhaftet, nahezu unter denselben Voraussetzungen wie 798 andere Menschen aus Brünn, die zwischen September 1941 und Jänner 1942 verurteilt wurden. Am 20./21. Jänner wurde Jan Jebavý vom Pod-Kaštany-Gefängnis nach Mauthausen deportiert. Vermutlich bereits im März wurde er an seinem linken Arm verletzt, als er im Steinbruch Wiener Graben arbeitete, und von da an mit einer schicksalhaften Entwicklung eines Phlegmons konfrontiert. Zwei seiner engen Freunde und Kollegen – beide bekannte Brünner Medizinprofessoren, die später als Ärzte im Revier des Lagers eingeteilt wurden, nämlich der Mikrobiologe Václav Tomášek und der Chirurg Josef Podlaha – waren noch nicht im Revier tätig (Tomášek war von April bis Ende Juli als Bauarbeiter beim Bau des nahen Lagers Gusen eingesetzt, während Podlaha bis Ende Mai auf die Genehmigung des Lagerkommandanten Ziereis warten musste, Medizin praktizieren zu dürfen, um zunächst SS-Wachen als Patienten zu behandeln).

Das auf Vernichtung ausgerichtete Verhalten der Nazi-Wachen gegenüber tschechischen Insassen änderte sich auch angesichts der wachsenden industriellen Bedürfnisse des totalen Krieges nicht. Am 7. Mai wurden 72 Mitglieder des Brünner Widerstandes exekutiert, deren Kopf Jan Florian war, ein weithin bekannter Mikrobiologe, der zwölf Monate zuvor ein Untergrundnetzwerk unter den Fakultätsmitgliedern initiiert hatte. In den ersten Julitagen ermordeten Wachmannschaften blindlings Dutzende von kranken und invaliden Häftlingen in Block 16.

Die vermeintliche „Behandlung“ seines Phlegmons in Block 19 setze Jan Jebavý der unmittelbaren Gefahr einer Tuberkulose aus: die Aufnahme in einen Invalidentransport nach Dachau, der über den Sommer mehrere Male verschoben wurde, wurde eine fatale Angelegenheit. Während Professor Tomášek versuchte, seinen Freund durch diverse „medizinische“ Überprüfungen zu verstecken, bestand ein unbekannter Insasse – angeblich ein früherer Medizinstudent – darauf, ihn zu untersuchen. Er präsentierte die Entdeckung der Infektion als seine eigene: in den letzten Septembertagen musste Jan Jebavý auf Block 20 verlegt werden, wo ihm die Henker des Standortarztes Krebsbach am 1. Oktober 1942 eine tödliche Injektion verabreichten.

Jan Jebavý wurde in memoriam das Tschechoslowakische Kriegskreuz 1939–1945 verliehen. Im September 1946 fand in Brünn ein größeres Athleten-Treffen zu seinen Ehren statt; im Juni 1947 wurde er posthum zum Professor der Ophthalmologie ernannt. Im Jahr 2014 wurde in jenen Brünner Gehsteig, an dessen Adresse Jan Jebavý bis zum Standrecht 1941 gewohnt hatte (Šeříková 30, heute Heinrichova-Straße), ein Stolperstein gesetzt.

Lubor Jílek

Lubor Jílek, geboren 1947 in der früheren Tschechoslowakei, hat an den Universitäten Brno, Lausanne und Genf Geschichte der Internationalen Beziehungen studiert. In seinen Arbeiten in Genf konzentrierte er sich auf die Geschichte der europäischen Integration und deren intellektuelle Voraussetzungen in Zentral- und Westeuropa des 20. Jahrhunderts, v. a. in Frankreich, der Schweiz, Österreich und Deutschland. 

 

Aus dem Englischen von Andreas Kranebitter

 

Quellen:

Masaryk University Archives (Brno), Personalakte.

Moravský zemský archiv v Brně, Bestand „Gestapo Brünn“, B340, kart. 314, sign. 100-314-23.

Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Totenbuch des SS-Standortarztes Mauthausen, Y/46.

Unpublizierte Erinnerungsberichte, geschrieben 1945–1946: Václav Tomášek (Brno, Archiv Masarykovy univerzity, und Mendelianum), Josef Podlaha (Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Wien).

Karel Littloch: Mauthausen, koncentrační lágr smrti: vzpomínky na léta 1941–1942 [Todeslager Mauthausen: Erinnerungen aus den Jahren 1941–1942] (Třebíč 2014 [1945]).

Miloš Vítek: Mauthausen 1942 – Dachau 1945 (Brno 1946).

 

Literatur:

Michel Fabréguet: Camp de concentration national-socialiste en Autriche rattachée (1938–1945) (Paris 1999).

Karin Orth: Das System nationalsozialistischer Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte (Hamburg 1999).

David W. Pike: Spaniards in the Holocaust. Mauthausen, Horror on the Danube (London 2000).

Rok 1942 v českém odboji. Sborník příspěvků z vědecké konference [Das Jahr 1942 im tschechischen Widerstand. Tagungsband einer akademischen Konferenz] (Praha 1999).

Zdeněk Štěpánek: Nacifikace a moravští lékaři, 1939–1945 [Die Nazifizierung und die mährische Ärzteschaft] (Brno 2004).

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