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Wiktor Hein 1879 - 1940 Bearbeiten

Geboren 21.12.1879 in Sersno / Dzierżno
Gestorben 9.11.1940 in Mauthausen

Biografie

Wiktor Hein wurde am 21. Dezember 1879 in Dzierżno – Czerwionka, Kreis Gleiwitz/ Gliwice, Oberschlesien, geboren. Damals und bis zum Kriegsende 1945, war dieser Teil von Oberschlesien unter deutscher Herrschaft. Carolina Hein, geb. Miozga, die Mutter Wiktors, war schon zumindest ein Jahr vor seiner Geburt Witwe. Ihr Ehemann Karl ist verstorben. Der leibliche Vater von Wiktor ist Kasper (?) Orlinski, ein Pole aus dem Adel. Das wurde von einigen unserer Verwandten bestätigt. Ihren erwachsenen Kindern hat das unsere Mutter Maria Kalisz gesagt. Sie war die älteste Tochter, der Eheleute Maria geb. Wyleżoł, und Wiktor Hein. Maria und Wiktor Hein sind im Römisch-Katholischen Glauben aufgewachsen. Dem Ehepaar wurden acht Töchter, und drei Söhne geboren, auch zwei Zwillinge, die jedoch am Tag der Geburt verstorben sind. Sechs Töchter und zwei Söhne haben geheiratet, zwei Töchter wurden Nonnen – St. Hedwigsschwestern. Sie wohnten in der Stadt Laband - Gurow / Łabędy – Górów im eigenen Haus auf einer kleinen Landwirtschaft. Das Haus steht noch, dort in Łabędy. Maria Hein, die Ehefrau von Wiktor war Hüttenarbeiterin. Wiktor war Aufseher in einem Landgut im Nachbarsdorf. Nach dem 1. Weltkrieg im Jahre 1919, arbeitete er in Gleiwitz im Eisenwarenhandel. Die Tätigkeit war verbunden mit der Beschaffung der Waffen für den Aufstand der Polnischen Schlesier. Wiktor war sozial, sowie auch politisch und kulturell aktiv in einigen polnisch-schlesischen Vereinen. Als Wojciech Korfanty der Anführer der polnisch- schlesischen Aufstände 1919, 1920, 1921, diese vorbereitet und organisiert hat, war Wiktor Hein dabei und hat an diesen Aufständen teilgenommen. Das Ziel der Aufstände: die Befreiung Schlesiens von der Herrschaft der deutschen Preußen und die Autonomie Schlesiens im Staat Polen. Wiktor war 1921 auch aktiver Mitarbeiter in dem ‚Unterkomitee‘ der Volksabstimmung in Gleiwitz / Gliwice, Schlesien. „Er war ein gewissenhafter Mitarbeiter in diesem Unterausschuß.“ Das bestätigen die von Hand geschriebenen Empfehlungsbriefe vom Anführer der Aufstände Wojciech Korfanty, und vom Kommisar der Volksabstimmung/ Plebiszit in Gleiwitz / Gliwice, Feliks Orlicki. Wiktor wurde vom Staatsoberhaupt von Polen zum Oberst befördert. Deswegen konnte er höhere Ämter antreten. Nach dem Plebiszit wurde ein Teil Oberschlesiens / Górny Śląsk Polen zugeteilt und bekam die Autonomie. Vor der Teilung des Königreich Polen, Ende des 18. Jahrhunderts, ist Schlesien über sechs Jahrhunderte ein Teil von Polen gewesen. Weil den Familien der polnischen Aufständischen in dem Teil von Oberschlesien, welcher bei Deutschland verblieb, die Verfolgung von der deutschen Regierung drohte, flüchteten diese Familien in den Polnischen Teil. Auch die Familie Hein verkaufte ihr Anwesen und zog nach Nikolai / Mikołów. Diese Stadt im Landkreis Pszczyna / Pless, Oberschlesien, war im Regierungsbereich der Rzeczypospolita Polen. Dort kauften sie ein Haus mit Garten. Bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, arbeitete Wiktor im Amtsgericht der Kreisstadt Pszczyna, mit