Leonard Jeżewicz 1914 - 1945
Geboren 26.10.1914 in Zbrudzewo
Gestorben 3.4.1945 in Ebensee
Biografie
Selbst als Kleinkind im Konzentrationslager, besuchte im heurigen Sommer Jerzy Jeżewicz mit seiner Familie erstmals Ebensee, jenen Ort, an dem sein Vater Leonard Jeżewicz am 3. April 1945 im Konzentrationslager ermordet wurde.
Der Besuch der KZ-Gedenkstätte und des Gedenkstollens fiel der Familie sichtlich schwer und die Übergabe einer individuellen Gedenktafel für den Vater stellte ein großes Anliegen dar. Ab und zu erzählte Jerzy Jeżewicz dabei auch über sein Schicksal. Ein Kennenlernen, welches auch mir als Gedenkstättenmitarbeiterin in Erinnerung bleiben wird.
Leonard Jeżewicz wurde am 26. Oktober 1914 in Zbrudzewo (Polen) geboren. Von Beruf war er Eisenbahner und gemeinsam mit seiner Ehefrau Klara Jeżewicz, geb. Marchelek, einer Schneiderin, lebte er in Mosina in der Nähe von Posen. Zwei Söhne Edward und Jerzy kamen 1939 bzw. 1940 zur Welt.[1]
Mit dem Angriffskrieg auf Polen und der Okkupation erlebte der Ort Mosina und die Familie sofort die Realität des NS-Regimes, denn am 20. Oktober 1939 führte die deutsche Einsatzgruppe VI eine öffentliche Hinrichtung an 15 Vertretern der polnischen Intelligenz durch. Unter den Opfern waren Lehrer, Ärzte, Kaufleute und Handwerker aus Mosina und den umliegenden Dörfern.
In den darauffolgenden Jahren wurden im Raum Posen (Warthegau), Polen, aus ihren Häusern, Geschäften und Werkstätten vertrieben, um diese im Rahmen der „Lebensraumpolitik” deutschen Kolonisten zu überlassen.
Ob und wie Familie Jeżewicz gegen die deutschen Besatzer auftrat, ist nicht bekannt. Fest steht, dass in der Nacht vom 8. auf den 9. September 1943 das Ehepaar Jeżewicz und sechs weitere Familienmitglieder von der Gestapo Posen wegen „deutschfeindlicher Einstellung“[2] verhaftet wurden.
Die Söhne Eduard und Jerzy (vier und zwei Jahre alt) brachte man am 9. September 1943 in das „Polen-Jugendverwahrlager “ der Sicherheitspolizei in Litzmannstadt. Dieses Lager für polnische Kinder und Jugendliche wurde in einem eigenen abgegrenzten Bereich des Ghettos Łódź eingerichtet und bestand von Dezember 1942 bis Jänner 1945. Inhaftiert wurden Kinder einerseits wegen kleiner Delikte wie Nahrungsmitteldiebstählen, unerlaubten Besitzes von Lebensmittelkarten usw. und andererseits, wenn sie zu „Waisen“ wurden, weil sie ihre Eltern durch Hinrichtung, Verhaftung oder Verbannung zur Zwangsarbeit verloren hatten. Die Kinder mussten bereits Zwangsarbeit leisten und die Zustände im Lager unterschieden sich kaum von jenen in Konzentrationslagern für Erwachsene.[3]
Das Ehepaar Leonard und Klara Jeżewicz wurde nach einigen Wochen in Haft im November 1943 von der Gestapo Posen ins Konzentrationslager Auschwitz eingewiesen, wo Klara Jeżewicz am 25. März 1944 ermordet wurde.[4]
Leonard Jeżewicz überstellte man im Februar 1944 nach Mauthausen und anschließend Ebensee, wo er am 18. Februar 1944 in einem großen Transport von 400 Häftlingen eintraf. Die wenigen vorhandenen Dokumente und Listen belegen seinen Einsatz als „Hilfsarbeiter” und einen längeren Aufenthalt im Revier im Februar 1945.[5] Am 3. April 1945 findet man seinen Namen auf der täglichen Totenliste, die an das Hauptlager Mauthausen übermittelt wurde. Im vom Standortarzt in Mauthausen geführten Totenbuch wurde als Todesursache „Herz- und Kreislaufschwäche, Magen-Darmkatarrh“ notiert.[6]
Eduard und Jerzy Jeżewicz hatte man inzwischen am 1. August 1944 von der Jugendverwahranstalt in Łódź in das Lager Lebrechtsdorf-Potulitz gebracht, wo sich ebenfalls ein „Jugendverwahrlager“ für Kinder von sowjetischen und polnischen Partisanen befand.[7] In Potulitz wurden die inhaftierten Kinder ebenfalls zur Zwangsarbeit herangezogen. Am 21. Jänner 1945 wurde Eduard im Alter von fünfeinhalb und Jerzy im Alter von vier Jahren befreit.
Als Vollwaisen verloren die Brüder noch weitere Familienangehörige in Konzentrationslagern und sie benötigten einige Jahre, um sich physisch wie psychisch zu erholen. Jerzy Jeżewicz setzte sich jahrelang aktiv für die Gründung eines Museums über das Kinderkonzentrationslager in Łódź ein und ist als Zeitzeuge aktiv.
„Ich habe immer noch einige Bilder aus diesen schrecklichen Tagen vor meinen Augen. Viele Jahre lang wusste ich nicht, was Erinnerung und was Einbildung war, erst später, nach dem Kontakt mit anderen Überlebenden, begann sich alles zu fügen. Bis heute fällt es mir jedoch schwer, darüber zu sprechen“.[8]
Mag.a Nina Höllinger, Zeitgeschichte Museum und KZ- Gedenkstätte Ebensee
[1] Artikel über Jerzy Jeżewicz; https://bistummainz.de/gesellschaft/aktuell/nachrichten/nachricht/Jerzy-Jezewicz/? [Zugriff: 25.01.2023].
[2] Vermerk auf der Personalkarte von Sabina Jeżewicz; https://collections.arolsen-archives.org/de/search/topic/1-1-5-4_5450002-006-158?s=jezewicz [Zugriff: 25.01.2023].
[3] Museum der polnischen Kinder; https://muzeumdziecipolskich.pl/geschichte/fakten-uber-das-lager [Zugriff: 25.01.2023].
[4] Artikel über Jerzy Jeżewicz; https://bistummainz.de/gesellschaft/aktuell/nachrichten/nachricht/Jerzy-Jezewicz/? [Zugriff: 25.01.2023].
[5] Häftlingspersonalkarte von Leonard Jeżewicz; https://collections.arolsen-archives.org/de/search/topic/1-1-26-3_01012603-086-241?s=jezewicz [25.01.2023].
[6] Totenliste vom 03.04.1945, Kopie Archiv Zeitgeschichte Museum Ebensee und Totenbuch des KZ Mauthausen, https://www.fold3.com/publication/634/mauthausen-death-books [Zugriff: 25.01.2023].
[7] Überstellungsliste vom 02.08.1944; Polnisches Staatsarchiv; https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/78634767?s=jezewicz%20jerzy&t=7161&p=0 [Zugriff: 25.01.2023].
[8] Polnischer Onlineartikel von Bekrycht Hubert, B. więźniowie niemieckiego obozu dla dzieci w Łodzi: obyśmy tylko dożyli budowy muzeum, vom 12.09.2022; https://dzieje.pl/wiadomosci/b-wiezniowie-niemieckiego-obozu-dla-dzieci-w-lodzi-obysmy-tylko-dozyli-budowy-muzeum [Zugriff: 25.01.2023].
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