Richard Franke 1906 - 1943

Geboren 20.1.1906 in Meerane
Gestorben 18.1.1943 in Gusen

Biografie

Als der neue Reichsjustizminister Otto Georg Thierack im Spätsommer 1942 sein Amt antrat, war er entschlossen, die deutsche Justiz neu auszurichten. Unter anderem schwebte ihm vor, viele „fremdvölkische“ und „unverbesserliche“ Straftäter in Zukunft nicht mehr von ordentlichen Gerichten bestrafen zu lassen, sondern stattdessen der Polizei zu überlassen.

Bei einem Treffen zwischen Thierack und Himmler am 18. September 1942 wurde das Vernichtungsprogramm dann als „Auslieferung asozialer Elemente aus dem Strafvollzug an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit“ vereinbart. Die Abgabe der Strafgefangenen geschah in zwei Aktionen, die als „generelle“ und „individuelle“ Abgabe bezeichnet werden können. Die „generelle Abgabe“ bedeutete, dass sämtliche in Vollzugsanstalten (und Arbeitshäusern) untergebrachten Juden, Sinti und Roma sowie Russen und Ukrainer an die Polizei zu überstellen waren. Dasselbe galt für polnische Häftlinge mit einer Strafe von über drei Jahren. Schließlich wurden allgemein auch die „Sicherungsverwahrten“ einbezogen. Mehr als die Hälfte der Sträflinge, die unter die generelle Abgabe fielen, war zu „Sicherungsverwahrung“ verurteilt. Von den meisten ging keine besondere kriminelle Bedrohung aus; man hatte sie vielmehr als „asozial“ und „minderwertig“ abgeschrieben.

Richard Franke war einer von jenen zu „Sicherungsverwahrung“ Verurteilten, die unter die „generelle Abgabe“ fielen. Sein Vater war 1910 gestorben, als er vier Jahre alt war, und er hatte drei Jahre in Fürsorgeerziehung verbracht. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte er sich dann einige Jahre als ungelernter Arbeiter durchgeschlagen. Er war regelmäßig wegen kleiner Diebstähle verhaftet und zu einigen Wochen oder Monaten Gefängnis verurteilt worden, das erste Mal im Alter von 20 Jahren. Seit 1929 war er arbeitslos gewesen. In den folgenden Jahren war er auf der Suche nach Arbeit und einem Auskommen kreuz und quer durch Deutschland gereist, wobei er weitere Bagatelldelikte beging. So wurde er 1937 wegen des Diebstahls eines Gartenschlauchs zu 15 Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Freilassung versuchte er, sich nichts mehr zuschulden kommen zu lassen, stahl dann aber zwischen Ende 1939 und Frühjahr 1940 mehrere Hühner und Kaninchen. Wahrscheinlich wusste er, dass ihm nach dem neuen drakonischen Kriegsstrafrecht als „Volksschädling“ sogar die Todesstrafe drohte; jedenfalls versuchte er in der Untersuchungshaft, sich das Leben zu nehmen. Angesichts der wirtschaftlichen Notlage, die Franke zu seinen Vergehen getrieben hatte, sah der Richter am Jenaer Sondergericht jedoch von der Verhängung der Todesstrafe ab und verurteilte Franke stattdessen zu 15 Jahren Zuchthaus mit anschließender „Sicherungsverwahrung“.

Nach der Vereinbarung zwischen Himmler und Thierack bedeutete dies gleichwohl die Todesstrafe: Am 29. November 1942 wurde Richard Franke als „Asozialer“ der Polizei übergeben, die ihn ins KZ Mauthausen einlieferte. Weniger als zwei Monate später war er tot.

Nikolaus Wachsmann

Nikolaus Wachsmann ist Professor für Modern European History an der University of London (Birkbeck) und Autor zahlreicher Bücher zum Nationalsozialismus, u. a. des 2015 erschienenen Buches KL. A history of the Nazi Concentration Camps.

 

Literatur:

Nikolaus Wachsmann: Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im NS-Staat (München 2006), S. 309–319.

Quellen:

Bundesarchiv Berlin, R 3001/alt R 22/4062, Besprechung mit Reichsführer SS Himmler am 18. September 1942 in seinem Feldquartier, Bl. 35a–37.

Thüringisches Staatsarchiv Meiningen, Zuchthaus Untermaßfeld Nr. 311.

Position im Raum