Wilhelm Niemann 1896 - 1944 Bearbeiten
Geboren 15.10.1896 in Osnabrück
Gestorben 7.11.1944 in Hartheim
Biografie
Die Heirat von Gustav Niemann und Friederike Marhenke findet im Mai 1884 statt. Die Eltern von Wilhelm Niemann sind beide in Osnabrück geboren und katholisch. Das Paar bekommt zusammen neun Kinder. Das zweitgeborene Kind und ältester Sohn stirbt mit viereinhalb Jahren. Zwei Töchter leben nur wenige Tage bzw. Monate. Sechs Kinder erreichen das Erwachsenenalter. Wilhelm, der Jüngste, wird am 15. Oktober 1896 in Osnabrück an der Goldstraße geboren. Zu diesem Zeitpunkt ist seine älteste Schwester elf Jahre, der Bruder sieben Jahre, drei weitere Schwestern sind sechs, drei und ein Jahr alt. An der Goldstraße wohnt die Familie zumindest bis zum August 1914. Der Umzug von dort zur Osningstraße 10 muss während des Krieges stattgefunden haben. Der mittlerweile 19-jährige Wilhelm, von Beruf Arbeiter, ist ab 3. April 1916 auf einem eigenen Bogen in der Wohnung der Eltern gemeldet. Für 20 Jahre liegt sein weiterer Lebensweg im Dunkeln. Warum Wilhelm Niemann in die Mühlen der nationalsozialistischen Vernichtungsstrukturen geraten ist geht aus der Gestapo-Kartei hervor. Im September 1937 findet sich darin folgender Eintrag: „Niemann wurde wegen Vergehens nach § 175 zu einer Gefängnisstrafe von 1 Jahr verurteilt.“ 1934 war das Sonderdezernat Homosexualität beim Geheimen Staatspolizeiamt eingerichtet, 1935 der § 175 verschärft und am 10. Oktober 1936 von Himmler die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung eingerichtet worden. „Hartgesottenen“ Homosexuellen glaubte Himmler mittels einer Umerziehung durch Arbeit in den Konzentrationslagern beizukommen. Am 12. Februar 1940 verfügte er lapidar über das Reichskriminalpolizeiamt: „Ich ersuche, in Zukunft alle Homosexuellen, die mehr als einen Partner verführt haben, nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis in polizeiliche Vorbeugehaft zu nehmen.“ (BAK, RD 19/28-15-f.169, Jellonnek/Lautmann „Dies bedeutete – nach verbüßter Strafe wohlgemerkt – die automatische Verbringung in ein KZ, was […] für nicht wenige […] den sicheren Tod bedeutete.“ [ebd., S. 154 f.]) Auf seiner Geburtsurkunde in den Standesamtsunterlagen der Stadt Osnabrück findet sich ein Stempel, der seinen Tod in Hartheim dokumentiert. Eine Anfrage in der Gedenkstätte ergab u. a. folgende Informationen: Wilhelm Niemann war ab 1944 Häftling im KZ Mauthausen und ist Opfer der Tötungsanstalt Hartheim geworden. Aus diesen Bruchstücken lässt sich nicht ablesen, wann Wilhelm Niemann in welches KZ eingeliefert worden ist, denn Mauthausen kann eine Station von mehreren gewesen sein. Mauthausen war das einzige KZ der Kategorie III auf dem Reichsgebiet, was „Vernichtung durch Arbeit“ bedeutete. Das KZ Mauthausen hatte über 40 Außenlager aus denen jeweils die „arbeitsunfähigen“ Häftlinge nach Mauthausen zurückbefördert wurden. Diese galten der SS als nutzlos. Sie wurden auf unterschiedliche Weise ums Leben gebracht. Eine davon war die „Sonderbehandlung 14f13“. Es ging dabei um Selektionen von Kranken in den Lagern ab Frühjahr 1941, die anschließend in der Hartheimer Gaskammer umgebracht worden sind. Das Todesdatum auf Niemanns Geburtsurkunde erwies sich als Erfindung. Auskunft von Peter Eigelsberger aus der Gedenkstätte Schloss Hartheim: „Die Sterbedaten wurden im Zuge der Sonderbehandlung 14f13 gefälscht. In dem Scan finden Sie zudem einen Auszug aus einer politischen Liste. Hier scheint bei Wilhelm Niemann der 7.7.1944 auf. An diesem Tag dürfte der Transport und die Ermordung in Hartheim tatsächlich stattgefunden haben. Die Transportliste vom 7.7.1944 ist leider nicht erhalten. Wir wissen jedoch, dass der tatsächliche Tod und die Beurkundung im Standesamt des KZ Mauthausen oft Monate auseinander lagen.“
Wilhelm Niemann wurde am 7. Juli 1944 in der Gaskammer von Hartheim ermordet. Er starb im 48. Lebensjahr.
Lisa Böhne Dipl. Erz. Wiss. "Osnabrücker Schicksale" – bisher unveröffentlichtes Manuskript, Osnabrück 2014 (als Stolpersteinbiografie im Internet)
Quellen:
NLA OS (Landesarchiv Niedersachsen – Abteilung Osnabrück) Rep 492 Nr. 582 - Nr. 1223, NLA OS Dep 3b XVIII Nr. 226, NLA OS Dep 3b XVIII Nr. 487; Gestapo Kartei: NLA OS Rep 439 Nr. 19; Internetseite KZ-Gedenkstätte Mauthausen; Jellonnek/Lautmann (Hg.), NS Terror gegen Homosexuelle, Paderborn 2002; Auskunft Peter Eigelsberger dokumentation@schloss-hartheim.at