Geboren 2.8.1893 in Innsbruck Gestorben 19.2.1940 in Mauthausen
Biografie
Alois Lechner wird am 2. August 1893 in Innsbruck geboren. Sein Vater Josef Lechner ist Schustermeister, seine Mutter Christiane trägt den Mädchennamen Baldauf. Der junge Alois Lechner beginnt eine Schlosserlehre und wird am 28. Juli 1914 – dem Tag der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien – zur Grundausbildung eingezogen. Er zieht mit dem 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger in den Krieg und erhält für seinen Einsatz eine bronzene Tapferkeitsmedaille. Im Mai 1915 erleidet er einen Durchschuss des rechten Fußes. Ab September 1915 bis Mai 1917 arbeitet er daher unter dem Kriegsdienstleistungsgesetz in der Munitionsfabrik „Poldihütte“ in Kladno bei Prag als Schlosser. Im Mai 1917 rückt er wieder ein und gerät im November 1918 – nach Kriegsende – in italienische Kriegsgefangenschaft.
Am 17. Juni 1919 ist Alois Lechner aus der Gefangenschaft nach Innsbruck zurückgekehrt und wird offiziell aus der Armee entlassen. Im Herbst desselben Jahres tritt er in die Finanzwache ein. 1920 heiratet er Anna Thaler, 1921, 1922 und 1924 kommen drei Söhne zur Welt. Im Februar 1921 wird Alois Lechner in die Sicherheitswache der Stadt Innsbruck übernommen und beginnt damit seine Polizeikarriere. 1935 wird ihm die Große Silberne Verdienstmedaille verliehen. 1937 wird er vom Revierinspektor zum Bezirksinspektor befördert, er bekleidet nun die Funktion des Postenkommandanten im Bezirk Innsbruck Innere Stadt/Rathaus. In dieser Funktion ist er auch mit der Terrorbekämpfung befasst. Er führt Verhöre an Straftätern durch, die Anhänger der – in Österreich illegalen – NSDAP sind.
Am 12. März 1938, dem Tag des Einmarsches deutscher Truppen in Österreich, wird Alois Lechner in seiner Dienststelle festgenommen und in das Polizeigefangenenhaus Innsbruck „Die Sonne“ gebracht. Über ihn wird sogenannte „Schutzhaft“ verhängt. Am 31. Mai 1938 wird er weiter nach Deutschland transportiert und im KZ Dachau interniert. Zahlreiche Gnadengesuche werden abgelehnt. Am 28. September 1939 wird er in das KZ Mauthausen verlegt, wo er am 19. Februar 1940 erschlagen wird. Der Tod als Folge von schweren Misshandlungen ist aktenkundig, der genaue Tathergang nicht belegbar. Nach mündlicher Überlieferung in der Familie wies der Leichnam, der in der Feuerhalle der Stadt Steyr aufgebahrt war, am gesamten Körper Hämatome auf. In den Nachkriegsprozessen soll folgender Tathergang beschrieben worden sein: Alois Lechner wurde auf eine Krankenpritsche gefesselt mit Gewehrkolben zu Tode geprügelt. Anscheinend soll es sich dabei um die Nachinszenierung einer Verhörmethode handeln, die von der Innsbrucker Polizei angewandt wurde.
In Dachau erhält Alois Lechner die Häftlingsnummer 14342, in Mauthausen die Nummer 14352.
Für die Angehörigen hat die Verschleppung und Ermordung Alois Lechners dramatische Auswirkungen. Seine Ehefrau Anna verliert mit dem „Anschluss“ alle Bezüge. Einer ihrer Söhne wird im Sommer 1938 von der Gestapo festgenommen. Er hat sich gegenüber seiner Lehrherrin abfällig über die Hitlerjugend geäußert. Bis auf ein paar wenige, kurze Fronturlaube wird ihn seine Mutter kaum noch sehen. Mit Kriegsbeginn verschlechtert sich die ökonomische Lage Anna Lechners weiter. 1941 wird ein vierter, unehelicher Sohn geboren. Anna weicht auf das Innsbrucker Umland aus, um sich als Störschneiderin bei verschiedenen Bauernfamilien durchzuschlagen. Ihr wird vorgeworfen, durch die vielen Arbeitsstunden ihr Kind zu vernachlässigen. Es erfolgt eine Anzeige der NSDAP-Kreisparteileitung Innsbruck beim Jugendamt. Ihr droht die Kindeswegnahme. 1943, mit dem Einmarsch von NS-Truppen in Italien, ist auch ihre Zwillingsschwester bedroht, die in einem Südtiroler Heim untergebracht ist. Anna findet für die schwere Epileptikerin einen Platz in einer kirchlichen Einrichtung in Vorarlberg und rettet sie so vor der potentiellen Euthanasie. Doch die schlimmste Auswirkung des NS-„Anschlusses“ ist für Anna Lechner die Anfeindung im Umfeld ihrer Innsbrucker Wohnung. Bekannte und Nachbarn beschimpfen die unpolitische Hausfrau als „Volksfeindin“ und „Kzler-Hure“. Von den acht Greißlern des Viertels kann sie am Ende nur noch bei einem einkaufen. Die bedrückende Stimmung ist im Buch In Quest for Life – Ave Pax von Lorraine Justman-Wisnicki geschildert. Mit falschen Papieren als polnische Fremdarbeiterin getarnt, entgeht die Jüdin der Vernichtung. Gemeinsam mit ihrem Vater lebte „Lotte“ einige Zeit als Untermieterin in Anna Lechners Innsbrucker Wohnung. Durch Annas Vermittlung konnte sie wichtige Kontakte knüpfen, die ihr 1945 nach einem Gefängnisausbruch das Leben retten sollten.
