Attilio Mazzi 1885 - 1945
Geboren 27.4.1885 in Verona
Gestorben 9.4.1945 in Gusen
Biografie
Attilio Mazzi wurde 59 Jahre alt. Er wurde am 27. April 1885 in Verona geboren. Er war verheiratet und Vater von vier Kindern. Unternehmer von Beruf. Nach der Lehre in Frankreich eröffnete er 1910 ein Holzunternehmen in Lissone (MI). Das geschnittene und bearbeitete Holz wurde an zahlreiche Möbelwerkstätten der Gegend verkauft. Er war seit den 1920er-Jahren Antifaschist. Am 26. Juli 1943 feierte er den Sturz Mussolinis und führte einen kleinen Umzug an. In der Hand hielt er ein Plakat, auf dem Badoglio abgebildet war. Diese Geste blieb nicht unbemerkt und nach der Ausrufung der Italienischen Sozialrepublik[M1] wurde er rasch verhaftet. Im Laufe seiner Inhaftierung in Monza wurde er wiederholt Verhören durch die SS unterzogen. Am 23. Februar 1944 wurde er in das Mailänder Gefängnis San Vittore verlegt. Schließlich wurde er im Sommer in das Konzentrationslager Fossoli deportiert. Am 5. August kam er zuerst in das Lager Mauthausen und dann in das Außenlager Gusen I, wo er am 9. April 1945 verstarb.
Brief an seine Ehefrau vom 17. September 1944, Konzentrationslager Fossoli (Modena):
„Mazzi Attilio Nr 309
Konzentrationslager Fossoli (Modena)
17.9
Liebste Augusta,
da ich nie eine Antwort auf meine Briefe erhalten habe, hatte ich gedacht, diesen Brief an Mauri über eine Dame aus Lissone zu schicken, die von einem Freund von mir, ihrem Verlobten, heute oder morgen erwartet wurde. Es tut mir leid zu hören, wie anstrengend deine Reise war. Arme Nuccia, verzeih mir, aber was soll ich machen, ich wollte dich unbedingt sehen. Was soll ich dir sagen, ich habe die Vorahnung, dass ich dich nie wieder sehen werde. Heute haben wir tragische Momente erlebt und ich wurde wie durch ein Wunder nicht von den Maschinengewehrsalven getroffen. Zwanzig Zentimeter weiter unten und ich wäre voll getroffen worden. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich bin schon alt und krank. Angesichts meines Zustands, wozu noch leben?
Nicht, dass ich Angst hätte, ganz und gar nicht, ich schwöre es dir. Wenn du dir nur ansatzweise vorstellen könntest, was für Prüfungen ich schon überstanden habe, ohne zu zittern, dann wärst du mehr als überzeugt. Aber andererseits, was willst du, ich bin müde, und vor allem bin ich krank, ich sag’s nochmal. Jedenfalls, was auch immer passiert, du musst stolz sein auf den Namen, den du trägst. Ich habe es nie bereut, ein echter Italiener zu sein, und ich werde es immer sein. Ich habe es meinen Inquisitoren immer wieder mit erhobenem Haupt gesagt. Es ist mir wichtig, das zu wiederholen, damit du es eines Tages Alberto, Aldo und Alma sagen kannst, wenn die armen Kleinen groß genug sein werden, um es zu verstehen. Seit ein paar Tagen leite ich eine Tischlerwerkstatt. Ich verbringe meine Tage mit Arbeit und bin froh, nicht den ganzen Tag untätig verbringen zu müssen, was für mich das schlimmste war.
Die tausend Lire habe ich erhalten, ich danke dir vielmals. Informiere dich für die Zukunft, was du schicken darfst. Aber ich glaube, dass du mir 200 Lire in der Woche mit einem Barscheck schicken kannst. Wenn das zu viel ist, schicke mir nur 100, ich komme schon zurecht. Ich habe erfahren, dass Osvaldo mit dir mit war. Es tut mir leid, dass der arme Kleine wegen mir so viele Unannehmlichkeiten auf sich nehmen musste. Bitte ihn, mir zu verzeihen.
Ich schicke dir, den Kindern und Anna, Osvaldo, Oma und Riccardo viele liebe Küsse
Attilio – herzliche Grüße an alle Verwandten und Freunde.
Falls ich sterben sollte, lasse ich dich vorher wissen, was ich auf meinem Grabstein geschrieben haben möchte. Lebwohl Ninuccia, sei mutig, füge dich – sei frohen Mutes.
Attilio”
Igor Pizzirusso
INMSLI – Istituto Nazionale per la Storia del Movimento di Liberazione in Italia, Mailand
[M1]Repubblica Sociale Italiana (R.S.I.)