Marie Rutová 1888 - 1942
Geboren 22.2.1888 in Těšnovice
Gestorben 24.10.1942 in Mauthausen
Biografie
Kindheit, Erwachsenwerden und Familienleben
Václav Růta stammte aus Turnov (Turnau), wo er am 24. Juni 1890 als Sohn von Václav Růta und Anna Růtová (geb. Kyselová) geboren wurde.
Gleich nach Entstehung der Tschechoslowakei gelangte Václav Růta als Angestellter der Staatlichen Post nach Bratislava (Pressburg). In Bratislava (Pressburg) befand sich auch seine künftige Ehefrau Marie Růtová, geborene Rausová (am 22. Februar 1888), gelernte Damenschneiderin, die er am 17. Oktober 1921 in Tišnov (Tischnowitz) heiratete.
Nach zwei Jahren Ehe von Václav und Marie Růtová wurde am 21. Oktober 1923 ihr Sohn Jiří geboren.
Während seines Aufenthalts in Bratislava (Pressburg) musste Václav Růta mit Jan Bejbl in Kontakt kommen, der hier bei der Polizei Dienst tat.
Wegzug aus Bratislava, Suche einer neuen Heimat
Der Aufenthalt in Bratislava (Pressburg) endete sofort nach dem Zerfall der Tschechoslowakei im März 1939. Václav Růta wandte sich an seinen Bruder Josef, der zu dieser Zeit in Prag-Žižkov in der Straße ul. Žerotínova Nr.1641/47 wohnte und bei der Bahnpost arbeitete. Nach dieser Bitte sah sich der Bruder Josef in der näheren Umgebung um und stellte fest, dass unweit in der Nachbarstraße unter der Adresse Biskupcova 1837/4 eine freie Wohnung mit zwei Zimmern und Küche vorhanden war. Diese Nachricht teilte er dem Bruder mit und im April ließ sich die Familie Růta an dieser Adresse nieder.
Václav Růta fand gleichzeitig auch eine neue Anstellung bei der Betriebspost am Wilson-Bahnhof. Marie Růtová blieb als Hausfrau zu Hause. Der Sohn Jiří Růta wurde am Gymnasium Prag-Liben eingeschrieben. In die gleiche Schule ging auch der Sohn von Jan Zelenka, Jan Milíč, der im gleichen Haus, ja sogar im gleichen Stockwerk wohnte. Die Zelenkas zogen nach der Annexion der tschechoslowakischen Grenzgebiete nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in einer Unterkunft in der Všehrdová-Straße, die Teil des Tyrš-Hauses war, am 9. Januar 1939 in das Haus.
Ein Silvestergeschenk
In der Nacht vom 27. zum 28. Dezember 1941 wurde bei der Ortschaft Nehvizdy die Operationsgruppe Anthropoid abgesetzt. Die Fallschirmspringer Jan Kubiš und Josef Gabčík gelangten dank hilfsbereiter Unterstützer und einer Kontaktadresse nach Plzen (Pilsen) zu dem Polizeiinspektor Václav Král. Die Fallschirmspringer baten ihn auch um eine sichere Verbindung nach Praha. Dazu zog er seinen Kollegen, den Bezirksinspektor Jan Bejbl zur Hilfe hinzu. Dieser erinnerte sich, dass er während seines Aufenthalts in Bratislava (Pressburg) den Postbeamten Václav Růta kennengelernt hatte und gab den Fallschirmspringern von Anthropoid dessen Adresse.
„Sie kamen am Vormittag des 31.12.1941 zu ihm. Als sie später mit einer in die Sache eingeweihten tschechischen Frau über die Attentäter sprachen, verwendeten sie in ihrer Rede oft den Deckausdruck 'Silvestergeschenk'. Růta nahm beide Agenten ohne jedwedes Zögern auf. Obwohl seine Wohnung nur aus zwei Räumen bestand, versteckte er sie bis zum 5. Jänner 1942.“. Dann erschien unerwartet ihr Nachbar Jan Zelenka-Hajský in der Wohnung der Růtas, um bei Václav Růta „einen Satz Briefmarken zu bestellen“. Ab diesem Datum gelangten beide Fallschirmspringer in die Betreuung der Widerstandsorganisation Sokol, deren Mitglied Jan Zelenka-Hajský war.
Verhaftung
Am 27. Mai 1942 wurde ein Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor R. Heydrich ausgeführt. Nach einer großen Polizeiaktion, die von Polizeieinheiten in der Nacht vom 27. zum 28. Mai organisiert wurde, jedoch kein Ergebnis brachte, wurde es in der Biskupcová-Straße wieder ruhig. Alle Fallschirmspringer waren nämlich seit dem 1. Juni in der Krypta der Kirche St. Kyrill und Method konzentriert. Die erdrückende Spannung, bei der niemand wusste, wie es ausgeht, wurde am 17. Juni durch die Entsendung eines Festnahmekommandos der Prager Gestapo in die Wohnung des Ehepaares Moravec in der Biskupcova-Straße 1745/7 beendet.
