François Roulaud 1894 - 1944
Geboren 24.7.1894 in Pressignac
Gestorben 31.7.1944 in Hartheim
Biografie
Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau Marie (geb. Mesnard) ging François Roulaud am 10. November 1934 in Douzat (Departement Charente) eine zweite Ehe mit Marie Delmas ein. Er gehörte der „classe 1914“ an – diese Bezeichnung umfasst alle 1894 geborenen Männer, von denen infolge des Ersten Weltkrieges 52 % das 25. Lebensjahr nicht erreichten – und wurde 1920 wegen Tuberkulose als „untauglich“ aus dem Militärdienst entlassen. Ab 16. Juli 1921 arbeitete er als Hilfsbriefträger im Post- und Telegrafenamt. François Roulaud wohnte in Neuillac, einer Gemeinde von Asnières-sur-Nouère (Departement Charente).
In den Zwanzigerjahren gehörte er der Liga für Menschenrechte des Kantons Hiersac (Departement Charente) an; 1928 verließ er diese Organisation. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde er der verbotenen extremistischen Propaganda verdächtigt und den Behörden dementsprechend gemeldet. Am 4. September 1941 wurde sein Wohnsitz erstmals durchsucht. Diese Hausdurchsuchung erwies sich als erfolglos, obwohl er zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich bereits einer Widerstandsgruppe der Front National (Nationale Front der Unabhängigkeit Frankreichs) angehörte. Am 13. Jänner 1943 wurde er auf Befehl der deutschen Behörden an seinem Wohnsitz verhaftet, weil er der verbotenen kommunistischen Partei des Departements Charente Mitgliedsbeiträge zukommen hat lassen. Damals verhafteten die deutschen Behörden zahlreiche Männer, die im Verdacht standen, politische Gegner zu sein bzw. als solche bekannt waren, um die Zielsetzungen der Operation „Meerschaum“ zu erreichen: 35.000 Männer sollten deportiert werden, um in den Konzentrationslagern für die Kriegsindustrie zu arbeiten. Am 14. Dezember des Vorjahres hatte Himmler einen Erlass veröffentlicht, um die an die Front eingezogenen Deutschen zu ersetzen und die Kriegsleistungen des Reiches durch die Steigerung der Waffenproduktion zu unterstützen. Dieser Beschluss wurde am 17. Dezember 1942 vom Gestapo-Chef Müller an die regionalen Dienststellen der Gestapo weitergeleitet. Aufgrund dieses Erlasses wurde die Operation „Meerschaum“ eingeleitet, die zunächst für den 30. Jänner 1943 geplant war, schließlich aber auf Juni 1943 verschoben wurde. Mehrere Mitglieder seiner Gruppe, darunter Herr Bernard und Herr Gallois, wurden am 5. Mai 1943 in La Braconne von den Deutschen erschossen.
Nach seiner Verhaftung wurde François Roulaud im Gefängnis von Angoulême (Departement Charente) eingesperrt und etwa ein Monat später ins Frontstammlager 122 von Compiègne Royallieu überstellt, wo ihm die Häftlingsnummer 10215 zugewiesen wurde. Dort erhielt er am 11. März die Erlaubnis, seiner Frau zu schreiben.
Am 20. April 1943 verließ er das Lager des Departements Oise mit dem zweiten Großkonvoi in Richtung des österreichischen Konzentrationslagers Mauthausen; insgesamt wurden an diesem Tag 1.000 Männer im Rahmen der Operation „Meerschaum“ deportiert. Am 22. April 1943 erreichte François Roulaud die Granitfestung und wurde unter der Nummer 28503 registriert. Nach einem Aufenthalt im Quarantäneblock und mehreren Monaten im Zentrallager wurde er am 8. August 1943 als Hilfsarbeiter ins Außenlager Wiener Neustadt überstellt, wo die Häftlinge für die Raketen-Produktion im Auftrag der Rax-Werke arbeiteten. Nach neuerlichen Bombenangriffen des Lagers wurde er am 28. Oktober nach Redl-Zipf (Codename: Schlier) evakuiert. Am 8. November wurde er ins Zentrallager zurückgebracht und im Revier aufgenommen. Anfang 1944 schrieb er seiner Familie eine letzte Karte aus dem Sanitätslager von Mauthausen.
Gemäß den Angaben der Lagerarchive wurde François Roulaud vom Sanitätslager Mauthausen ins Erholungslager gebracht, wo er am 31. Juli 1944 starb. Er wurde infolge einer Selektion im Revier des Hauptlagers nach Schloss Hartheim überstellt, wo er vergast wurde. Da die Sterbedaten der in Hartheim ermordeten Häftlinge systematisch vordatiert wurden, starb er wahrscheinlich mehrere Tage bzw. Monate nach dem offiziellen Datum seines Ablebens.
Am 18. November 1963 erhielt François Roulaud die Auszeichnung Mort pour la France (Für Frankreich gestorben) und den Titel Déporté politique (Politischer Deportierter).
Adeline Lee
Quellen:
SHD (Service Historique de la Défense - Zentrales Archiv des französischen Verteidigungsministeriums und der französischen Armee), Akte MED, 21 P 533423 MA 27/2, 27/5, 55.
Literatur:
Choumoff Pierre Serge, Les assassinats par gaz à Mauthausen et Gusen, camps de concentration nazis en territoire autrichien (Massentötungen in den Gaskammern von Mauthausen und Gusen, nationalsozialistische Konzentrationslager auf österreichischem Gebiet), Auszug aus der Revue Le Monde juif (Die jüdische Welt) Nr. 123-124 des Zeitgenössischen Jüdischen Dokumentationszentrums CDJC (1986), Paris, 1987, 63 Seiten.
Choumoff Pierre Serge, Les assassinats nationaux-socialistes par gaz en territoire autrichien, 1940-1945 (Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas auf österreichischem Gebiet, 1940-1945), Wien/Paris, Mauthausen-Studien/Pierre Serge Choumoff, Band 1b, 2000, 158 Seiten.
Winkler Jean-Marie, Gazage de concentrationnaires au château de Hartheim (Vergasung der KZ-Häftlinge im Schloss Hartheim). L’action « 14f13 » 1941-1945 en Autriche rattachée (Die Aktion „14f13“ 1941-1946 in Österreich nach dem Anschluss). Nouvelles recherches sur la comptabilité de la mort (Neue Nachforschungen über die Buchhaltung des Todes), Vorwort von Yves Ternon, Paris, Tirésias, Samml. „Ces oubliés de l’Histoire“ (Die Vergessenen der Geschichte), 2010, 383 Seiten.
Position im Raum

