Георгий Дмитриевич Зобнин / Georgij Dmitriewitsch Sobnin
Geboren 7.11.1917 in Noschul
Gestorben 1945 in Mauthausen
Biografie
In der Nacht vom 7. auf den 8. April 1944 kehrte das Flugzeug PS-84 des 101. Fernkampffliegerregimentes von einem Kampfeinsatz nicht zurück – es wurde von einem deutschen Jagdflugzeug in der Gegend von Rakvere in Brand gesteckt. Da Rakvere damals von der Deutschen Wehrmacht besetzt war, ist es wenig verwunderlich, dass Georgij Dmitriewitsch Sobnin, nachdem er mit einem Fallschirm vom brennenden Flugzeug abgesprungen war, sofort und bereits am 8. April in Gefangenschaft geriet. Eigentlich ist es unter Militärforschern üblich, das Schicksal der ganzen Besatzung zu betrachten, aber dieses Schicksal zu verfolgen, erlaubt uns die Länge dieses Artikels nicht. Wir sagen nur, dass einige Besatzungsmitglieder am Leben blieben. Zum Beispiel geriet der Kommandeur des Flugzeugs, Unterleutnant Alexej Jakowlewitsch Sacharenko, verwundet in Gefangenschaft und wurde ins Lazarett für Kriegsgefangene nach Riga überstellt, wo er sich bis zum 20. August 1944 aufhielt. Im August gelang es ihm, aus dem Lazarett zu flüchten und zu eigenen Truppen durchzubrechen.
Einige Zeit nach der Flucht von Sacharenko, aber 1.000 Kilometer von ihm entfernt, floh auch Sobnin aus der tschechischen Stadt Rynovice, und nicht alleine, sondern mit elf weiteren sowjetischen Kriegsgefangenen. Doch sie hatten weniger Glück dabei. Genauer gesagt, einige hatten gar kein Glück. Aber dazu später.
Georgij Dmitriewitsch Sobnin wurde am 7. November 1917 im Dorf Noschul im heutigen Prilusskij Bezirk der Republik Komi in einer Bauernfamilie der Syrjanen geboren. In der Roten Armee war er seit 1939. Zum Zeitpunkt der Gefangennahme diente Sobnin im 101. Fernkampffliegerregiment als Steuermann im Range eines Oberleutnants. Dieses Regiment wurde im Frühling 1942 auf dem Flugplatz Tschkalowskij nahe Moskau aufgestellt und begann schon bald seine Kampfeinsätze – die Bombardierung von Eisenbahnknoten und größeren Ansammlungen des Gegners, das Absetzen von Fallschirmspringern und die Zustellung von Ladungen an Partisanen. An solchen Einsätzen nahm auch Sobnin teil und führte sie so meisterhaft aus, dass er mit drei Orden ausgezeichnet wurde: mit den Orden des Roten Sterns (am 1. Mai 1943), des Vaterländischen Krieges Zweiter Klasse (am 23. August 1943) und mit dem Orden des Roten Banners (am 29. Februar 1944). Bis zur Gefangennahme nahm er an 170 Kampfeinsätzen teil, vorwiegend nachts.
Nach der Gefangennahme befand sich Sobnin einige Zeit bei der Auswertestelle Ost (AWSt./Ost), wo er zweifellos mehrmals verhört wurde, und am 1. Mai 1944 wurde er in ein Lager für gefangene Piloten nahe der polnischen Stadt Łódź überstellt, wo er die Lagernummer 3753 erhielt. Zusammen mit ihm kam von der AWSt./Ost auch Oberleutnant Fedor Alexeewitsch Spizyn aus dem 102. Fernkampffliegerregiment, der ebenfalls bei Rakvere am 12. April 1944 in Gefangenschaft geraten war. Ob die beiden schon früher miteinander bekannt gewesen waren, ist ungewiss, aber in Gefangenschaft waren sie unzertrennlich. Am 14. Juli 1944 wurden sie und andere Kriegsgefangene ins Stammlager (Stalag) IV B überstellt, am 5. August 1944 kamen sie ins Stalag IV C ins Arbeitskommando Reinowitz. Am 5. September 1944 erschien in der Sonderausgabe zum Deutschen Kriminalpolizeiblatt Nr. 4974a die Anzeige der Kriminalpolizeistelle Reichenberg über die Flucht von zwölf sowjetischen Offizieren aus dem Lager Reinowitz in der Nacht zum 3. September. Aus den weiteren Kriminalpolizeiblättern ist ersichtlich, dass alle Flüchtlinge wiederergriffen wurden. Spizyn wurde als erster gefasst – noch in derselben Nacht in einem Wald nahe des Lagers. Sobnin atmete die Luft der Freiheit ganze zwei Wochen ein, legte zu Fuß 130 Kilometer zurück und wurde am 17. September zusammen mit Jurij Michajlowitsch Rysakow und Wasilij Kusmitsch Rogatschew, beide Regimentsgenossen von Spizyn, im kleinen Dorf Hejtmánkovice wiederergriffen.
Zu jenem Zeitpunkt war die Vernichtung der straffälligen gefangenen Offiziere in vollem Gange, die als „Aktion K“ („Kugel“) bekannt ist – gemäß dieser Aktion mussten alle geflohenen und wiederergriffenen sowjetischen Offiziere ins KZ Mauthausen überstellt werden, um im Block 20 – im Todesblock – zu verschwinden. Diese „Aktion“ bleibt noch weitgehend unerforscht, doch gilt als sicher, dass nicht alle wiederergriffenen Offiziere nach Mauthausen kamen – ihre Spuren, bis hin zur Befreiung aus der Gefangenschaft in einigen Fällen, finden sich auch in anderen Konzentrationslagern. Sobnin kam jedoch mit Sicherheit in den Block 20. Auf einer Zugangsliste vom 9. Dezember 1944 finden sich die Namen von Sobnin, Spizyn, Rogatschew und Rusakow schwarz auf weiß. Ob sie nur irrtümlich registriert wurden oder ob sie noch vor ihrer Ernennung zu „Todeskandidaten“ angekommen waren, ist unbekannt – eines steht jedoch fest: ihre Namen wurden später im Zugangsbuch durchgestrichen. Von da an fehlt von ihnen jede Spur. Es ist wahrscheinlich, dass sie alle an dem Aufstand der Häftlinge aus dem Block 20, der in der Nacht zum 2. Februar 1945 stattfand, teilnahmen – natürlich nur, wenn sie zu diesem Zeipunkt noch am Leben waren. Aus hunderten Todeskandidaten überlebten nur wenige Offiziere die darauf folgende sogenannte „Mühlviertler Hasenjagd“. Sobnin und seine Kameraden waren nicht unter ihnen.
Tatiana Szekely
Tatiana Szekely lebt als freie Übersetzerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in historischen Forschungsprojekten in Ebenfurth.
Position im Raum

