August Kraft 1886 - 1940 Bearbeiten
Geboren 13.10.1886 in Kiöwen / Kijewo
Gestorben 1.2.1940 in Mauthausen
Biografie
August Kraft (oder Krafzig) wurde am 13. Oktober 1886 in Kiöwen (heute Kijewo) geboren. Wann genau oder wieso er nach Wien kam, ist nicht bekannt. Fest steht, dass er bereits Ende der 1920er-Jahre in Wien war und engen Kontakt zur Bibelforschergruppe hatte. Kraft wohnte im 7. Wiener Gemeindebezirk, in der Neubaugasse 45 und war ledig. Er war schon in einer sehr frühen Phase der Bibelforscherbewegung in Österreich aktiv und fungierte als Schriftführer im Wiener Büro. Er war Gründungsmitglied des österreichischen Zweiges der „Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft“ und aktiv im Kampf gegen die Repressionen der ständestaatlichen Behörden gegen die Zeugen Jehovas in den 1930er-Jahren beteiligt.
Unmittelbar vor dem „Anschluss“ wurden die Gebäude der Watch Tower Society in Wien verkauft und der bis dahin fungierende Landesleiter Walter Voigt flüchtete in die Schweiz. August Kraft übernahm im März 1938 die Leitung des österreichischen Zweiges. Im „Abschlussvermerk der Gestapo Wien über die Führer der Bibelforschervereinigung in der Ostmark“ vom 17. Dezember 1941 heißt es:
„Nach der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich flüchteten die bisherigen Führer der illegalen Bibelforscherorganisation von der Ostmark in die Schweiz bzw. nach England. Die Leitung übernahm nun der Vertreter August Kraft […]. Die Bibelforscher, d. h. ‚Zeugen Jehovas‘, wurden jetzt in ihrer Tätigkeit vorsichtiger. Sie trafen sich nur mehr in kleineren Gruppen, teils in Privatwohnungen, teils in öffentlichen Parkanlagen, um dort die Bibel ‚auszulegen‘ und Bibelforscherschriften gemeinsam zu lesen. Zu diesem Zweck ließ August Kraft einem Großteil der Bekenner durch Mittelspersonen im Vervielfältigungsverfahren hergestellte Schriftstücke zustellen, die zumeist die Leitartikel der im Deutschen Reich verbotenen Bibelforscherschriften enthielten.“[1]
Kraft war ständig unterwegs, übernahm selbst Kurierdienste und betreute Bibelforschergruppen in Innsbruck, Klagenfurt und anderen Landesteilen. Anfänglich übernahm Kraft in Vorarlberg auch eingeschmuggelte Wachtturm-Ausgaben aus der Schweiz und verteilte diese dann weiter.
In Wien organisierte Kraft die Vervielfältigung von Literatur und war selbst daran beteiligt, wie im Verhörprotokoll von Ernst Bojanowski deutlich wird: „Am 1. Juni 1938 wurden in Wien WT-Abschriften hergestellt. Vorher wurden Originale verbreitet. Die Herstellung hat noch Kraft organisiert. Zur Zeit Krafts schrieb die Wachsmatrizen Kraft selber, während Resi Schreiber (in Wien in Haft) die Abzüge herstellte.“[2]
Bis 1939 waren der Abzugsapparat und die Schreibmaschine im 19. Bezirk in einem getarnten Versteck vergraben. Am 25. Mai 1939 wurde August Kraft in seiner Wohnung von der Gestapo verhaftet. Am 14. Juli 1939 erfolgte die Einweisung ins KZ Dachau durch einen Schutzhaftbefehl. Er wurde zur Nummer 34625.
Nach sechs Monaten wurde Kraft gemeinsam mit 144 anderen Zeugen Jehovas mit dem großen Häftlingstransport im September 1939 nach Mauthausen überstellt. Am 29. September 1939 wurde er in Mauthausen eingeliefert. Sein Glaubensbruder und Mithäftling Alois Moser erinnert sich:
„Eines Tages weist August Kraft den KZ Kommandanten darauf hin, dass er Blutflecken auf der Weste trägt. Er bekam vom Kommandanten Einzelhaft. Am folgenden Morgen mussten Josef Buchner und ich die nackten Leichen auf einen Schlitten aufstapeln. Die Elenden hatten alle ein mit ihrem Namen verzeichnetes Schild, das an der großen Zehe angebunden war. Unter dem Leichenhaufen war auch August Kraft.“[3]
Auch Josef Buchner berichtet über ihn: „Bruder Kraft, der uns während der Verbotszeit immer die Wachttürme brachte, starb in dieser grauenhaften Stätte. Ich konnte einige Stunden vor seinem Tod noch mit ihm sprechen, mir kullerten die Tränen nur so herunter und ich sagte ihm, dass er ja nun bald beim himmlischen Vater und seinem Sohn sein werde. Er sagte mir mit schwacher Stimme und lächelte dabei, dass er sich freue, dass er sterben kann. Am anderen Tag war auch sein Körper bei denen, die wir auf dem Schlitten auf einen Haufen zusammenfuhren.“[4]
August Kraft verstarb im Konzentrationslager Mauthausen am 1. Februar 1940.
Heidi Gsell
Heidi Gsell, geb. 1969 in Weiz, wohnhaft in Lieboch, Lehrerin an einer Neuen Mittelschule; ehrenamtliche Tätigkeit im Verein „Lila Winkel. Vereinigung zur Rehabilitierung und Unterstützung von Opfern der NS-Zeit“ (www.lilawinkel.at); von 1997 bis 2002 Aufbau und Leitung des Geschichtsarchivs der Zeugen Jehovas in Wien; Publikationen zum Thema Zeugen Jehovas während des Nationalsozialismus.
Quellen:
Archiv Verein Lila Winkel.
Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen.
Wachtturm Bibel und Traktatgesellschaft (Hg.): Jahrbuch der Zeugen Jehovas 1989, S. 100ff.
Wolfgang Neugebauer: „Ernste Bibelforscher“ (Internationale Bibelforscher-Vereinigung). In: Dokumentationsarchiv des östereichischen Widerstandes (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Wien 1934–1945. Eine Dokumentation (Wien 1984).
[1] Wolfgang Neugebauer: „Ernste Bibelforscher“ (Internationale Bibelforscher-Vereinigung). In: Dokumentationsarchiv des östereichischen Widerstandes (Hg.): Widerstand und Verfolgung in Wien 1934–1945. Eine Dokumentation (Wien 1984). S. 166.
[2] Ebd., S. 164.
[3] Erinnerungsbericht Alois Moser.
[4] Erinnerungsbericht Josef Buchner.