Emil Brunclík 1889 - 1942 Bearbeiten
Geboren 11.1.1889 in Praha
Gestorben 24.10.1942 in Mauthausen
Biografie
Die Geschichte der Familie Brunclík
Emil Brunclík stammte aus Prag. Er wurde hier am 11. Jänner 1889 als Sohn von František und Anna Brunclík geboren. Sein Vater František Brunclík war Schreiner und starb am 15. Oktober 1926 an Darmkrebs. Emil Brunclík hatte noch einen acht Jahre älteren Bruder, Josef, der am 28. Jänner 1881 geboren wurde. Die ganze Familie war römisch-katholisch. Als Erwachsener hatte Emil eine mittelgroße Figur, braune Haare, blaue Augen, ein rundes Kinn und eine Stupsnase. Wegen einer Körperbehinderung absolvierte er keinen aktiven Wehrdienst und war somit ab 12. Juni 1916 vom Heimatschutzdienst befreit. Am 16. Juli 1921 heiratete er in Písek Marie Gregorová, die hier am 24. Juli 1898 in der Budweiser Vorstadt als Tochter von Josef und Marie Gregor geboren worden war. Ihr Vater Josef übte in Písek das Amt eines Wirtschaftsverwalters aus. Im Unterschied zu ihrem Ehemann hatte Marie ein rundes Gesicht und braune Augen. Die Eheleute begannen ihr gemeinsames Eheleben in einer Wohnung in der Straße Karlová třída Nr. 570, die zu dieser Zeit zum Stadtteil Žižkov gehörte. Sie bewohnten die Wohnung vier Jahre lang, auch zusammen mit den Eltern von Emil. Erst im Jahr 1925, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, zogen sie hier aus und in die Straße Lucemburská ulice Nr. 1578/25 um. Hier handelte es sich um eine Wohnung im fünften Stock mit einem einzigen Zimmer und einer Küche. In dieser Wohnung wohnten die Eheleute auch während der gesamten Okkupationszeit.
Emil Brunclík arbeitete als Büroangestellter bei der Firma Keramika s.r.o. mit Sitz in der Dlážděná ulice in Prag 2. Diese Firma verkaufte Fliesen, Kacheln, Steingut und Steine. Als Angestellter der genannten Firma reiste er in „alle europäischen Staaten, in die Reisen erlaubt waren“ und vertrat dort die Firma bei Geschäftsverhandlungen. Insbesondere handelte es sich dabei um Frankreich, die Schweiz, Italien, Österreich und Deutschland. Bei dieser Firma arbeitete er bis zu seiner Verhaftung im Jahr 1942. Marie Brunclíková kümmerte sich um den Haushalt. Sie war jedoch hochintelligent und konnte ausgezeichnet Englisch.
Auf manche Reisen nahm Brunclík auch seine Ehefrau mit. Gemeinsam verbrachten die Eheleute im Jahr 1935 einen Urlaub in Algier, Frankreich, Spanien und Marokko.
Wahrscheinlich ab Kriegsbeginn beschäftigte sich Marie Brunclíková mit der Verbreitung illegaler Presseerzeugnisse. Es handelte sich dabei um die Zeitschriften „V boj“ und „Rudé právo“. Die Presseerzeugnisse bekam sie von ihrer früheren Nachbarin Žofie Turková, die Ende der 1920er, Anfang der 1930er-Jahre mit den Brunclíks auf der gleichen Etage gewohnt hatte und nach der Okkupation im kommunistischen Widerstand arbeitete. Frau Turková war Schneiderin und ihr Ehemann Bohuslav betrieb einen Friseursalon. Im Jahr 1929 wurde ihr Sohn Jan geboren und da die Brunclíks kinderlos blieben, kümmerte sich Marie oft um den kleinen Jan und dieser nannte sie Tante. Im Jahr 1932 zogen die Tureks jedoch aus dem Haus aus und übersiedelten in die Gegend von Nymburk. Ein Jahr später zerbrach die Ehe der Tureks und Frau Turková kehrte nach Prag in die Žerotínová ulice zurück und knüpfte kurz darauf den Kontakt zu Frau Brunclíková wieder an. Zu dieser Zeit war Jan schon ein fast zehnjähriger Junge, der Körbe mit geflickter Wäsche in das Haus, in dem die Brunclíks wohnten, in das Obergeschoß zu Frau A. Nekvasilová brachte. Im Korb befand sich jedoch nicht nur Wäsche, sondern auch illegale Presseerzeugnisse. Die Eheleute Brunclík schickten materielle und finanzielle Hilfe für in der Illegalität lebende Menschen an Frau Turková zurück. Gemäß einer nach dem Krieg getätigten Zeugenaussage von Frau Doktor Anna Kavinová, die ihre behandelnde Ärztin war, organisierte Frau Marie Brunclíková auch Räume für illegale Radiosendungen. Die Hauptprüfung erwartete die Eheleute Brunclík jedoch erst noch. Man begann das Jahr 1942 zu schreiben. Damals verschlechterte sich die Gesundheit von Emils Mutter Anna sehr. Wie sie selbst in ihrem Antrag auf eine Bescheinigung gemäß § 8 des Gesetzes Nr. 255/1946 Slg. schrieb: „kümmerte er sich voll und ganz um mich als seine Mutter, er war kinderlos und ich wohnte allein bei ihm und er war selbst sehr hilfreich.“ Nichtsdestoweniger brachte dieses Jahr noch ein Ereignis mit sich, das zum Schicksal der Brunclíks beitrug.
