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Maklouf Dayan Bearbeiten

Geboren 16.8.1917 in Dombasle
Gestorben 1945

Biografie

ONKEL GEORGES …

Am 11. August 1944 fuhr frühmorgens ein Zug vom Bahnhof Lyon ab. Für die tausend Juden an Bord dieses Zuges war es die letzte Reise; einer von ihnen war Dayan Maklouf, der von allen Georges genannt wurde, er war mein Onkel. Und es war der letzte Deportationszug …

Dayan Maklouf wurde am 16. August 1917 in Dombasle geboren. Er war das zweitgeborene Kind meiner Großeltern, Isaac und Aziza. Im Alter von zwölf Jahren trat er eine Lehre bei einem Sattler in Mascara (Algerien) an, er war des Lesens, Schreibens und Rechnens kundig.

Am 28. Mai 1937 verpflichtete sich der nunmehr Zwanzigjährige freiwillig zum Militärdienst bei der französischen Armee, er wurde dem 5e bataillon de Dragons Portés zugewiesen. Er war 1,63 Meter groß und der arabischen Sprache mächtig, was in seinem Soldbuch auch erwähnt wurde. Zunächst wurde er dem DC 14 in Lyon zugeteilt, am 2. November 1939 fand er sich in Angers ein, wo er im C.O.D.P. (Centre d’Organisation des Dragons Portés) in der 3. Einheit (3e escadron F.V.) diente. Anschließend war er Koch in der 1. Einheit im Fort Lamothe in Lyon.

Georges war ein ganz normaler junger Mann, sein Leben in der Kaserne wurde von Ausgeherlaubnissen und Fronturlauben aufgelockert, an denen er gern zu Tanzveranstaltungen ging. Aus naiven Briefentwürfen geht hervor, dass er dort junge Mädchen wie Jeanne und Nadia kennengelernt hat. Was Georges während des Sitzkrieges widerfuhr, ist nicht bekannt, wir wissen nur, dass er am 18. Dezember 1940 nach Hause geschickt wurde. Als die judenfeindlichen Gesetze der Vichy-Regierung verkündet wurden, lebte Georges in Lyon: Am 29. Dezember 1940 war er offiziell als wohnhaft in Lyon Saint-Fons, montée Croze gemeldet. Eine Mitgliedskarte der Légion des combattants bezeugt, dass er versuchte, die Behörden zu täuschen. Es gelang ihm, sich in der Fabrik Saint-Gobin in Saint-Fons einstellen zu lassen. Bereits 1942 unternahmen meine Mutter und sein Bruder Léon von Algerien aus alles in ihrer Möglichkeit Stehende, um die Rückkehr von Georges nach Nordafrika zu ermöglichen. Am 9. April 1942 schickte Léon ihm eine Bescheinigung mit dem Hinweis, dass er für Unterkunft und Lebensunterhalt von Dayan Georges, wohnhaft in Saint-Fons, 51 rue Mathieu Dessurgey , aufkommen würde. Am 8. Juni 1942 teilte Georges dem Präfekten des Departements Rhône schriftlich mit, dass er auf eigene Kosten zu seiner Mutter nach Algerien zurückzukehren wolle. Der Brief wurde mit folgendem Vermerk an den Polizeikommissar von Saint-Fons zu weiterer Veranlassung weitergeleitet:

Dayan Georges ist ordnungsgemäß in den Registern der M.O.N.A. (Main d'Œuvre Nord-Africaine – Nordafrikanische Arbeitskräfte) als algerischer Israelit ohne französische Staatsangehörigkeit eingetragen.

  • Der Rückführungsantrag auf Kosten des Antragstellers fällt in den Zuständigkeitsbereich der Präfektur des Departements Rhône.
  • Die für Nordafrikaner zuständige Dienststelle ... bearbeitet ausschließlich von französischen Staatsangehörigen nordafrikanischer Herkunft gestellten Anträge auf eine Rückführung auf Staatskosten.

Ab Ende 1942 wurde der Alltag spürbar schwieriger. Nachdem ihm am 18. Februar 1943 von der Präfektur des Departements Rhône eine Freizügigkeitsgenehmigung ausgestellt worden war, leistete er einer Vorladung zu einer ärztlichen Untersuchung Folge, die vom Pflichtarbeitsdienst S.T.O. (Service du Travail Obligatoire, am 16. Februar 1943 per Gesetz eingeführt) gefordert wurde.

Er wurde dennoch festgenommen und im Fort du Paillet interniert. Am 28. August 1943 wurde er auf Anordnung des S.T.O. auf freien Fuß gesetzt. Im Mai 1944 wurde Georges infolge eines Arbeitsunfalls (er hatte sich einen Finger verletzt) in ein Krankenhaus eingeliefert, nach der Entlassung nahm er seine Arbeit wieder auf.

