Kazimierz Koziol 1891 - 1940
Geboren 3.3.1891
Gestorben 8.11.1940 in Gusen
Biografie
Geboren am 3. März 1891 in Bajdy, in der Woiwodschaft Karpatenvorland in Südosten Polens. Gestorben am 8. November 1940 im Konzentrationslager Mauthausen in Österreich. Kazimierz und Stanislawa Bieszczad arbeiteten als Lehrer*innen im Dorf Bajdy. Sie hatten 1912 geheiratet und waren in der Gemeinde als Lehrer*innen hochgeachtet. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde der 23-jährige Kazimierz in die österreich-ungarische Armee eingezogen und an die Front geschickt. Kazimierz brachte es bis zum Oberst, konnte aber nach einer Verwundung nach Hause zurückkehren. 1918 starb seine Frau an der Spanischen Grippe. Mit 27 Jahren übersiedelte Kazimierz mit seinen zwei kleinen Söhnen nach Rogozno in Polen. In der Dorfchronik von Bajdy gibt es auch einen Absatz über Kazimierz: Kazimierz beklagte die Tatsache, dass minderjährige Kinder, deren Väter als Soldaten im Krieg kämpfen mussten, Not litten und auf den Feldern schwer arbeiten mussten, selbst wenn sie noch sehr klein und schwach waren. Schlimmer noch, diese Kinder schnappten von den im Dorf stationierten Soldaten Schimpfwörter und schlechtes Benehmen auf und begannen sich selbst so zu verhalten und auszudrücken. Er bedauerte auch, dass polnische Kriegsgefangene keine Briefe an ihre Angehörigen schreiben konnten, da sie Analphabeten waren. Diese Kriegsgefangenen mussten immer jemanden finden, der für sie schreiben konnte. Da verstanden sie dann auch, wie wichtig und notwendig Bildung für die Menschen war. Sie schämten sich, dass sie in der Vergangenheit den Lehrer*innen gegenüber so anmaßend und aggressiv gewesen waren und Bildung für sich und ihre Kinder als unnötig erachtet hatten. Es wurde immer damit argumentiert, die Kinder würden weder Professor noch Pfarrer werden, wozu sollten sie also Lesen und Schreiben lernen. Es machte Kazimierz auch traurig, dass die leidvollen Erfahrungen, die die Dorfbewohner als Analphabeten in der Kriegsgefangenschaft gemacht hatten, mehr Lernmotivation boten als die wohlmeinenden Lernangebote der Lehrer*innen es je gekonnt hatten. Er war der Schule in Bajdy eng verbunden und ging nur äußerst ungern von dort weg. Er sagte, er habe dort so lange gearbeitet, dass ein Teil seines Herzens für immer dort bleiben würde. In Rogozno unterrichtete Kazimierz an der Schule von Dolone Nadjeya, wo er auch seine zweite Frau, Zofia Morkowska, kennenlernte. Sie hörte seine patriotischen Reden und verliebte sich in ihn. Kazimierz bildete sich weiter und wurde bald Direktor einer Volksschule. Als an der Politechnischen Schule Zakladuksztalcenia Nauczycieli in Rogozno Lehrer*innen gesucht wurden, bewarben sich einige Hundert Akademiker*innen. Kazimierz erhielt bei den Aufnahmeprüfungen eine der höchsten Bewertungen und das Angebot, an der Schule zu unterrichten. Er unterrichtete an dieser Schule von 1921 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Kazimierz wurde von den Schüler*innen verehrt und zum Direktor dieser Lehrerbildungsanstalt befördert. Seine Fachgebiete waren Psychologie und Pädagogik. Zofia wurde Mutter zweier Töchter. Kazimierz liebte die Gartenarbeit und züchtete zahlreiche Kakteenarten. Er war begeisterter Jäger und Fischer und machte seine eigenen Angelköder. Kazimierz wollte ein Buch über Kindererziehung schreiben. Er vertrat die Ansicht, dass sich Kinder geliebt und geschätzt fühlen müssen. Er machte köstlichen Obstlikör und neigte dazu, in der Küche das Kommando zu übernehmen. Als Deutschland in Polen einmarschierte, waren seine Söhne Offiziere in der polnischen Armee und er wusste nicht, wo sie waren oder was aus ihnen wurde. In dem ganzen Chaos entschlossen sich Kazimierz, seine Frau und ihre zwei Teenager-Töchter von Rogozno nach Warschau zu reisen, um dort bei seiner Schwiegermutter zu leben. Diese Reise nach Warschau fand mit einem offen Pferdefuhrwerk statt. Bei ihrem überhasteten Aufbruch nahmen sie nur zwei Kissen und einige Decken mit. Die Felder zwischen Posen und Warschau waren übersät mit verwundeten, toten und sterbenden Menschen. Damit ihr Pferdewagen überhaupt durchkam, musste Kazimierz oft Leichen zur Seite räumen, und wenn er tote polnische Soldaten sah, hielt er stets an und sah nach, ob es seine Söhne waren. Kugeln flogen über ihre Köpfe hinweg. Ihre jüngere Tochter lag flach auf dem Wagen. Ihre damals 17-jährige ältere Tochter wollte auf einem Feld Blumen pflücken, als ein