Sitz in Mikołów, als Kanzlist und Amtsgeschworener Scheffel. Die Ehefrau Maria, verstarb leider 1934. Wiktor heiratete im Jahr 1937 die Gerichtssekretärin Berta, geb. Gołąbek. Wiktor war ein Gegner der deutschen Nationalsozialisten und der russischen Kommunisten. Auf Kundgebungen warnte er vor diesen höchst gefährlichen Staatsideologien. Deswegen war sein Name unter den 52 Menschen auf der Todesliste. Diese wurde von deutschen Nazis aus Nikolai / Mikołów erstellt. Die Verfasser dieser Liste blieben anonym. Dass er auf der besagten Todesliste steht wussten Wiktor und die anderen. Deswegen versteckt er sich nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges. Zwölf Menschen, alle polnische Staatsbürger von dieser Liste, wurden nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Nikolai festgenommen und erschossen. Wiktor wurde im Mai 1940 verraten und von der Gestapo verhaftet. Mit ihm auch viele andere aus Mikołów. Wiktor und einige andere aus Nikolai, wurden nach Österreich ins Konzentrationslager Mauthausen verschleppt. Dort wurden sie unter erbärmlichen Bedingungen zur Schwerstarbeit im Granitsteinbruch gezwungen. Als er ausgezehrt, überfordert und krank wurde, erhielt er zur Stärkung eine Schüssel Marmelade, von niedriger Qualität. Wiktor hat die Marmelade unter einigen Häftlingen verteilt. Das bemerkte der SS-Lagerwärter. Er schlug mit dem Gewehrkolben auf Wiktors Kopf. Der Schlag war tödlich. Es geschah am 9. November 1940 nachmittags. Nach der Befreiung des Lagers kehrte der Nikolaier V. Skupnik nach Mikołów in die Heimat zurück. Er wurde, wie Wiktor, 1940 verhaftet und an Stelle seines Vaters inhaftiert. Er besuchte die nächsten Verwandten von Wiktor Hein und berichtete diesen, unter Eid, über die Ermordung Wiktor Hein. Mit Entsetzen wurde er angehört. Die Familie erfuhr schon 1940 vom Tod über ein Telegramm an Berta Hein, die Ehefrau von Wiktor. Es wurde der Witwe erlaubt nach Mauthausen zur Totenschau zu kommen. Berta hat sofort die weite Reise gewagt. Ihren Ehemann Wiktor hat sie nur durch eine dicke Glasscheibe sehen können. Danach, nach einigen Stunden, hat sie eine Büchse mit seiner angeblichen Asche erhalten. Denn der Leichnam wurde im Krematorium eingeäschert. Die Kommandantur des KZ Mauthausen hat im November 1940 zwei Schreiben an Berta Hein verschickt. In einem Schreiben wurde der Witwe mitgeteilt, das Wiktor Hein aus dem KZ Mauthausen entlassen wurde, aber in der Quarantäne an Lungenentzündung verstorben ist. Dieses Schreiben ist im Laufe der Jahre verloren gegangen. Im zweiten Schreiben vom 12. November 1940 wurde der Familie mitgeteilt, dass Wiktor Hein wegen einer Arterienverkalkung plötzlich an einem Gehirnschlag verstorben ist. Unterschrieben hat das Schreiben der Lagerarzt, ein Untersturmführer. Auch das Standesamt Mauthausen hat den Tod von Wiktor Hein bestätigt. Diese Schreiben und noch andere sind im Archiv unserer Familien. Zusätzlich erhielt die Familie einen Brief auf dem Amtsformular des Lagers, geschrieben von Wiktor Hein, aus dem KZ Mauthausen. Dieser unterstreicht den Zynismus in den Lügen der Kommandantur dieses KZ, mitsamt des Lagerarztes. Gerade am 9. November 1940 wurde dieser Brief von Wiktor geschrieben – es war sein Todestag.

