Vlastimil Moravec 1921 - 1942
Geboren 17.3.1921 in Čerčany
Gestorben 24.10.1942 in Mauthausen
Biografie
Die Geschichte der Familie Moravec
Die Geschichte der Familie Moravec ist ein Beispiel für Opferbereitschaft, Liebe und Einsatz bis zum Äußersten für die Befreiung unserer Heimat, die in der Geschichte des nationalen Widerstands gegen die deutschen Okkupanten ihresgleichen sucht. Die Familie Moravec war in die Unterstützung der Fallschirmspringer unmittelbar nach deren Ankunft in Prag eingebunden. Im Laufe der Zeit wurde ihre Wohnung zu einer Art Annahmeschalter, ähnlich dem, den Alfred Bartoš von der Gruppe SILVER A in Lázně Bělohrad bei dem Buchhändler Jan Vojtíšek eingerichtet hatte. Die Wohnung der Eheleute Moravec durchliefen so die Fallschirmspringer Josef Valčík, Karel Čurda, Jaroslav Švarc und Josef Bublík.
Marie Moravcová, geborene Krčilová, wurde am 24. August 1898 in Prag-Žižkov als Kind von Eduard und Marie Krčilová geboren. Sie hatte zwei Geschwister – die zwei Jahre jüngere Karolína, die mit František Král verheiratet war und die ältere Schwester Ludmila, die mit Karl Sládeček, einem Mineralölhändler, verheiratet war. Im Jahre 1918 heiratete Marie Alois Moravec, der am 25. Januar 1887 in Ratboř im Bezirk Kolín geboren wurde und als Oberinspektor bei der Tschechoslowakischen Staatsbahn angestellt war. Am 3. September 1918 wurde den Eheleuten ihr Sohn Miroslav geboren. Nach dem Besuch der Grundschule begann er als Kfz-Mechaniker in den Flugzeugwerkstätten in Čakovice zu arbeiten. Der zweite Sohn Vlastimil wurde den Moravec am 17. März 1921 in Čerčany geboren. Er studierte an der Handelsakademie und trat eine Anstellung als Organisationsbeamter im Buchverlag Topič an. Nach Gründung der Tschechoslowakei meldete sich die Familie bei der Tschechoslowakischen Kirche an. Im Jahre 1931 zog die Familie Moravec von der Jarová ulice in Prag-Žižkov in die zweite Etage des Hauses Nr. 1751/7 in der Biskupcová ulice in Prag-Žižkov, das ihrem Schwager Sládeček gehörte.
Zum ersten Mal wurde die Familie Moravec am Übergang der 30er in die 40er Jahre zum Monatswechsel September/Oktober 1938 von den dramatischen Ereignissen getroffen. Damals beteiligte sich Marie Moravcová als Mitglied der Freiwilligen Schwestern des Tschechoslowakischen Roten Kreuzes an der Hilfe für die aus dem tschechoslowakischen Grenzgebiet (Sudetenland) vertriebenen tschechoslowakischen Staatsbürger. Nach der Okkupation des restlichen Teils Tschechiens ging ihr Sohn Miroslav ins Ausland. In Frankreich trat er in die in Gründung befindliche tschechoslowakische Armee ein. Als Mitglied des Fliegerverbands der Tschechoslowakischen Republik wurde er nach der Niederlage dem 310. tschechoslowakischen Jagdgeschwader zugeteilt. Mit diesem führte er im Jahre 1944 Unterstützungsoperationen bei der Landung der Alliierten am Strand SWORD in der Normandie durch. Während dieser Aktion kam er am 7. Juni ums Leben, als er mit seinem beschädigten Flugzeug abstürzte.
Einen nicht geringeren Kampf focht auch seine Familie im sog. Protektorat aus. Zusammen mit weiteren Mitgliedern der Freiwilligen Schwestern des Tschechoslowakischen Roten Kreuzes, Anna Šrámková und Terezie Kaliberová, beteiligten sich die Moravec an der Unterstützung der im Protektorat gelandeten Fallschirmspringer. Die Fallschirmspringer fanden bei Frau Moravec immer einen sicheren und netten Unterschlupf und es ist kein Wunder, dass sie Frau Moravec Mama nannten. Der Fallschirmspringer Josef Valčík von der Besatzung SILVER A nutzte ihre Wohnung nach seiner Dekonspiration in Pardubice wahrscheinglich am meisten. Er hielt sich seit Anfang April bei den Moravec auf, wohin er mit seinem Hund kam.
Auch der Sohn Vlastik wurde nach und nach einer der wichtigsten Mitarbeiter der Fallschirmspringer aus den Gruppen ANTHROPOID, SILVER A und OUT DISTANCE. Er diente ihnen als Verbindungsmann und Begleiter. Er wurde direkter Beteiligter der Operation CANONBURY, d. h. der Anlage von Signalfeuern für den Anflug britischer Bomberverbände auf die Škoda-Werke in Plzen. Zusammen mit dem Mitglied der Fallschirmspringergruppe SILVER A Josef Valčík versuchte er im April 1942 das Operationsmaterial der Gruppe STEEL zu holen, das von dem Fallschirmspringer Oldřich Dvořák am Absprungort in einem Feld in der Nähe des Gutshofs Požáry in der Nähe von Křivoklát zurückgelassen wurde. Der Ort wurde von Gendarmen bewacht und einer der Gendarmen warnte Vlastimil Moravec und Josef Valčík rechtzeitig. Vlastimil Moravec gewann als Mitarbeiter und Verstecker der Fallschirmspringer seine Verlobte Věra Löblová, ihre Mutter Irena Löblová und ihren Bruder Miroslav Löbl, die dann dem Fallschirmspringer Josef Valčík die Wohnung zur Verfügung stellten, als Mitarbeiter. Vlastimil Moravec besorgte von seiner Bekannten Lidia Bondyová für Josef Gabčík ein Fahrrad und gab ihm dieses am 26. April 1942. Josef Gabčík gelangte dann am 27. Mai 1942 mit dem Fahrrad zum Angriffsort auf Heydrich. Vlastimil Moravec nahm auch unmittelbar an den Vorbereitungen zum Angriff auf Heydrich teil, wahrscheinlich auch an der Auskundschaftung der Fahrtroute Heydrichs von Panenské Břežany nach Prag.
