Eugen Prötzel 1915 - 1940
Geboren 7.7.1915 in Bad Cannstatt
Gestorben 17.2.1940 in Mauthausen
Biografie
Eugen Prötzel wurde am 7. Juli 1915 in Cannstatt bei Stuttgart geboren. Sein Vater, Hermann Prötzel, war von Beruf Mechaniker und hatte 1914 in dritter Ehe Eugens Mutter geheiratet. Eugen hatte insgesamt acht (Halb-)Geschwister. Der Vater starb 1921.
In der Gewerbeschule erhielt Eugen Prötzel sehr gute Zeugnisse und zwei Preise. Seit Sommer 1930 ging er bei einer Maschinenfabrik in Cannstatt in die Lehre. Er freundete sich mit kommunistisch eingestellten Arbeitern an, ohne jedoch selbst einer KPD-Organisation beizutreten. Aber er beteiligte sich an deren illegalen Aktivitäten. Gemeinsam mit einem gleichaltrigen Lehrling aus seinem Betrieb stand er Schmiere, als in der Nacht zum 23. Juni 1933 ältere Genossen an der Umfassungsmauer des Standortlazaretts, am Betonzaun des Gaswerks und anderen Stellen im Stadtteil mit großen Lettern in weißer Farbe Parolen anbrachten: „Weg mit dem Blutkanzler Hitler. KPD lebt noch“, „Nieder mit Hitler. KPD“, „Heraus mit Thälmann. Rot Front“.
Eine Woche später wurde Prötzel zusammen mit seinem Lehrlingskollegen verhaftet. Nach zwei Wochen polizeilicher Schutzhaft kam er in Untersuchungshaft. Am 22. August 1933 verurteilte ihn das Amtsgericht Stuttgart wegen Vergehens gegen die Verordnung vom 28. Februar 1933 („Reichstagsbrandverordnung“) in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Haftstrafe von einem Monat unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Im Strafmaß enthalten war die Sühne für das Zusammenfalten von etwa 150 kommunistischen Flugblättern. Insgesamt hatte das Gericht relativ milde geurteilt, obwohl es an Prötzels in der Hauptverhandlung gezeigten Reue erhebliche Zweifel hegte.
1934 schloss Prötzel seine Lehre ab und arbeitete anschließend bei verschiedenen Firmen in Bad Cannstatt als Mechaniker und Schleifer. Mit seiner Beteiligung an der KPD-Propagandaaktion war er zwar ins Visier der Politischen Polizei geraten, doch gibt es keine Hinweise, dass er von ihr in den unmittelbar folgenden Jahren weiter behelligt worden wäre. Abgesehen von einer späteren, wenig konkreten Behauptung eines Onkels finden sich auch keine Aussagen, dass er sich weiterhin politisch oppositionell betätigt hätte. Gewiss ist nur, dass sein letztes Stuttgarter Arbeitsverhältnis Mitte Juni 1937 endete. Am 10. Juli überschritt er ohne Pass die deutsch-holländische Grenze und hielt sich länger als ein Jahr in Holland und Belgien auf. Im Oktober 1938 wurde er von der niederländischen Polizei festgenommen und der deutschen Grenzpolizei übergeben.
Über die Motive der Emigration finden sich differierende Angaben. 1937 hätte er zum Militär einrücken sollen, und um sich dem zu entziehen, habe er sich zuerst vergeblich nach der Schweiz gewandt. Daraufhin habe er sein Heil in Holland versucht, um von dort leichter nach Übersee zu kommen. Möglicherweise aber hatte er beabsichtigt, auf republikanischer Seite am Spanischen Bürgerkrieg teilzunehmen. Letzteres unterstellte das Schöffengericht Krefeld, das ihn am 2. Dezember 1938 wegen Passvergehens zu sechs Wochen Gefängnis verurteilte. Eventuell hatte Prötzel sich auch der Spionage verdächtig gemacht. Nach der Justizhaft wurde er der Geheimen Staatspolizei übergeben und in das württembergische Gestapo-Gefängnis Welzheim verbracht. Am 8. März 1939 kam er in das Konzentrationslager Dachau und wurde am 27. September 1939 per Sammeltransport nach Mauthausen überstellt. Als Grund für die KZ-Haft wurde „Schutzhaft rückfällig“ genannt. Eugen Prötzel starb in Mauthausen am 17. Februar 1940 im Alter von 24 Jahren.
Sigrid Brüggemann
Sigrid Brüggemann ist freie Historikerin in Stuttgart. Sie begleitet seit Jahren historische Stadterkundungen im Rahmen des Stadtjugendrings Stuttgart und ist Mitglied des Mauthausen Komitees Stuttgart e.V. (MKS). Publikationen (u. a.): Stadterkundungen – auf den Spuren des Dritten Reiches in Stuttgart (2006, zusammen mit Roland Maier).
Quellen:
Archiv der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN-Archiv) Stuttgart, D 2693, A 31 (mit Dank an Volger Kucher).
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 725.
Auskunft des Archivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen.