August Kahrmann 1900 - 1940
Geboren 19.5.1900 in Plankstadt
Gestorben 3.2.1940 in Mauthausen
Biografie
August Kahrmann wurde am 19. Mai 1900 als Kind der „unverheiratheten Cigarrenarbeiterin Anna Gund” in Plankstadt geboren. Sie heiratete in diesem Jahr den Zigarrenmacher Christian August Kahrmann aus Schwetzingen, der das Kind als seines anerkannte. Damit wurde Schwetzingen Augusts Heimatgemeinde. Doch seine Mutter Anna starb bereits 1903. Er besuchte bis 1914 die Volksschule, arbeitete danach erst bei der Zigarrenfabrik Neuhaus und war dann bis Ende 1918 Soldat. Anschließend war Kahrmann als Arbeiter bei den Firmen Pfaudler, bei Heinrich Lanz in Mannheim und von 1922 bis 1929 bei Hermann Müller in Schwetzingen beschäftigt. Wegen eines chronischen Blasenleidens und rechtsseitigen Leistenbruchs arbeitete er schließlich als (Auto-Park-)Aufseher beim städtischen Verkehrsverein, 1934 erhielt er Erwerbslosenunterstützung. 1931 war sein Vater gestorben. Kahrmann lebte allein in einem Eisenbahnwagen in der städtischen Scheffelsiedlung. Er war ledig und hatte keine Kinder, lediglich Stiefgeschwister. Wegen Delikten wie grobem Unfug und Gotteslästerung wurde er in der Nazizeit bestraft. Er stand seinerzeit gerne an einer großen Kreuzung mitten in der Stadt, der „Drehscheibe“, und kommentierte dort gutmütig und gewitzt die Passanten und das Geschehen.
Am 20. Mai 1936 verhängte das Badische Landeskriminalpolizeiamt Karlsruhe die „polizeiliche Vorbeugungshaft” über Kahrmann, er wurde auf Antrag des Bezirksamts Mannheim inhaftiert. Als Begründung dafür, ihn wegsperren zu können, bezeichnete man ihn als „dem Trunke ergebene, arbeitsscheue und asoziale Person, die bei ihrem Verhalten eine unmittelbare Gefahr für die Umwelt” bedeute. Er hätte bisher als ungefährliches Original gegolten, nun aber habe er „sich über alle behördlichen Massnahmen leichtfertig hinweggesetzt und eine Staatsautorität in keiner Weise anerkannt”. Das wollte gerade das NS-Regime nicht hinnehmen, zugleich wurde im NS-Blatt Hakenkreuzbanner gegen ihn gehetzt. Der 36-jährige August Kahrmann wurde „auf unbestimmte Zeit” ins „Landesarbeitshaus” Kislau gebracht, die Stadt Schwetzingen zahlte nach Armentarif dafür. Seit Frühjahr 1933 befand sich in Gebäuden des Schlosses Kislau ein Konzentrationslager, das dem badischen Innenministerium unterstand. Kahrmann war 1,76 Meter groß, von schlanker Gestalt, er hatte blonde Haare und blaugraue Augen. Ärztlicherseits wird vermerkt, er könne „leichte Arbeit” leisten, zudem: „ist sterilisiert!“ Demnach gehörte Kahrmann offensichtlich gar zu den von den Nazis Zwangssterilisierten. Er wurde in der Haft als Flickschneider und beim Strümpfestopfen eingesetzt, soll einmal die Mitgefangenen zur Arbeitsverweigerung aufgehetzt haben. Anfang 1937 hieß es, Kahrmann habe sich „gut geführt“ und könne probeweise entlassen werden, die Trinkerfürsorge sollte eingeschaltet werden. Doch ab Februar 1937 musste er erst drei Monate im Bezirksgefängnis II in Bruchsal absitzen, wozu ihn das Amtsgericht Schwetzingen wegen Beamtenbeleidigung verurteilt hatte.
Zu „Asozialen“ erklärte Personen konnten mithilfe eines NS-Erlasses von 1937 bzw. als „Schutzhäftlinge“ in Konzentrationslager eingewiesen werden. Die deutsche Gesellschaft der NS-Zeit sah allgemein die Absonderung oder gar Vernichtung politisch oder sozial abweichender Existenzen in Lagern als gerechtfertigt an. Im Jänner 1939 wurde Kahrmann zum HäftIing Nummer 32201 im KZ Dachau. Am 27. September 1939 wurde er nach Mauthausen überführt. August Kahrmann kam am 3. Februar 1940 im KZ Mauthausen zu Tode, gemäß Totenbuch um 5:00 Uhr. Kahrmann starb hier am selben Tag wie Friedrich Schweiger. Als angebliche Todesursache wird „Rippenfellentzündung” und „Herz- und Kreislaufschwäche” angegeben.
Frank-Uwe Betz
Frank-Uwe Betz, Dipl.Pol. und Autor, befasst sich seit vielen Jahren mit NS-Themen, insbesondere mit Zwangsarbeit, Judenverfolgung, politisch Widerständigen und anderweitig Missliebigen und Umgang mit der Nazizeit. Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Freundliches Schwetzingen – Verein für regionale Zeitgeschichte e.V.
Quellen:
Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen,Totenbuch des SS-Standortarztes Mauthausen, Y/46.
Gemeinde Plankstadt, Geburtsregister.
Generallandesarchiv Karlsruhe (GLAK) 521 Zugang 1982-48 Nr. 3471, Handschriftlicher Lebenslauf von August Kahrmann.
Stadtarchiv Schwetzingen, „Hakenkreuzbanner“ vom 27.5.1936.
Kunstmaler Heinz Friedrich, Schwetzingen: Zeichnung, Skizzen und ein Schreiben mit Erinnerungen an Kahrmann.
Literatur:
Frank-Uwe Betz: Schwetzingen im Nationalsozialismus – Gespräche mit dem Zeitzeugen Erwin Knapp. In: „rund um“ Regionalzeitung, Heft 4 (1990), S. 6f.
Frank-Uwe Betz: Sterilisiert, weggesperrt und im KZ gestorben. Die Geschichte des Schwetzinger Arbeiters August Kahrmann. In: Schwetzinger Zeitung, 29.10.2014, S. 33.
Detlev Peukert: Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus (Köln 1982), S. 248 und S. 255.
Position im Raum