Im Jahr 1940 geriet Major Ronald Bolton Littledale auf dem europäischen Kontinent in Gefangenschaft. Major Ronald Littledale hatte in der britischen Kolonialarmee in Bombay gedient und war nach Ausbruch des Krieges gegen Deutschland Mitglied des britischen Expeditionskorps in Frankreich geworden. Bei den Rückzugsgefechten in der Nähe der Stadt Calais geriet er in Gefangenschaft. Von Frankreich aus wurde er dann in ein Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet des sog. Generalgouvernements transportiert. Es gelang ihm, zusammen mit einem weiteren Kriegsgefangenen aus dem Lager zu fliehen. Mit Hilfe einer polnischen Frau gelangten sie nach Rumänien. Sie hatten das Ziel, die bulgarische Grenze zu überschreiten und weiter in die Türkei zu gelangen. An der Grenze kam es jedoch zu einem Ereignis, mit dem die entflohenen Kriegsgefangenen nicht gerechnet hatten. Ihre Begleiterin verriet sie und lieferte sie an die bulgarische Finanzpolizei aus. Diese übergab sie an die deutschen Sicherheitsbehörden. Die erste Vernehmung der beiden Engländer erfolgte durch Gestapo-Beamte in Bukarest. Diese boten den Offizieren an, dass sie, wenn sie ihre Unterstützer verraten würden, die sie auf dem Weg von Polen bis Rumänien unterstützt hatten, freigelassen würden. Der Mitgefangene von Littledale ging auf das Angebot ein und verriet die Namen von Menschen, bei denen sie sich während der Flucht versteckt hatten. Freigelassen wurde er jedoch nicht. Stattdessen wurden beide zurück in das Kriegsgefangenenlager begleitet. Bei Roudnice nad Labem gelang es ihnen, aus dem Zug, mit dem sie fuhren, zu fliehen. Sein Mitgefangener wurde kurz danach festgenommen. Littledale hatte mehr Glück. Er schaffte es bis nach Roudnice und wurde über den evangelischen Pfarrer F. Dobiáš aus Krabčice zum Pfarrer der evangelischen Jugendgemeinde Jan Miřejovský geschickt. Dieser brachte ihn Anfang des Jahres 1942 in die Obhut des YMCY-Mitglieds Zdeňka Paková, die ihn wiederum den Eheleuten Bergauer (Vladimír Bergauer und Markéta Bergauerová) anvertraute, die damals in der Straße Italská ulice in Vinohrady wohnten.
Nach und nach beteiligten sich immer mehr Leute am Verstecken des britischen Offiziers. Meist waren es Alleinstehende oder kinderlose Familien. Außer Zdeňka Paková und ihrer Schwester Jiřina handelte es sich dabei um Anna Kavinová-Schustlerová und Gertruda Šašková. Die Reihe der Menschen, die ihm ein Versteck gewährten, erweiterte sich letztendlich auch um die Eheleute Brunclík. Dorthin wurde Major Littledale von Dr. Kavinová gebracht, die eine Praxis in der Slezská ulice 36 in Vinohrady hatte. Nach dem Krieg erinnerte sie sich wie folgt an Frau Brunclíková: „Eine meiner Patientinnen, Marie Brunclíková, eine unvergessliche, intelligente und entschlossene Frau, verteilte die fotokopierte Zeitschrift „V boj“ (Im Kampf) … Sie brachte mir diese am Körper in die Praxis und holte sie später wieder ab …“ In ihren Nachkriegserinnerungen führte sie auch an, wie es dazu kam, dass Major Littledale zu den Brunclíks gelangte. „Eines Tages kam Frau Dr. Gerta Šašková mit der Bitte zu mir in die Praxis in Vinohrady, ob ich nicht einen englischen Gefangenen irgendwo anders unterbringen könnte … Mir fiel Frau Brunclíková ein. Ich schaute aus dem Sprechzimmer in das Wartezimmer hinaus, ob Frau Brunclíková nicht zufällig dort war. Sie war tatsächlich dort. Ich rief sie hinein, stellte sie gegenseitig vor und führte sie in die benachbarte Küche, damit sie die Dinge dort besprachen. Ich setzte meine Sprechstunde fort.“ Nach der genannten Vereinbarung brachte Zdenka Paková den Major zu Dr. Kavinová. Diese begleitete ihn zur Wohnung des Ehepaars Brunclík. Major Littledale versteckte sich bis zum 30. Jänner 1942, für ungefähr drei Wochen, bei den Brunclíks. Die Eheleute entschieden sich, die Mutter für diesen Zeitraum mit ihrer Zustimmung im katholischen Haus in Praha-Vršovice unterzubringen. Littledale muss es bei den Brunclíks gefallen haben, da Frau Brunclíková perfekt Englisch sprach und sich daher gut mit ihm unterhalten konnte. Zusammen mit Frau Šašková ging sie mit ihm durch Prag und zeigte ihm Sehenswürdigkeiten der tschechischen Geschichte.