Nach der Befreiung erstreitet Anna Lechner mit Hilfe des „Bundes der Opfer nationalsozialistischer Unterdrückung in Tirol“ eine Unterstützung nach dem Opferfürsorgegesetz. Dennoch bleibt die finanzielle Lage der Familie prekär. Sieben lange Jahre haben alle finanziellen Reserven aufgebraucht. Das Wochenendhaus der Großfamilie, das als Fluchtort diente, muss verkauft werden. In den 1950er-Jahren bekommt sie eine Nachzahlung der ihr in der NS-Zeit vorenthaltenen Rentenzahlungen, kurz darauf verstirbt sie.
Thomas Thaler, Enkel der Ehegattin
Alois Lechner was born on 2 August 1893 in Innsbruck. His father Josef Lechner was a master cobbler, his mother Christiane’s maiden name was Baldauf.
The young Alois Lechner began an apprenticeship as a cobbler on 28 July 1914 – the day Austria-Hungary declared war on Serbia. He went to war with the 2nd regiment of the Tiroler Kaiserjäger (Imperial Tyrolean Rifle Regiment) and received a bronze medal for his bravery in combat. He was wounded by a shot through his right foot in May 1915 and was then assigned work in accordance with the War Services Act. In this capacity, he worked from September 1915 to May 1917as a mechanic at, the munitions factory “Poldihütte” in Kladno by Prague, amongst other things. He re-joined the army in May 1916 and became an Italian prisoner of war in November 1918, after the war had ended.
Alois Lechner was released from his imprisonment on 17 June 1919 and returned to Innsbruck, where he was also officially discharged from the army. He joined the Austrian Finanzwache (a type of customs and excise authority) in autumn of that year. He married Anna Thaler in 1920. They had three sons in 1921, 1922 and 1924.
Alois Lechner joined the security authorities of the City of Innsbruck in February 1921 and there began his police career. He was awarded the Silver Service Medal in 1935. He was promoted from local to district inspector in 1937 and there held the position of post commandant in the Innsbruck district Inner City/City Hall. One of his main tasks in this position was fighting terrorism. He interrogated terrorists who were supporters of the NSDAP, which was illegal in Austria at this time.
On 12 March 1938, the day on which German troops entered Austria, Alois Lechner was arrested at his place of work and brought to the Innsbruck police jail “Die Sonne” (The Sun) and from there was taken into “protective custody”. On 31 May 1938 he was transported to Germany and interned in the concentration camp Dachau. Various appeals for clemency were refused.
On 28 September 1939 he was moved to the Mauthausen concentration camp, where he was beaten to death on 19 February 1940. Records show that he died as a result of serious mistreatment, but the exact circumstances were at first unknown. According to the verbal reports made by his family, his body, which lay in state at the fire brigade hall in the city of Steyr, was bruised all over. In the trial after the war, the exact course of events was established: Alois Lechner was strapped to a stretcher and beaten to death with rifle butts. This apparently was a re-enactment of an interrogation method used by the Innsbruck police before the “Anschluss”.
Alois Lechner had the prisoner number 14342 in Dachau and 14352 in Mauthausen.
For Alois Lechner’s relatives, his deportation and murder had dramatic consequences. His wife Anna lost all financial benefits after the “Anschluss”. One of her sons was arrested by the Gestapo in summer 1938. He had spoken disrespectfully about the “Hitler youth” to his employer. His mother barely saw him again apart from a few short spells of leave from the front.
Anna Lechner’s position became even more difficult after the war had begun. She had a fourth, illegitimate son in 1941. Anna then left Innsbruck and worked in the surrounding countryside as a travelling tailor for various farming families. Due to the number of hours she worked, she was accused of neglecting her children. This led to the NSDAP district committee for Innsbruck filing charges against her at the youth welfare office, who then threatened to take her children away from her.
In 1943, NS troops marched into Italy. This also threatened her twin sister, who suffered from severe epilepsy and lived in a home in South Tyrol. Anna found a place for her in a religious institution in Vorarlberg and thus saved her from potential euthanasia.
But the worst consequence of the Anschluss for Anna Lechner was the hostility she faced from acquaintances and neighbours living near her flat in Innsbruck. This unpolitical housewife was called an “enemy of the people” and a “concentration camp whore”. Out of the eight grocer’s shops in the district, in the end only one would serve her. The oppressive atmosphere is described in the book “Quest for Life – Ave Pax” by Lorraine Justman-Wisnick. Lorraine, who was Jewish, escaped death using false papers which declared her to be a Polish guest worker.
“Lotte” lived together with her father as a sub-tenant in Anna Lechner’s flat in Innsbruck. Anna helped her establish important contacts who would subsequently save her life in 1945 after she escaped from prison.
After liberation, Anna Lechner received support from the “Association of victims of national-socialist oppression in Tyrol”, as provided for by the Victim Welfare Law. But her family were still in a precarious financial situation. The seven long years of the NS regime had used up their financial reserves. The extended family’s weekend house, which had served as a place of refuge, had to be sold. She received back payments in the 1950s for the pension she should have received during the Nazi occupation, but died shortly afterwards.