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Kurt Holger Schmahl 1910 - 1945 Bearbeiten

Geboren 18.1.1910 in Kopenhagen
Gestorben 8.4.1945 in Mauthausen

Biografie

Im Juni 1933 stellte der 23-jährige Kurt Holger Schmahl, wohnhaft in der Isestraße 57 in Hamburg, an den Präsidenten des Landesfinanzamts Unterelbe das Gesuch, 35.000 Reichsmark aus seinem Vermögen freizustellen. Er wolle sich an einem Textil-Engros-Geschäft im Saargebiet beteiligen, nachdem er Ende 1932 seine Arbeitsstelle als Angestellter des Bankhauses Simon Hirschland verloren habe und nun in der Exportfirma seines Stiefvaters tätig war. In dem Schreiben heißt es:

„Leider liegt das Geschäft [seines Stiefvaters] seit längerer Zeit derartig darnieder, daß ich nicht nur für meinen eigenen Lebensunterhalt sorgen, sondern auch meine Eltern unterstützen muss ... Ich bitte meinem Gesuch deshalb gütigst stattzugeben, weil ich nach langem Suchen endlich eine Existenzgrundlage gefunden habe, die es mir ermöglicht, meinen hiesigen Verpflichtungen nachzukommen.“[1]

Wie bereits sein Vater und seine beiden Großväter war Kurt Holger Schmahl Kaufmann. Nach dem Besuch der Bertramschule, einer privaten Vorschule für Knaben, war er Schüler des Heinrich-Hertz-Realgymnasiums. Sein Vermögen, das zum Zeitpunkt des erwähnten Antrages 40.410 RM betrug, hatte ihm sein Vater vererbt. Alfred Schmahl, 1879 in Hamburg geboren, lebte seit spätestens 1899 in Kopenhagen. Er war mit der aus Strasbourg stammenden Clara Baer verheiratet. Am 18. Jänner 1910 wurde Kurt Holger in Kopenhagen geboren.

Im Dezember 1913 zog die Familie nach Hamburg, wo die Firma Alfred Schmahl Werkzeugmaschinen im Hamburger Adressbuch ab 1915 eingetragen war. Alfred Schmahl kämpfte als Soldat im Ersten Weltkrieg und erlag 1916 in einem französischen Lazarett den Verwundungen, die er sich in der Schlacht an der Somme zugezogen hatte. Posthum verlieh ihm der Kaiser das Königlich Preußische Eiserne Kreuz 2. Klasse, die Hansestadt Hamburg ehrte ihn mit dem Hanseatenkreuz.

Da Kurt Holger Halbwaise war, führte offenbar seine Mutter das Geschäft weiter. Jedenfalls war sie bis 1919 im Hamburger Adressbuch als Inhaberin verzeichnet. 1922 heiratete sie den Kaufmann Iwan genannt Hans Hess, der ebenfalls einen Sohn aus erster Ehe hatte. Neben einem Stiefvater hatte Kurt Holger nun einen elf Jahre älteren Stiefbruder. Hans Hess war Inhaber der Außenhandelsfirma J. de Lemos & Hess, „früher eines der bedeutendsten Hamburger Im- und Exporthäuser“.[2]

Da der geplante Einstieg in die Textilfirma nicht zustande gekommen und ihm „eine wirtschaftliche Betätigung im Reiche als Nichtarier nicht möglich“ war, wanderte Kurt Holger Schmahl, nachdem er alle bürokratischen Hürden genommen hatte, im Jänner 1934 in die Niederlande aus, wo er in Amsterdam eine Vertretung der Leuen-Öl-Gesellschaft Armin Funk und Co. gründete, die in Hamburg raffinierte und verarbeitete Öle vertrieb. Seine Firma nannte er Amoline Olie Maatschappij. Für die Mitnahme von Fässern und Kanistern, Laborinstrumenten und einer Büroeinrichtung gab der junge Mann einen Großteil seines Vermögens aus. Um Kosten zu sparen, verkaufte er seinen Chrysler-Personenkraftwagen und schaffte sich ein kleineres Auto an. Ob er wirtschaftlich erfolgreich war, lässt sich aus den vorhandenen Akten nicht ersehen. Eine Notiz, datiert vom Jänner 1936, besagt, dass die Hamburger Mineralölwerke Albrecht & Co. die Firma Amoline nicht mehr belieferten. Kurze Zeit später konnte er die Prämien für die Lebensversicherung seiner Mutter nicht mehr bezahlen, eine Verpflichtung, die er seit Sommer 1933 vom Stiefvater übernommen hatte, um diesen finanziell zu entlasten.

