Albert Leopold de Haas 1906 - 1942

Geboren 1.8.1906 in Groningen
Gestorben 29.6.1942 in Mauthausen

Biografie

Letzte Wohnadresse: Blekerstraat 24-A in Groningen

Deportiert: 1942 Lager Amersfoort

Albert Leopold de Haas ist ein Groninger. Sein Vater Israel ist 1877 ebenfalls in Groningen geboren, er ist Kaufmann. Seine Mutter Anna Salomon kommt aus Deutschland, geboren in Elberfeld am 24. Juni 1880 und sie ist 1936 in Groningen gestorben.
Albert hat eine drei Jahre jüngere Schwester Henriëtte, sie ist am 15. Mai 1909 geboren. Laut dem ‘Jüdischen Monument’ (
www.joodsmonument.nl) ist Henriëtte im Jahre 1929 Krankenpflegerin im Krankenhaus in Leiden. Auch steht sie 1929 im Einwohnermeldeamt als Einwohnerin von Eindhoven.
Albert ist Handlungsreisender.
Weiters ist fast nichts über die Herkunft der Familie bekannt.

Albert mietet ab dem 19. Dezember 1940 ein Zimmer in der Wohnung von Sallie Knorringa in der Blekerstraat 24-A in Groningen. Dort wird „er (als Jude) am Mittwoch, dem 15. April 1942, in der Wohnung um etwa 20.00 Uhr im Auftrag des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD“ verhaftet. Nicht nur er, sondern auch seine Verlobte, „Aagtje Perdok, (Arierin), geboren am 13. Oktober 1913, Beruf: Näherin“, wird verhaftet. Dies geschieht „im Zusammenhang mit der Tatsache, dass genannte Personen Anfang des Monats Januar das Aufgebot bestellt haben“. Der Polizist vom Dienst zieht Erkundigungen bei dem Standesamt ein, woraus hervorgeht, dass sie am 23. Januar das Aufgebot bestellt haben.

Seit dem 27. März 1942 ist es verboten, dass ein Jude und eine „Arierin“ heiraten, und aus den Ausweisen von Albert und Aagtje geht eindeutig hervor, dass er als Jude und sie als „Arierin“ gilt.

Wie im V. Teil der Ausgabe Das Königreich der Niederlande im Zweiten Weltkrieg zu lesen ist, wird am 27. März 1942 im Jüdischen Wochenblatt Folgendes bekannt gemacht: „Wie uns von den zuständigen deutschen Behörden mitgeteilt wird, ist Juden die Ehe und der außereheliche geschlechtliche Umgang mit Nicht-Juden untersagt“. Außerdem sollten „die niederländischen Standesbeamten in Zukunft alle Fälle, in denen Juden mit Nicht-Juden das Aufgebot bestellt haben, der Sicherheitspolizei melden“.

Die Nürnberger Gesetze sind in Deutschland schon 1935 in Kraft getreten und damals schon wurde die Ehe zwischen einem Juden und einer „Arierin“ „zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ untersagt.

Von der Besatzungsmacht in den Niederlanden wird das Knüpfen von (sexuellen) Beziehungen zu „Ariern“ seit 1941 als sehr ernst betrachtet. Damals werden die Nürnberger Gesetze schleichend in den besetzten Niederlanden eingeführt. Zu einem Verbot kommt es, wie erwähnt, durch eine Mitteilung im Jüdischen Wochenblatt vom 27. März 1942. Jüdische Männer, die ertappt werden, solche Beziehungen zu haben, werden wegen „Rassenschande“ in das Lager Amersfoort geschickt und von dort nach Mauthausen abtransportiert, jüdische Frauen verschwinden im Konzentrationslager Ravensbrück.

Albert de Haas und Aagtje Perdok werden von dem Berichterstatter der Polizei dem Kommissar der Polizei „zur Verfügung gestellt“. Letztgenannter hat diese Personen für obenerwähnte Dienststelle festgenommen.