Am Vormittag des Vortages meldete sich nämlich im Hauptbüro der Staatspolizei in Praha ein Mitglied der Besatzung Out Distance, Rottmeister Karel Čurda, unter Hinweis darauf, dass er „eine Zeugenaussage machen möchte" und bat um Vorlage der am Attentatsort gefundenen Aktenmappe, da er vermutete, dass er deren Eigentümer kennen würde und entsprechende Informationen über diesen liefern könnte. Čurda sagte aus, dass diese Aktenmappe einem gewissen Josef Gabčík gehören würde - und erklärte ferner, dass Gabčík ebenso ein Fallschirmspringer-Agent sei. Bei einem weiteren Verhör gelang es, mit Čurda eine nähere Beziehung aufzubauen, wobei er dann mehrere Verstecke tschechischer Fallschirmspringer-Agenten in Praha, Lázne Bělohrad (Bad Bielohrad), Pardubice (Pardubitz) und Plzen (Pilsen) verriet. In der Nacht wurde auf Grundlage der Aussage von Karel Čurda vom Kommissar Heinz Pannwitz ein Festnahmekommando in die Wohnung der Familie Moravec in der Biskupcova-Straße 1745/7 geschickt. In der Wohnung trafen sie nur Marie Moravcová und ihren Ehemann Alois an. Ein unbeobachteter Augenblick reichte Marie Moravcová, eine Kapsel mit Cyankali zu schlucken, sie starb an Ort und Stelle. Verhaftet wurde somit nur ihr Ehemann. Ihr Sohn Vlastimil, genannt Ata, der sich zufällig bei Verwandten in Pisek befand, wurde durch ein fingiertes Telegramm, dass seine Mutter schwer erkrankt sei, zur Rückreise nach Praha veranlasst. Nach seiner Ankunft, die wahrscheinlich in den Nachmittagsstunden des 17. Juni erfolgte, wurde er festgenommen und einem brutalen Verhör unterzogen. Inzwischen begann die Gestapo damit, nach den Aussagen der Festgenommenen das ganze Mosaik der Widerstandsgruppe Sokol zusammenzusetzen. Heute lässt sich nicht mehr genau ermitteln, wie die Gestapo auf die Spur der Familie Zelenka kam, es kann nur festgestellt werden, dass um die Mittagszeit erneut einige Einsatzfahrzeuge das Petschek-Palais verließen, deren Besatzungen in Prag-Žižkov in der Biskupcova-Straße im Haus 1837/4 im ersten Stock in die Wohnung von Jan Zelenka-Hajský eindrangen. Sofort begann eine Schießerei. Es gelang Zelenka in das Bad zu gelangen, aus dem er dann freiwillig herauskam Er ging jedoch gleich darauf zu Boden und hatte Schaum vor dem Mund – auch er schluckte Zyankali. Von der Gestapo wurde nur seine Ehefrau Františka aus der Wohnung abgeführt. Diese erlitt jedoch infolge dieser Ereignisse einen psychischen Schock und war nicht in der Lage auszusagen.
Das Aufsehen um die Verhaftung der Familie Moravec, später auch der Familie Zelenka, und zwar sogar mit einer Schießerei, musste auch von der Familie Růta bemerkt werden. Es ist sogar bekannt, dass Jiří Růta als erster bei einer Englischstunde dem Sohn der Zelenkas, Jan Milíč, mitteilte, was sich mittags in ihrer Wohnung abgespielt hatte. Danach entschied sich Jan Milíč, nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Er begab sich in den Hus-Hain im Wald von Záběhlice, wo er sich mit Zyankali selbst tötete. Die wichtigen Spuren des Todes von Marie Moravcová, Jan Zelenka-Hajský und Jan Milíč verschwanden dadurch. Die Familie Růta blieb zu Hause. Václav Růta ging zur Arbeit, Jiří zur Schule, auch wenn sein Mitschüler schon den zweiten Tag fehlte.
Die Wohnungen der Familien Moravec und Zelenka wurden von der Gestapo streng überwacht. Während des ersten Tages nach der Verhaftung näherte sich die Schwester Karolina Králová mit ihrer Tochter Ludmila der Wohnung der Familie Moravec. Verhaftet wurden alle beide. Ludmila wurde wegen ihres Alters entlassen, aber Frau Králova wurde weiter von der Gestapo festgehalten. Nachmittags nach der Arbeit begab sich auch der Sohn, Karel Král, zur Wohnung der Familie Moravec. Dieser machte glücklicherweise vor dem Betreten des Hauses, in dem die Familie Moravec wohnte, in dem im Haus befindlichen Restaurant halt. Von dort sah er, wie der Sarg von Marie Moravcová hinausgetragen wurde und erfuhr vom Selbstmord Jan Zelenka-Hajskýs. Am Tag nach der Verhaftung Zelenkas ging ein weiteres Opfer in die Falle. Eine der engsten Mitarbeiterinnen Zelenkas, Anna Šrámková. Sie bemühte sich auch herauszufinden, was mit Zelenka geschehen war, und fasste daher den Mut und kam bis zur Wohnung der Zelenkas. Nach dem Betreten der Wohnung wurde sie verhaftet.