Mit Hilfe seiner Freunde in Österreich bereitete Vladimír Bergauer die Flucht von Major Littledale über Österreich in die Schweiz vor, welche jedoch nicht gelang. Major Littledale entschied sich, von der österreichisch-schweizerischen Grenze wieder in das Protektorat zurückzukehren. Wahrscheinlich wegen der verschärften Bewachung der Protektoratsgrenze nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor R. Heydrich wurde Major Littledale beim Überschreiten der Grenze verhaftet. Nach seiner Verhaftung ermittelte die Gestapo alle Verstecke von Littledale. Zuerst wurde am 12. Juni Gertruda Šašková verhaftet, dann am 26. Juni Zdeňka Paková und schließlich am gleichen Tag, dem 30. Juni, die Eheleute Bergauer und Brunclík. Marie Brunclíková wurde um 11 Uhr vormittags in ihrer Wohnung verhaftet. Diese Verhaftung wurde vom Hausmeister bemerkt, welcher Emil Brunclík, der sich in seinem Büro in der Dlážděná ulice befand, warnte. Emil Brunclík gab jedoch nichts auf die Warnung. Die Gestapo verhaftete ihn daher um 16 Uhr. An diesem Tag erschien in der Lucemburská ulice auch Jan Turek mit einem Korb voll Wäsche, in dem sich auch illegale Presseerzeugnisse befanden. Wie er es gewohnt war, besuchte er zuerst Frau Nekvasilová. Er wollte dann auch Frau Brunclíková besuchen und die Presseerzeugnisse abgeben. Zum Glück sagte ihm Frau Nekvasilová, er solle nicht zu den Brunclíks gehen, Frau Brunclíková wäre verhaftet worden. Durch diesen Zufall geriet die Familie Turek nicht in die Fänge der Gestapo und Frau Brunclíková verriet die Verbindung zu Frau Turková nicht. Sie war jedoch nicht die Einzige, die von den Eheleuten Brunclík durch ihr Schweigen gerettet wurde. In die gesamte Angelegenheit des Versteckens des britischen Offiziers waren auch Antonín Werfl, der Hausverwalter, J. Trhlík, der Direktor der Wohnungsgenossenschaft, in der die Brunclíks wohnten, Amálie Aplová, eine vertraute Freundin der Eheleute Brunclík, die Putzfrau Františka Vokurková und Frau A. Nekvasilová selbst eingeweiht. Bei einer Gegenüberstellung bei der Gestapo rettete Frau Brunclíková auch Dr. Kavinová, als sie abstritt, dass diese den zu versteckenden Major Littledale in ihre Wohnung gebracht hatte.
Die Deutschen sahen in dem verhafteten Major die angebliche englische Spur bei der Ausführung des Attentats auf den stellvertretenden Reichsprotektor R. Heydrich. Daher wurde die gesamte Gruppe seiner Unterstützer in einen Transport von 262 tschechoslowakischen Bürgern eingegliedert, der von der Kleinen Festung Terezín über Bohušovice nad Ohří in die oberösterreichische Stadt Mauthausen, in der sich das gleichnamige Konzentrationslager befand, aufbrach. Hier wurden am 24. Oktober die Brunclíks in der Erschießungsecke durch einen Schuss in den Hinterkopf ermordet. Marie Brunclíková um 9.18 Uhr, ihr Ehemann Emil um 14.00 Uhr.
Und was war das weitere Schicksal von Major Ronald Bolton Littledale? Oberstleutnant Ronald Bolton Littledale fiel am 1. September 1944 im Kampf, während er sein Regiment führte, nachdem es ihm im Herbst 1942 noch einmal gelungen war, aus einem Gefängnis in Colditz zu fliehen und erfolgreich in die Schweiz und weiter nach Großbritannien zu gelangen.
Vlastislav Janík, Historiker