Paul Reinhardt 1879 - 1943
Geboren 13.1.1879 in Heuberg
Gestorben 13.1.1943 in Mauthausen
Biografie
Paul Reinhardt war der Sohn von Klara Pauline Babette Schneck, geboren am 10. Jänner 1852 in Neuhengstett im Oberamt Calw, und von Otto (auch: „Odon“) Michael Reinhardt, geboren am 9. April 1852 in Anzelingen im Kreis Bolchen in Lothringen in Frankreich. Er wurde am 13. Jänner 1879 beim Standesamt Pfedelbach im Oberamt Öhringen in Nordostwürttemberg in das Geburtenregister eingetragen.
Paul Reinhardt wurde 1905 erwähnt im „Zigeuner-Buch“ von Alfred Dillmann aus der Münchner Polizeidirektion, als Sohn des „Zigeuners“ und Steinschlägers Odon Michael Reinhardt.
Am 27. November 1926 heirateten Paul Reinhardt und Christiane Reinhardt, geborene Guttenberger, in Pfedelbach. Christiane war am 2. Juni 1894 in Möhringen, jetzt bei Stuttgart, geboren worden. Sie war eine verwitwete Terber, ihr erster Mann war als Soldat 1916 in Österreich gefallen.
Paul Reinhardt und seine Familie wurden am 14. Juni 1937 von der Gendarmerie-Nebenstelle Adelmannsfelden der Gendarmerie-Abteilung Aalen bzw. vom Gendarmeriekommandeur dort an die Kriminalpolizeileitstelle Stuttgart gemeldet, und zwar auf die Aufforderung hin, „jenische Sippen“ zu melden. Zum Zeitpunkt der Meldung hatte das Ehepaar acht Kinder: fünf Töchter und drei Söhne. Es waren dies: Pauline (geb. 21. April 1921 in Bühlerzell), Paul (geb. 21. April 1922 in Laufen am Kocher), Pateritzka Hedwig Anna (geb. 7. Juli 1925 in Stein am Kocher), Robert (geb. 17. September 1926 in Schwäbisch Gmünd), Marie (geb. 7. August 1928 in Unterrot), Andreas (geb. 16. August 1929 in Kochertürn), Ottilie Johanna (geb. 16. Dezember 1930 in Rauenberg) und Klara (geb. 11. August 1933 in Röhlingen).
Im Dezember 1942 wurde der Vater Paul Reinhardt in das Konzentrationslager Mauthausen verschleppt. Er wurde als „SV“-Häftling verzeichnet, d. h. mit der Kategorie „Sicherungsverwahrung“ erfasst. Seine Häftlingsnummer war 19292. Nach den Feststellungen des Internationalen Suchdienstes wurde diese Häftlingsnummer um den 19. Dezember 1942 ausgegeben. Paul Reinhardt starb nach knapp vier Wochen im Lager am 13. Jänner 1943, laut den Lagerakten um 7:05 Uhr an „Altersschwäche“. Offenbar starb er an seinem 64. Geburtstag. Das Sonderstandesamt Bad Arolsen hat ihn 1952 in der Abteilung Mauthausen unter Nr. 4.394 als gestorben beurkundet.
Die Ehefrau Christiane wurde in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt. Sie starb am 5. März 1943 um 8:20 Uhr „in der Kasernenstraße“ in Auschwitz. Die Häftlingsunterlagen verzeichnen sie „ohne festen Wohnsitz“. Das Sonderstandesamt Bad Arolsen hat sie 1991 in der Abteilung Auschwitz unter der Nr. 1.305 als gestorben beurkundet.
Auch die Kinder von Paul und Christiane Reinhardt wurden, außer Marie, nach Auschwitz deportiert und starben dort oder wurden ermordet. Ihr Schicksal bis zum Kriegsende konnte bisher leider nicht ermittelt werden. Marie hat laut einer Mitteilung von Frau Michelle Crawford aus den USA die Verfolgung ihrer Familie überlebt. Nach Kriegsende heiratete sie den US-amerikanischen Soldaten Lucius Pickett und folgte ihm in die USA. Inzwischen ist sie dort verstorben. Sie wurde kremiert und ihre Asche im Pazifischen Ozean bestattet. Es ist nicht bekannt, ob sie Kinder hatte.
Das Schicksal von Paul Reinhardts Tochter Pateritzka ist noch ungeklärt, sie war zuletzt im September 1944 im Außenkommando Altenburg des Konzentrationslagers Buchenwald inhaftiert.
Udo Grausam
Udo Grausam, geb. 1967 in Öhringen in Baden-Württemberg, wohnt in Tübingen. Studium der Allgemeinen Rhetorik, Neueren deutschen Literatur und Empirischen Kulturwissenschaft an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen; veröffentlichte u. a. über die NS-Verfolgung der Sinti und Jenischen in Hohenlohe und gehört der Vereinigung „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ in Berlin an.
Quellen:
Bundesarchiv Berlin (BArch), R 165/6 5451; R 165/112, Bl. 7 Rückseite.
Internationaler Suchdienst (ITS) Bad Arolsen, Auskunft vom 12.7.2010.
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Auskunft über Patritzka Reinhardt vom 17.6.2010.
Sonderstandesamt Bad Arolsen, Auskunft vom 22.6.2010.
Standesamt der Stadt Gaildorf, Auskunft über Marie Reinhardt vom 28.7.2010.
Standesamt der Stadt Schwäbisch Gmünd, Auskunft vom 18.6.2015, per E-Mail.
Internet-Datenbank „auschwitz.org/en/museum/auschwitz-prisoners/“ (Zugriff am 10.6.2015).
Ständige Ausstellung im Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg, Tafeltext über Pauline Reinhardt und ihre Tochter Rita, Stand Sommer 2014.
Internet-Datenbank der Initiative Gedenkweg Buchenwaldbahn und des Projekts Gedenksteine Buchenwaldbahn (http://gedenksteine-buchenwaldbahn.de, Zugriff am 29.6.2015) über Andreas Reinhardt. Bearbeiterin: Chloé, Internationaler Bauorden, 2010.
Literatur:
Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939–1945 (Reinbek bei Hamburg 1989).
„Zigeuner-Buch“, herausgegeben zum amtlichen Gebrauch im Auftrage des K[öniglich] B[ayerischen] Staatsministeriums des Innern vom Sicherheitsbureau der K[öniglichen] Polizeidirektion München. Bearbeitet von Alfred Dillmann (München 1905), S. 203f.
Michail Krausnick: Auf Wiedersehen im Himmel. Die Geschichte der Angela Reinhardt (Würzburg 2009), S. 163 und S. 169.
Johannes Meister: Schicksale der „Zigeunerkinder“ aus der St. Josefspflege in Mulfingen. In: Württembergisch-Franken. Jahrbuch des Historischen Vereins für Württembergisch-Franken. (Schwäbisch Hall 1984) Band 68 (=N.F. 58), S. 197–229.
Auskünfte von Frau Michelle Crawford [damals: Fort Polk, Bundesstaat Louisiana], USA vom November 2014, in mehreren Telefongesprächen, Notizen beim Verfasser, bzw. vom 29.6.2015 per E-Mail.
Position im Raum