deutsches Flugzeug sie im Tiefflug zur Zielscheibe nahm, aber sie überstand diesen Angriff unverletzt. Seine Frau war hysterisch, als sie sich Warschau näherten. Im Zweiten Weltkrieg war es sehr schwierig Lebensmittel zu kaufen. Nur Schwarzbrot war erlaubt. Die polnische Bevölkerung durfte keine öffentlichen Grünanlagen betreten, diese waren nur den Deutschen vorbehalten. Hitler proklamierte, dass alle leerstehenden und ungenutzen polnischen Gebäude und Besitztümer enteignet würden. Aufgrund dieser Proklamation kehrten Kazimierz und seine Frau nach Rogozno zurück und versuchten einen Teil ihrer Habe zu retten. Bald aber wurden die Polen gezwungen, ihre Häuser zu räumen und alle ihre Besitztümer (Lebensmittel, Möbel, Kunstwerke, etc.) zurückzulassen. Viele Menschen rieten den Koziols von einer Rückkehr nach Rogozno ab. Kazimierz war ein Aktivist und hatte seine Einstellung gegen die Nazis lautstark kundgetan. Während seines Aufenthalts in Rogozno wurden mehrere Nazis getötet, und da die Nazis Kazimierz und seine Gesinnung kannten, verdächtigten sie ihn, daran beiteiligt zu sein. Als Kazimierz und seine Frau eines nachts allein in ihrem Haus in Rogozno waren, hörten sie einen sehr lauten Knall gegen ihre Tür. Das machte Kazimierz sehr nervös. Auch wenn er vor nichts und niemandem Angst hatte, beunruhigte ihn das sehr. Der Knall wurde als Warnung verstanden, dass man ihn holen kommen würde. Seine Frau verließ Rogozno und zog zu ihrer Schwester nach Warschau. Die Gestapo erschien in seinem Haus in Rogozno und verhaftete Kazimierz. Zuerst brachte man ihn nach Oborniki und danach nach Posen. Am 18. April 1940 erhielt seine Familie ein Schreiben aus dem KZ Posen - Fort 7, Arbeitskommando, Block 19, das mit folgenden Worten endete: „Ich brauche sofort Hosenträger.“ Am 8. Juli 1940 erhielt die Familie eine Postkarte mit der Information, dass Kasimir Koziol (Häftling #5014) in Gusen, K.L. Mauthausen (Oberdonau), Block 12 Stube B (St. Georgen an der Gusen) war. Auf der Postkarte stand: „1.) Jeder Lagerinsasse darf zwei Briefe oder zwei Postkarten von seinen Verwandten erhalten und die gleiche Anzahl an sie senden (dazu genaue Angaben zu Größe und Gewicht der erlaubten Postsendungen). 2.) Der Insasse darf Geldsendungen erhalten, diese sind an seinen Namen und unter Angabe seines Geburtsdatums, des Zellenblocks und der Zellennummer zu schicken. 3.) Zeitungen sind gestattet, sie dürfen aber nicht über das Postamt Mauthausen bestellt werden. 4.) Es dürfen keine Pakete geschickt werden, da die Insassen alles Notwendige im Lager kaufen können. 5.) Freilassungsgesuche an die Lagerverwaltung sind zwecklos. 6.) Besuche von und Gespräche mit Lagerinsassen sind strengstens verboten. Alle Postsendungen, die diese Vorgaben nicht erfüllen, werden vernichtet.“ Dieses grauenhafte und furchterregende Dokument belegt, dass nach dem Juli 1940 (während der Schlacht um England) die Nazis nur mehr Geldsendungen und keine Paketsendungen mehr an die Lagerinsassen erlaubten. Wer hat diese Gelder erhalten – die SS, die NSDAP oder die Aufseher vor Ort? Kazimierz starb (wurde ermordet) am 8. November 1940. Er war 49 Jahre alt. Im November 1940 stellte ein Briefträger seiner Witwe die Sterbeurkunde (#3155) zu. Darin wurde keine Todesursache angegeben. Später erhielt seine Familie ein Paket, in dem sich die Asche von Kazimierz, seine Uhr und die schwarze Jacke, die er immer trug, befanden. In den ersten Kriegsjahren schickten die Nazis noch die Asche der Verstorbenen an ihre Familien. Man geht davon aus, dass die Nazis einfach nur Asche aus den Öfen nahmen (die die Asche vieler Leichen enthielten) und sie an die Verwandten schickten. Später schickten die Nazis keine Asche mehr. Kazimierz Asche befindet sich auf dem Friedhof in der Lutycka-Straße in Posen. Das Bild von Kazimierz und eine Gedenktafel zu seinen Ehren (und zu Ehren anderer) wurde an der Lehrerbildungsanstalt in Rogozno (Polen) angebracht. Auf der Gedenktafel steht: „In Erinnerung und zu Ehren der Lehrkräfte am Lehrerkolleg in Rogozno: Pfarrer Professor Dr. Kazimierz Werbel und Professor Kazimierz Koziol, die in Todeslagern gefoltert und ermordet wurden, und aller anderen Absolventen dieser Lehranstalt, die zwischen 1939 und 1945 ihre Leben für Polen verloren haben. ‚Wer sein Leben für einen anderen Menschen lässt, wird in der Stunde seines Todes über den Tod hinauswachsen.‘ [Ein polnisches Gedicht von Krazinski]“
Helen Koziol, Enkelin
Position im Raum

