Ettore Marco Leale 1916 - 1945

Geboren 11.2.1916 in Genova Nervi
Gestorben 5.4.1945 in Melk

Biografie

Häftlingsnummer: 110297

Ettore Marco, Marco genannt, war der Sohn von Enrico und Nadiezda Vasilevna Türina. Er absolvierte den naturwissenschaftlichen Zweig des Gymnasiums und promovierte am 17. November 1939 an der Universität Genua in Politikwissenschaften.

Er war Leutnant beim Militär; 1941 heiratete er Vittoria Bianchi, die ihm den 1943 geborenen Sohn Carlenrico schenkt. Er nahm am Albanien-Feldzug teil und wurde krankheitsbedingt im Frühjahr 1944 aus dem Militärdienst entlassen. Trotz seiner Entlassung galt er als Militärdienstverweigerer und wurde auf der Grundlage der Verordnung von Maresciallo Graziani am 25. August 1944 von den Schwarzen Brigaden während einer der Razzien verhaftet, die im August 1944 die Täler des Unteren Piemonts in Angst und Schrecken versetzt hatten. Man brachte ihn zuerst nach Genua, wo er in den Zellen des Polizeipräsidiums festgehalten wurde; danach kam er in das Marassi-Gefängnis. Er wurde jeden Tag vom Gefängnis in Marassi in das Studentenwohnheim gebracht, wo man ihn verhörte. Im September kam er im Polizeilichen Durchganglager Gries (Bozen) [Block C, Häftlingsnummer 4843] an. Von dort wurde er nach Mauthausen deportiert, mit dem Transport, der am 21. November 1944 sein Ziel erreicht hatte. Nach der „Quarantäne” verlegte man ihn am 5. Dezember 1944 nach Melk an der Donau („Quarz“), wo er am 5. April 1945 verstarb, wenige Tage vor der Evakuierung des Kommandos mit dem „Todesmarsch“ in Richtung des Konzentrationslagers Ebensee.

Zeugenbericht von Carlo Eremita, Häftlingsnummer 110255 (1922 Limatola, BN):

„Ich erinnere mich an Ettore Marco Leale, weil ich mit ihm im selben Arbeitstrupp im Kommando in Melk an der Donau gearbeitet habe.

In der letzten Zeit machten wir Erdaushubarbeiten in den Quarzstollen. Die anderen Deportierten, vor allem die Russen und Ukrainer, machten mechanische Arbeiten an der Drehbank in den Werkstätten, die sich in den Stollen befanden.

Leale wurde zu Beginn unserer Arbeitsschicht von einem SS-Soldaten fast zeitgleich mit zwei weiteren Deportierten jüdischer Religion im Stollen ermordet.

Der Kapo unseres Trupps trug ein grünes Dreieck, er kam aus Genua wie ich und Leale; er hieß Otto HINKELMANN (geboren am 11.01.1918) und kam mit uns im gleichen „Transport“ nach Mauthausen und dann nach Melk.

Unser Transport fuhr am 18. November 1944 von Bozen Gries ab und kam am 21.11.1944 am Nachmittag in Mauthausen an. Dort blieben wir dann bis zum 5. Dezember 1944 in Baracke 18 in „Quarantäne“.

In Mauthausen wurden wir eingetragen und registriert, ich bekam die Nummer 110255 und Leale die Nummer 1102974. In jenen Tagen haben wir gar keine Arbeit gemacht, tagsüber blieben wir im Lager und hatten nichts zu tun. Am Morgen brachten sie uns zum Bad, wo wir den Kopf einige Minuten lang unter einen eiskalten Wasserstrahl halten müssen, mit den Händen hinter dem Rücken. Das Essen war für das Lager typisch: ein ¾ Liter dünne Suppe und eine dünne Scheibe hartes Schwarzbrot. Leale war mit mir in Baracke 18 und schlief im Stockbett neben meinem. Am 5. Dezember 1944 wurden Leale, ich und viele andere Italiener ins Kommando Melk verlegt.

Die Baracken in dem Kommando waren nicht nummeriert, weswegen ich keine genauen Angaben machen kann. Ich kann aber sagen, dass Gazzano und Leale mit mir in derselben Baracke waren, die wir uns mit russischen und jugoslawischen Deportierten teilten. Ein gewisser Russe, an dessen Namen ich mich nicht erinnere, war ein SS-Spitzel und verriet ihnen, was wir sagten und machten. Bei der Befreiung wurde dieser Spitzel von seinen eigenen Landsmännern im Kommando Ebensee gehängt. Nach Ebensee kamen wir Mitte April 1945, als die Sowjets schon in Wien waren, von Melk in einem langen Evakuierungsmarsch (sg. „Todesmarsch“ wegen der vielen Todesfälle, die es gab). Während unserer ersten Zeit in Melk bestand unsere Arbeit (von mir und Leale) im Abladen von Kohle am Gelände einer großen Fabrik, und im März ´45 begann unser Trupp im Stollen zu arbeiten. Der Ort war ungefähr 12/15 km weit weg vom Lager. Wir sind noch im Dunkeln von unserer Baracke weggegangen und als wir zurückkamen, war es schon Nacht. Deshalb hatten wir Laternen. Wir gingen den ganzen Weg zu Fuß, die SS eskortierte und bewachte uns. Viele unserer Kameraden waren so geschwächt, dass sie am Weg zusammenbrachen. Man hat sie wie Hunde auf der Straße getötet. Und wir mussten sie trotzdem zurück ins Lager bringen, wegen des Appells. Im Stollen arbeiteten mit uns Gruppen von italienischen „Freien Arbeitern“. Die erhielten Pakete und hatten daher sehr wertvolle persönliche Habseligkeiten wie Pullover und andere Sachen. Manchmal gaben uns diese „Arbeiter“ Pullover. An einem Abend als wir nach der Arbeit ins Lager zurückkamen, haben die SS bemerkt, dass unser Trupp „nicht genehmigte“ Kleidungsstücke trug, und so wurden ich, Leale und andere mit 25 Peitschenhieben auf den Rücken bestraft. Ich wurde ohnmächtig und meine Kameraden mussten mich in die Baracke tragen. Leale starb an einem der ersten Apriltage ´45 (Anm. d. Red.: am 05.04.1945), gleich nachdem wir in den Stollen gegangen waren, um mit unserer Arbeit zu beginnen. Und so spielte sich das ab: Ein SS-Soldat schlug Leale ins Gesicht, sodass ihm die Brille runterfiel. Leale wollte sie aufheben, aber der Wachposten forderte ihn auf, sofort weiterzuarbeiten, ohne noch mehr Zeit zu verlieren. Leale wagte es, etwas auf Deutsch zu erwidern und unser Peiniger schlug fürchterlich mit dem Gewehrkolben auf ihn ein, bis er blutend und röchelnd zu Boden ging.

Unser Kapo (Hinkelmann) ließ uns fortbringen, damit wir woanders arbeiteten. Von da an habe ich meinen Kameraden, mit dem ich im Unglück vereint war, nicht mehr gesehen.“

Angaben des Sohns Carlenrico Leale, gesammelt von Primarosa Pia

 

Position im Raum