Nach dem Angriff auf den stellvertretenden Reichsprotektor konnten die deutschen Sicherheitsorgane nicht auf die Spur der Fallschirmspringer kommen. Erst eine verkündete Amnestie brachte ein Ergebnis. Am Vormittag des 16. Juni 1942 meldete sich in der Gestapozentrale in Prag das Mitglied der Besatzung Out Distance Feldwebel Karel Čurda unter Hinweis darauf, dass er „eine Zeugenaussage machen möchte und verlangte die Vorlage der am Ort des Attentats gefundenen Aktentasche, da er vermutete, deren Besitzer zu kennen und über diesen entsprechende Angaben machen könne. Čurda sagte aus, dass diese Aktentasche einem gewissen Josef Gabčík gehören würde – und erklärte ferner, dass Gabčík ebenso ein Fallschirmspringer-Agent sei. Bei einem weiteren aufmerksamen Verhör gelang es, mit Čurda eine engere Beziehung zu knüpfen, wobei er dann mehrere Verstecke tschechischer Fallschirmspringer-Agenten in Prag, Lázne Bělohrad, Pardubice und Plzen verriet.
Am 17. Juni nach Mitternacht schickte Kommissar Heinz Pannwitz auf der Grundlage der Aussage von Karel Čurda ein Festnahmekommando in die Wohnung der Familie Moravec. Dort trafen sie nur Marie Moravcová und ihren Ehemann Alois an. Ein unbeobachteter Augenblick reichte Marie Moravcová, um eine Kapsel mit Zyankali zu schlucken. Sie starb an Ort und Stelle. Verhaftet wurde somit nur ihr Ehemann. Ihr Sohn Vlastimil, der sich zufällig bei Verwandten in Pisek befand, wurde durch ein fingiertes Telegramm, dass seine Mutter schwer erkrankt sei, zur Rückreise nach Prag veranlasst. Bei seiner Ankunft, die wahrscheinlich in den Nachmittagsstunden des 17. Juni erfolgte, wurde er auf dem Bahnhof verhaftet und einem brutalen Verhör unterzogen.
Die Wohnung der Familie Moravec wurde von der Gestapo streng überwacht. Während des ersten Tages nach der Verhaftung näherte sich die Schwester Karolina Králová mit ihrer Tochter Ludmila der Wohnung der Familie Moravec. Beide wurden verhaftet. Ludmila wurde wegen ihres geringen Alters entlassen, Frau Králova aber wurde von der Gestapo weiter festgehalten. Nachmittags nach der Arbeit begab sich auch der Sohn Karel zur Wohnung der Familie Moravec. Dieser machte glücklicherweise vor dem Betreten des Hauses in dem im Wohnhaus der Moravec befindlichen Restaurant halt. Von dort sah er, wie der Sarg von Marie Moravcová hinausgetragen wurde und erfuhr vom Selbstmord Jan Zelenka-Hajskýs, der im gegenüberliegenden Haus wohnte.
Inzwischen hatte die Gestapo bei den Verhören von Vlastik Moravec und Hana Krupková ermittelt, wo sich das Versteck der Fallschirmspringer befand. Am frühen Morgen des 18. Juni entbrannte so die letzte Schlacht, die in der Resslova ulice stattfand. Sie dauerte sieben Stunden und wurde von sieben tapferen Fallschirmspringern gegen eine hundertfache Übermacht geführt. Für Vlastík Moravce bedeutete das nur eins – in den Nachmittagsstunden die toten Körper der Fallschirmspringer zu identifizieren, die an die Straßenecke der Straßen Resslova und Václavská ulice herausgetragen wurden.
Vier Monate nach diesen Ereignissen verließ ein Transport mit mehr als 400 Menschen die Kleine Festung Terezín in Richtung des Konzentrationslagers Mauthausen. Zu diesen Menschen gehörten auch 262 Männer, Frauen und Kinder, die die Fallschirmspringer unterstützt hatten.
Diese wurden am 24. Oktober 1942 in Abständen von zwei Minuten im sog. Erschießungsraum in Mauthausen ermordet. Alois Moravec wurde um 15:08 Uhr ermordet. Zwei Minuten nach ihm sein Sohn Vlastik. Auch die Schwester von Marie Moravcová, Karolina Králová, entging dem traurigen Schicksal nicht. Wegen der Unterstützung der Fallschirmspringer wurde sie um 10:06 Uhr in Mauthausen ermordet, ihr Mann Franntišek Král um 15:52 Uhr. Ihre Tochter Ludmila und ihr Sohn Karel überlebten den Krieg und erlebten die Befreiung.
Vlastislav Janík, Forscher, Delegierter des Mauthausen-Komitees in Tschechien