Helmut Strathmann 1912 - 1943

Geboren 6.4.1912 in Bremen
Gestorben 12.6.1943 in Gusen

Biografie

Helmut Friedrich Strathmann wurde am 6. April 1912 in Bremen geboren.[1] Er hatte noch sechs Geschwister. Nach dem Tod seiner Mutter gab man ihn 1922 in ein Waisenhaus. Von da aus kam er mit 11 Jahren bei einem Bauern in Pflege. Nach der Schule, die ihm schwergefallen war, zog er zu seinem Vater. Dieser arbeitete als Zigarrenmacher und Zuhälter und trank viel Alkohol. Eine Bäckerlehre brach er wegen körperlicher Überforderung ab und arbeitete dann als Bote, Buffetbursche und Hausdiener im Gastgewerbe.

Bereits im noch jugendlichen Alter von 17 oder 18 Jahren hatte er homosexuelle Kontakte mit jungen Männern. Damals wurde man mit 21 Jahren volljährig. Er nahm auch im „Hotel Germania“ in Bremen an Treffen der „Gesellschaft für Menschenrechte“ teil, einem reichsweiten Freundschaftsbund für Homosexuelle.

Erstmals verurteilte man den etwa 20-Jährigen 1932 nach §175 und dann wieder 1936, 1939 und 1940. Als seine letzte Anschrift hatte er 1941 die seiner Schwester in Bremen angegeben. Bei der letzten Verurteilung nach §175a StGB im Jahr 1941 stufte ihn das Gericht als „gefährlichen Gewohnheitsverbrecher“ ein und ordnete zeitlich unbefristete Sicherungsverwahrung an, nachdem er seine Strafe verbüßt hatte. Obwohl das Gericht seine schwierigen Familienverhältnisse und die schwere Kindheit mildernd berücksichtigte, wollte es ihn nun doch für alle Zeiten aus dem „Volkskörper“ ausscheiden. Das Gericht schrieb auch in das Urteil: „Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Entmannung des Angeklagten günstig wirken könnte.“ So wollten Gerichte die verurteilten Homosexuellen zur „freiwilligen“ Kastration zwingen, wenn sie diese aus rechtlichen Gründen nicht anordnen konnten. Als „Belohnung“ hoben die Gerichte dann in der Regel die Sicherungsverwahrung auf. Daraufhin beantragte Strathmann die „freiwillige Entmannung“, und man transportierte den 30-Jährigen am 18. Juni 1942 in das Krankenrevier des Zuchthauses Hamburg-Fuhlsbüttel. Der Gesundheitssenator in Hamburg genehmigte die Kastration, die aus organisatorischen Gründen in Hamburg zu dieser Zeit nicht möglich sei.

Der Zeitpunkt seiner Haft in Hamburg war denkbar ungünstig. Reichsjustizministers Otto Georg Thierack hatte mit dem SS- und Polizeichef Heinrich Himmler vereinbart, dass Sicherungsverwahrte und zu langen Haftstrafen Verurteilte „durch einen Einsatz dort, wo sie zugrunde gingen, vernichtet werden.“[2] Ende 1942 und Anfang 1943 wurde die Masse der Sicherungsverwahrten vom Justizvollzug der Polizei ausgeliefert und in ein KZ transportiert, so auch Helmut Strathmann. Ihn transportierte man am 5. Dezember 1942 vom Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel in das KZ Mauthausen, wo man ihn zur Nummer 16172 machte. Sicherungsverwahrte belastete die SS in den KZ mit schwerstmöglicher Arbeit; die meisten starben recht schnell den von der Justiz gewünschten Tod. Die Gesundheitsbehörde Hamburg fragte nach ihm nach und man teilte ihr mit, er sei „am 5.12.42 durch die Polizei für einen Transport abgeholt […] wie jetzt festgestellt, wurde Strathmann in das KZ Mauthausen […] übergeführt.“ Weiter vermerkte man, „dass Strathmann nach Mitteilung des SS-Standortarztes Mauthausen, Kreis Perg, am 12.6.43 im Krankenlager des K.L. Mauthausen/Gusen an Kreislaufschwäche mit Wassersucht vor Durchführung der Entmannung verstorben ist.“

Zur Erinnerung, zu seinem Andenken und zur Mahnung vor dem Unrecht setzte man ihm vor seinem früheren Wohnort in Bremen-Findorff, Katrepelerstraße 57, einen Stolperstein.

 

Rainer Hoffschildt 

Rainer Hoffschildt wurde 1948 in Mecklenburg geboren, studierte Wirtschaftswissenschaften und arbeitete bis zur Pensionierung als Berater in einer Sozialbehörde in Hannover. 1980 begann er mit der Errichtung des Schwullesbischen Archivs Hannover. Publikationen, u. a.: Olivia. Die bisher geheime Geschichte des Tabus Homosexualität und der Verfolgung der Homosexuellen in Hannover (1992).

 


[1] Ich danke Stefan Micheler, Hamburg, für Informationen. Ich danke Ulf Bollmann, Staatsarchiv Hamburg, für zusätzliche Informationen. Vgl. auch den Text von Peter Christoffersen, http://www.stolpersteine-bremen.de/detail.php?id=279 , nach Vorlagen von Bernhard Rosenkranz, der folgende Quellen heranzog: Staatsarchiv Hamburg 242-4 Kriminalbiologische Sammelstelle, 1011. Staatsarchiv Hamburg 242-1 (II) Gefängnisverwaltung II, Abl. 10 Nr. 412 (Gefangenenpersonalakte).

[2] Zitiert nach Karl-Leo Terhorst: Polizeiliche planmäßige Überwachung und polizeiliche Vorbeugungshaft im Dritten Reich (Heidelberg 1985), S. 168.

Position im Raum