Der Inhalt: Hein Viktor, geboren 21.12.1879. Block 7 nr.425, Stube 1. Mauthausen, den 9. XI. 40.

„Liebe Mutti und Alle! Teile mit, dass ich gesund bin u. hoffe von Euch dasselbe. Danke für Geld u. mache Euch auf diesen Punkt aufmerksam: Bin jetzt auf Block 7. St. I mit V. Skupnik u. zwei anderen Nikolaier. Das ist neue Adresse. Lebet wohl! Viele herzliche Grüße vom Vater u. Bruder. Bis Wiedersehen. Viktor“

Dieser Brief ist von der Poststelle K.L.M. mit dem Zensurstempel versehen. Auf dem Formular sind drakonische Maßnahmen aufgeführt, welche den Briefwechsel streng beschränken. Sie verboten Pakete an die Häftlinge mit der Begründung, dass man im Lager alles kaufen kann. Sie verboten Entlassungsgesuche, die Sprecherlaubnis und den Besuch der Gefangenen. Nur Geldsendungen sind gestattet. Laut V. Skupnik, haben die Häftlinge aber das Geld niemals erhalten. Also war Wiktor Hein an diesem Tag noch in der Lage den Brief zu schreiben, er wurde ohne das erforderliche Kontrollzeichen des Blockführers verschickt. Das lässt vermuten, dass die Lagerleitung den Brief übersehen hat und den wahren Grund der Todesursache von Wiktor Hein falsch dargestellt hat. Der 2. Weltkrieg und seine Folgen sind für unsere Familien eine lange Kette des Leidens und tragischer Ereignisse gewesen. Zehn Angehörige des breiten Familienkreises verloren das Leben. Jan Kalisz, der Vater des Autors dieser Notizen (T.W.K., Enkel von Wiktor Hein), verlor sein Leben. Kurz nach dem Ausbruch des 2. Weltkrieges, am 5. September 1939, stand Jan K. als Lockführer der polnischen Eisenbahn unter dem Kriegsrecht im Dienst der P.K.P., der Polnischen Staatseisenbahn, bei ihrer Evakuierung nach Kielce, Polen. Mit ihm waren sechs andere Eisenbahner. Ein Kommandant vom Panzerspähwagen der Deutschen Wehrmacht, der plötzlich bei der Gruppe ankam, hat Jan verhört – Jan sprach sehr gut deutsch. Jan K. stand mit erhobenen Händen fünf Meter vom Panzerspähwagen. Am Ende der Befragung, erschoss der Kommandant mit einer Serie aus den Maschinengewehr Jan K. kaltblütig. Neun Kugeln trafen ihn von vorne in den Oberkörper. Gleich danach kam an diese Stelle eine weitere Einheit der Wehrmacht mit einem Major. Er verhörte die Eisenbahner, und befragte den Todesschützen, dieser war alkoholisiert. Dabei wurde ein Protokoll erstellt. Dieses war, unterschrieben vom deutschen Major und zwei der Eisenbahner (Zeugen dieser Straftat), die Grundlage für die Zusage der deutschen Rente an unsere Familie. Unsere Mutter wurde in Deutschland 1906 geboren und ist dort aufgewachsen. Unsere Familie wohnte immer in Mikołów/ Nikolai. Obwohl unser Vater im Dienst der polnischen Staatseisenbahn getötet wurde, hat unsere Familie ab Februar, nach dem Krieg 1945, keine Kriegsrente vom polnischen Staat erhalten, nur die sehr niedrige Sozialhilfe. Jan hinterließ sechs Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren, das jüngste Kind war noch im Mutterleib, als der Vater erschossen wurde. Der jüngster Bruder Anton hat seinen Vater niemals lebendig gesehen. Nach dem 2.Weltkrieg musste die Familie ohne jegliche Mittel überleben. 15 Jahre lang lebten wir in großer Armut. Erst als die ältesten Kinder erwachsen wurden und Geld verdient haben, hat sich unser Leben geändert. Doch auch in unserer frühen Kindheit und Jugendzeit haben wir gearbeitet, um nicht zu verhungern. Unsere Mutter hat als Schneiderin schwer gearbeitet, um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das hat ihre Gesundheit ruiniert. Sie wurde nur 50 Jahre alt. Noch Jahrzehnte nach dem Krieg verfolgt uns dieses Leiden, die kommunistische Knechtschaft und Ausbeutung hat dem noch vieles Schmerzhaftes hinzugefügt. Das prägte die Psyche dieser Generationen und hat tiefe bleibende Narben hinterlassen. Wiktor Hein, so wie alle unsere Verwandte sind sehr gute Menschen gewesen. Sie haben einander und anderen solidarisch geholfen, obwohl sie selbst nicht viel besaßen und bescheiden lebten. Wir werden sie niemals vergessen und ihre Geschichten an nächste Generationen weitergeben, damit sich die Geschichte niemals wiederholt.

 

November 2019, Verfasser: Thaddäus Wiktor Kalisz aus der zahlreichen Nachkommenschaft der Familie Wiktor, Maria, und Berta Hein. Hochgeladen November 2021 in korrigierter Übersetzung von der Enkelin von Antoni Kalisz (jüngstes Kind von Jan und Maria, Enkel von Wiktor Hein, Bruder des Autors), Livia Majewski.

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