Die Gestapo hatte wahrscheinlich aus den Verhören von Bejbl, Král oder Ata Moravec, die von der Tätigkeit der Růtas im Widerstand wussten, von den Růtas erfahren. Daher wurde am 19. Juni der Einsatz der Gestapo in der Biskupcova-Straße mit der Verhaftung von Václav Růta, seiner Ehefrau Marie und ihres Sohns Jiří abgeschlossen.
Verhöre
Es ist klar, dass auch die Růtas brutalen Verhören ausgesetzt wurden. Bestimmt hatten diese jedoch nicht mehr eine solche Intensität, wie in der Zeit, als die Gestapo intensiv nach den versteckten Fallschirmspringern fahndete. Václav Růta wurden, als einen ihrer ersten Gastgeber, die konservierten Köpfe von Jan Kubiš und Josef Gabčík zur Identifizierung vorgelegt. „Václav Růta, Gastgeber von Strnad und Vyskočil vom 31. Dezember 1941 bis 05. Jänner 1942. Er erkannte an beiden Köpfen der Leichen Nummer 3 und 6 die Personen wieder, die bei ihm gewesen waren.“
Terezin (Theresienstadt)
Von dem Aufenthalt in Terezin (Theresienstadt) der Familie Růta berichtet nur eine Korrespondenz-Postkarte, die Marie Růtová aus der Zelle Nr. 20 am 13. September 1942 an ihren Bruder Josef Raus nach Tišnov (Tischnowitz) schickte. Die Karte mit sorgfältig definiertem Inhalt und einem Umfang von sechs Zeilen informierte den Bruder darüber, dass Marie gesund sei und um die Zusendung von „Wäsche, praktischer Bekleidung, Seife, Toilettenpapier, 50 Kronen, Vitaminen, einem Kamm und einem Bademantel bitte.“ Die Karte führte zu großem Aufsehen in der gesamten Verwandtschaft in Tišnov (Tischnowitz). Sie machten sich sofort daran, die verlangten Sachen zu beschaffen. „Letztendlich beschafften wir sowohl Seife, Kleidung als auch einen warmen Bademantel. Das Paket kam jedoch an die Adresse in der Žerotínova-Straße, wo der Onkel Joško wohnte, zurück“.
Am 29. September 1942 trug bei einer Sitzung des Standgerichts im Petschek-Palais, Hans Ulrich Geschke die Todesurteile für 252 Unterstützer der Fallschirmspringer, die das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor R. Heydrich ausgeführt hatten, vor. Unter ihnen waren auch Marie Růtová, Václav und Jiří Růta.
Alle drei wurden dann am 24. Oktober 1942 im Bunker des Konzentrationslagers Mauthausen hingerichtet. Marie Růtová um 10 Uhr 36 Minuten, Václav Růta um 16:16 Uhr. Zwei Minuten nach seinem Vater wurde an der Messvorrichtung auch der Sohn Jiří ebenso wie seine Eltern durch einen Schuss in den Hinterkopf hingerichtet.
Schluss
Die Růtas wurden, auch wenn sie zu den ersten Menschen gehörten, die den Fallschirmspringern der Anthropoid-Besatzung ein Versteck boten, nur dadurch bekannt, dass sie in der Neujahrswoche des Monats Jänner 1942 den angekommenen Fallschirmspringern eine Unterkunft in ihrer Wohnung zur Verfügung stellten. Das war für sie eine verhängnisvolle Unterbringung, sie half jedoch beim guten Verlauf des gesamten Einsatzes. Für die Fallschirmspringer war das ein gutes Umfeld, das ihnen in den ersten Januartagen die Zeit gab, die Einsatzgegenstände von der Absprungstelle einzusammeln und vor allem mit Hilfe der Růtas in das Zentrum der Widerstandsorganisation Sokol zu gelangen. Ein weiteres Verdienst der Familie Růta beruht darauf, dass es ihnen trotz des großen Drucks der Besatzungsmacht, hauptsächlich nach Durchführung des Attentats, gelang, fünfeinhalb Monate lang nichts zu verraten und sogar auch nach der ersten Verhaftung in der Biskupcova-Straße nicht in Panik zu geraten und an ihrem Platz auszuhalten.
Vlastislav Janík
Position im Raum