Am 1. Jänner 1945 teilte seine Vermieterin, Frau Gentet, meiner Mutter in einem Brief mit, dass ihr Bruder und einer seiner Freunde in einer Straße von Saint-Fos von der Gestapo festgenommen worden waren: „Im Juli fand in Lyon eine schreckliche Hetzjagd auf Juden statt. Ihr Bruder wurde am 20. Juli verhaftet ... ich habe soeben erfahren, dass ein Konvoi Lyon am 14. August verlassen hat und am 31. August in Deutschland angekommen sein soll ... Sein Name steht nicht auf der Liste der Toten, weil viele Juden von den Deutschen vergiftet, andere verbrannt wurden.

Am 18. April 1945 erhielt meine Mutter einen Brief des Informationsdienstes des Heiligen Stuhls, in dem ihr lakonisch mitgeteilt wurde, dass ihr Bruder „beim Verlassen der Fabrik von der Gestapo verhaftet, in das Gefängnis Fort Montluc in Lyon gebracht und dann in Bron erschossen worden war.

Am 23. April 1945 erhielt sie jedoch einen weiteren Brief von Frau Gentet, aus dem hervorging, dass Georges im Zuge des russischen Vormarsches in Polen gesichtet und befreit worden war.

Als sie einen weiteren, am 15. Juni 1945 von einer gewissen Frau Cohen geschriebenen Brief erhielt, schöpfte sie erneut Hoffnung, denn darin hieß es, dass „Georges heimkehren werde, dass ein nach Lyon zurückgekehrter Deportierter ihn zuletzt am 10. April in Österreich gesehen habe, dass das Lager von den Amerikanern befreit worden sei, Georges aber noch zu schwach sei, um die Heimreise anzutreten.

Frau Cohen, die ihre Informationen von zwei Mithäftlingen erhalten hatte, erklärte weiter: Georges soll in der Krankenbaracke von Gusen II liegen, er war am 24. November 1944 von Mauthausen dorthin gebracht worden.“

Das war die letzte Nachricht, die meine Mutter erhielt. Sie stellte zahlreiche Nachforschungen an, am 25. Juni 1946 antwortete das Ministerium für Kriegsveteranen, dass es keine Angaben zu Dayan Makloufs Schicksal machen könne.

Am 22. Oktober 1946 wurde ihr vom französischen Roten Kreuz mitgeteilt, dass Dayan am 20. Juli 1944 auf der Straße verhaftet und am 30. August 1944 nach Deutschland deportiert worden war.

Am 27. November 1946 informierte der Suchdienst meine Mutter, dass ihr Bruder von der Gestapo verhaftet worden war.

Am 25. Februar 1947 erhielt sie die Vermisstenakte Nr. 32012, aus der Folgendes hervorging: „Dayan Maklouf wurde am 10. Juli 1944 verhaftet, im Lager Montluc interniert und von dort nach AUSCHWITZ (POLEN) deportiert. Am 30. Jänner 1945 wurde er nach MAUTHAUSEN (ÖSTERREICH) gebracht, und am 15. März 1945 wurde er nach GUSEN überstellt. Seitdem konnte nichts über ihn in Erfahrung gebracht werden.“

1959 erreichte meine Mutter, dass Georges von den Behörden als „Gestorben für Frankreich“ anerkannt wurde. Damit hatte meine Großmutter Anspruch auf eine bescheidene staatliche Zuwendung. Oma Aziza hatte nie die Wahrheit um den Tod ihres Sohnes erfahren, bis zu ihrem Tod im Jahr 1967 lebte sie in der Hoffnung, ihn wiederzusehen.

 

Ein paar Daten zum besseren Verständnis

3. September 1939: Frankreich und Großbritannien erklärten dem Deutschen Reich den Krieg. 10. Mai 1940: Deutsche Offensive in Frankreich. 22. Juni 1940: Marschall Pétain unterzeichnete den Waffenstillstand mit Deutschland. 3. Oktober 1940: Die Vichy-Regierung verkündet das „Judenstatut“.

Im Juni 1941 erkannte die Vichy-Regierung den Juden in Nordafrika die französische Staatsbürgerschaft ab und erlegte ihnen zahlreiche Einschränkungen auf (Abschaffung des Crémieux-Dekrets).

Juni 1942: Die Juden Frankreichs wurden verpflichtet, den gelben Stern zu tragen.11. November 1942: Das gesamte französische Staatsgebiet wurde von der deutschen Armee besetzt.

6. Juni 1944: Die Alliierten landen in der Normandie. Juli 1944: Judenrazzia in Lyon.

11. August 1944: letzter Deportationskonvoi ab Lyon.15. - 25. August 1944: Befreiung von Paris.

17. Jänner 1945: Evakuierung des Konzentrationslagers Auschwitz – die Häftlinge auf Todesmärsche Richtung Westen geschickt. 8. Mai 1945 Kapitulation Deutschlands Ende des zweiten Weltkrieges.

 

Die Nichte von Maklouf Georges Dayan

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