Trotz seiner schwierigen Lage schickte er seiner Mutter weiterhin Geld. Von April 1936 bis September 1938 sind regelmäßige Schenkungen dokumentiert.

Im April 1939 wurde Hans Hess‘ Unternehmen liquidiert, Ende August konnten er und seine Frau zu ihrem Sohn in die Niederlande ausreisen. Jedoch währte das gemeinsame Leben in Amsterdam nicht lange. Clara Hess starb im September 1942, ihr Mann wurde 1943 im Durchgangslager Westerbork interniert, am 27. April 1943 nach Sobibor deportiert und ermordet. Kurt Holger Schmahl geriet im Jänner 1944 in Polizeihaft. Von Westerbork aus musste er wenige Tage später die Fahrt nach Auschwitz antreten. Dort ist er vom 16. Februar bis 8. März im Krankenrevier Monowitz verzeichnet. Ein Jahr später, am 24. Februar 1945, wurde er im Konzentrationslager Mauthausen in die Liste der „Zugänge“ eingetragen. Er starb am 8. April 1945, gerade 35 Jahre alt. Vor dem Haus Isestraße 57 in Hamburg erinnert ein Stolperstein an ihn.

Sabine Brunotte

Sabine Brunotte ist eine der Forscherinnen und Forscher des Projekts „Stolpersteine in Hamburg“ (http://www.stolpersteine-hamburg.de/), das von der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg (Rita Bake) und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden (Beate Meyer) initiiert wurde. Sie ist Mitherausgeberin der Bände Stolpersteine in Hamburg-Eppendorf und Hamburg-Hoheluft-Ost. Biographische Spurensuche (Hamburg 2010).

 

Quellen:

Bundesarchiv, Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 (www.bundesarchiv.de/gedenkbuch, Zugriff am 4.11.2014).

www.joodsmonument.nl (Zugriff am 4.11.2014).

Staatsarchiv Hamburg (StaH), 522-1, Jüdische Gemeinden, 992 b, Kultussteuerkartei der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg; StaH 314-15 OFP F 2183; StaH 362-2/19 24 Bd.1; StaH 332-5 13088; StaH 332-5 8765; StaH 332-5 8939.

Schriftliche Auskunft Jüdisches Museum Kopenhagen, E-Mail vom 10.11.2014.

Schriftliche Auskunft des United States Holocaust Memorial Museum (USHMM), E-Mail vom 13.11.2014.

Schriftliche Auskunft Gedenkstätte Westerbork, E-Mail vom 17.11.2014.

Hamburger Adressbücher 1915 bis 1922 (http://agora.sub.uni-hamburg.de, Zugriff am 18.11.2014)

Schriftliche Auskunft KZ-Gedenkstätte Mauthausen, E-Mail vom 1.12.2014.

Schriftliche Auskunft Service des Archives Strasbourg, E-Mail vom 3.12.2014.

Literatur:

Johannes Grossmann: Iwan gen. Hans Hess (http://www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=1758, Zugriff am 1.12.2014).



[1] Staatsarchiv Hamburg (StaH), 314-15 OFP 2183.

[2] Johannes Grossmann: Iwan Hess (http://www.stolpersteine-hamburg.de/index.php?MAIN_ID=7&BIO_ID=1758, Zugriff am 1.12.2014).

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