Albert teilt im ersten Verhör Einiges über seine Situation mit: „Seit kurzem wurden wir gewahr, dass es nicht mehr möglich war zu heiraten, im Zusammenhang mit der Tatsache, dass ich Jude bin und meine Verlobte Arierin. Wenn die Heirat zwischen uns beiden stattgefunden hätte, wäre es mir schon gelungen, meine Familie zu ernähren. Ich handle in letzter Zeit ziemlich viel mit Gebrauchtwaren, wie etwa Möbeln, Antiquitäten, Golduhren und dergleichen. All diese Güter haben heutzutage viel Wert, so dass man damit in der Regel gut verdienen kann.“

Was aus dem ersten Verhör von Aagtje hervorgeht, ist, dass ihre Eltern in hohem Mabe gegen die geplante Ehe ihrer Tochter mit Albert de Haas sind und ihre Zustimmung verweigern. Aagtje widersetzt sich in erster Instanz gegen das Verbot ihrer Eltern, indem sie ein Gesuch bei dem Amtsgericht in Groningen einreicht. Dabei bittet sie das Amtsgericht anstatt ihrer Eltern um stellvertretende Zustimmung für ihre geplante Ehe mit Albert de Haas. Aber als sie zum zweiten Mal von der Polizei verhört wird und eine Nacht im Arrest verbracht hatte, erklärt sie: „Ich habe mir ab heute vorgenommen, den Kontakt zu ihm gänzlich abzubrechen und nie wieder ein Verhältnis zu ihm anzufangen“.

Albert ist nicht nur durch die angebliche „Rassenschande“ in Mauthausen gelandet. In dem Bericht der Groninger Polizei steht, dass er auch wegen „distr. Verstoßes“ verhaftet worden ist. Höchstwahrscheinlich ist damit der Verstoß gegen die „Distributionsverfügung“ gemeint, was darauf hindeuten kann, dass er auch eines Wirtschaftsdeliktes beschuldigt worden ist.

Aus den – vor kurzem aus Mauthausen – erhaltenen Auskünften geht hervor, dass Albert am 21. Juni 1942 aus dem Lager Amersfoort in Mauthausen „eingeliefert wird“. Am 29. Juni wird er „auf der Flucht erschossen“.

Was hat das zu bedeuten? Nach dem Krieg wurde aufgedeckt, dass sehr viele Gefangene von den Lagerwärtern gezwungen wurden, die Postenkette, die die Grenze des Lagers darstellte, zu übertreten. Als sie dies taten, bekamen die Lagerwärter eine Rechtfertigung, die Gefangenen zu erschießen, um die inszenierte Flucht zu verhindern.

Alberts Schwester Henriëtte hat den Krieg überlebt, wie aus einem an sie gerichteten Brief des Niederländischen Roten Kreuzes (NRK) aus 1946 hervorgeht. Sie wohnt damals in Helmond. Das NRK teilte ihr mit, dass ihr Bruder in Mauthausen erschossen worden ist.

Im Jahre 1948 teilt das NRK Henriëtte noch ergänzend mit: „Folgender diesbezüglicher Text befindet sich im Besitz des Unterzeichneten: eine von den Deutschen oder im Auftrag der Deutschen zusammengestellte Liste mit der Bezeichnung ‚Personen die nach dem KL Mauthausen kamen‘. Unter der Nummer 348 dieser Liste sind die Personalien von Albert Leopold de Haas zu lesen, mit der Angabe: „29.6.42 im KL Mauthausen verstorben“.

Vater Israel hat in der Anna Paulownastrabe 33 in Groningen gewohnt. Er ist am 15. Dezember 1942 – ein halbes Jahr nach seinem Sohn – in Auschwitz ermordet worden.
Er hatte zwei Brüder und drei Schwestern. Von ihren Kindern haben wenige den Krieg überlebt. Die Schwester Miena wohnt in der Anna Paulownastra
be 6. Sie ist mit Louis van Adelsbergen verheiratet, ihre Tochter Sara (Cissy) heiratet Isidoor van der Hal. Er ist Arzt und hat den Krieg überlebt. In hohem Alter hat er ein Buch über seine Kriegsvergangenheit mit dem Titel Das kleine Messer (Het Mesje) geschrieben.

 

Matteke Winkel, Stichting Stolpersteine Schilderswijk Groningen NL

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