Felix Ronge 1884 - 1945

Geboren 19.11.1884 in Półwieś
Gestorben 15.4.1945 in Gusen

Biografie

Mein geliebter Großvater, Felix (Feliks) Ronge wurde am 19. November 1884 in Halbdorf, Kreis Marienwerder in Ostpreußen geboren. Heute gehört dieses Gebiet zu Polen und die Ortschaft heißt Półwieś und liegt in der Gemeinde Gniew. Die Familie war polnisch-deutsch, Vater Teodor und der Mutter Joanna, geborene Solecka. Er war ein talentierter und fleißiger Mensch. Er beschäftigte sich mit Errichtung und Reparatur von Mühlen; in den Jahren vor 1918 arbeitete er in Fabriken in Berlin und Leipzig; seine Arbeitszeugnisse sind bis zum heutigen Tage erhalten geblieben.

Am 6. November 1911 heiratete er in Poznań (Posen) Maria Teresa Hoffmann aus dem Gebiet von Wielkopolska (Großpolen), die ebenfalls aus einer polnisch-deutschen Familie als Tochter von Paul Hoffmann und Teresa Kabaczyńska stammte. Sie hatten zwei Kinder – Tochter Erna, geboren am 4. Dezember 1912, und Sohn Gerard, geboren am 5. Jänner 1916. Sie führten eine sehr einvernehmliche und liebevolle Ehe. Sie beschlossen, sich in Kujawy (Kujawien), im neu gegründeten Polen, niederzulassen. Sie haben sich kontinuierlich durch harte Arbeit hochgearbeitet. Mein Großvater kaufte heruntergekommene Mühlen, zog samt Familie dorthin, renovierte und modernisierte die Mühlen und dann veräußerte er diese mit Gewinn, um wieder in die nächste Mühle, die ebenfalls zu renovieren war, umzuziehen. Schließlich haben sie sich dauerhaft niedergelassen; sie wählten Inowrocław (Hohensalza), wo sie eine Wohnung anmieteten und große Räumlichkeiten erwarben, wo [mein] Großvater eine Werkstatt/kleine Fabrik für Riffelwalzen und Mühlenmaschinen gründete. Seine Produkte wurden bald beliebt und er exportierte sogar in die Niederlande. Ich, seine erste und einzige Enkeltochter, Tochter von Erna, erblickte am 3. Dezember 1939 in Inowrocław das Licht der Welt.

Ich war gerade bei ihnen in der Wohnung und kann mich bestens an die Februarnacht im Jahr 1944 erinnern, wo ich Zeugin war, als wir in den frühen Morgenstunden durch das Einhämmern auf die Tür geweckt wurden. Es kamen drei Männer in Uniformen und befahlen meinem Großvater unter Androhung von Waffengewalt, sie zu begleiten. Sie erlaubten ihm nicht einmal sich anzuziehen, er verließ die Wohnung in seinem Schlafanzug und Hausschuhen. Meine Großmutter schaffte es gerade noch, ihm seinen Mantel über die Schulter zu legen. Die Werkstatt wurde geschlossen, die Maschinen wurden abtransportiert und die gesamte Produktion beschlagnahmt. Die Familie verlor ihr gesamtes Vermögen. Einige Wochen danach wurde meine Großmutter aus der Wohnung herausgeworfen – man gab ihr 20 Minuten Zeit, zu packen. Sie zog nach Kruszwica (Kruschwitz), wo seit einigen Jahren meine Eltern lebten und blieb bis zu ihrem Tod dort. Sie verstarb am 15. Juli 1956.

Viele Jahre später erfuhr ich, dass mein Großvater angeblich einer polnischen Untergrundorganisation die Kellerräume unter seiner Werkstatt zur Verfügung gestellt hatte, in welcher man Flugblätter druckte. Es war ein gut dafür geeigneter Ort, weil dort sowieso Lärm aufgrund der Metallverarbeitung herrschte und man das Gepolter der Druckmaschinen nicht hören konnte. Mein Großvater wurde anfänglich im Gefängnis in Inowrocław festgehalten, dann wurde er nach Poznań (Posen) Fort VII gebracht. Von dort wurde er in ein Konzentrationslager, wahrscheinlich nach Dachau, abtransportiert. Ich bin mir wirklich sicher, weil zuhause oft darüber gesprochen wurde, dass das letzte an ihn nach Dachau geschickte Paket mit der Anmerkung zurückkam, dass er sich nicht dort befände. Viele Jahre lang waren wir davon überzeugt, dass er dort ums Leben gekommen ist. Meine Großmutter glaubte aber bis zum Ende ihres Lebens, dass er noch leben und zu uns zurückkehren würde.

Auf dem Friedhof in Kruszwica hat mein Großvater sein symbolisches Grab, zusammen mit meiner Großmutter, die dort bestattet wurde. Heute lebt niemand mehr außer mir, der meinen Großvater kannte. Ich kann von ihm nur aus der Perspektive eines drei-/vierjährigen Kindes und Familienerinnerungen erzählen. Ich war für ihn der Mittelpunkt seiner Welt. Mein Großvater war auch für mich der wichtigste Mensch und ich habe ihn über alles geliebt. Er wurde nur 60 Jahre alt und hätte noch viele Jahre mit uns zusammenleben können.

Erna, Enkelin

Position im Raum