Zurück

Emil Goldmann 1872 - 1942 Bearbeiten

Geboren 29.11.1872 in Vítkovice
Gestorben 1.8.1942 in Mauthausen

Biografie

Emil Goldmann hieß nur unter den Nazis wieder Goldmann und weil ihn sein Name nicht ausreichend „jüdisch“ kennzeichnete (Namensänderungsverordnung 1938), naziideologisch verpflichtend, im Mittelnamen „Israel“, sonst kannte man ihn unter seinem Künstlernamen Emil Geyer, unter dem er eine bedeutende Theaterpersönlichkeit in Österreich war.

Emil Geyer kam am 29. November 1872 in Vítkovice in Mähren in der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie zur Welt, er wurde nach dem Ende der Donaumonarchie Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik, nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich am 12. März 1938 zum „rassisch“ Verfolgten im Deutschen Reich und nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten am 15. März 1939 in die Tschechoslowakei zum Angehörigen des Protektorats Böhmen und Mähren.

Geyer studierte Rechtswissenschaft in Wien, ging Anfang 1900 nach Berlin, wo er 1907 Max Reinhardt kennenlernte, und siedelte sich 1912 endgültig und ohne Unterbrechung bis zu seiner Festnahme durch die Gestapo und Ermordung in Mauthausen 1942 in Wien an. Er emigrierte nach dem „Anschluss“ an Hitler-Deutschland nicht in die USA, wie Reinhardt bereits Ende 1937, obwohl er über eine Ausreisegenehmigung und Bürgschaftserklärung zur Einreise in die USA verfügte und seine Tochter und sein Schwiegersohn zuvor in die USA übersiedelt waren.

Geyer verbrachte sein weiteres Leben in Wien mit den Nürnberger Rassengesetzen. Am 16. März 1938, vier Tage nach dem Einmarsch der Truppen Hitlers in Österreich, erklärte sich der stellvertretende Leiter des Reinhardt-Seminars und das seit 1933 illegale NSDAP-Mitglied in Österreich, Hans Niederführ, zum neuen Leiter des Seminars und zwang Emil Geyer zum „freiwilligen“ Rückzug aus seiner Funktion. Geyer verlor nicht nur seine Arbeit, seinen Beruf und sein Einkommen, es wurden ihm auch noch ausstehende Gehälter nicht mehr bezahlt. Sein in den Familienbetrieb eingebrachtes Vermögen büßte er durch die „Arisierung“ des Familienbetriebs ein. Als einzige Einnahmequelle verblieben ihm ab dieser Zeit private Vorträge in Wohnungen, für die man Eintritt bezahlte.

Die Verdienste Emil Geyers beschränkten sich bei weitem nicht nur auf die Entwicklung einer modernen Schauspielausbildung, er leitete von 1912 bis 1922 die Neue Wiener Bühne, mit der er die Expressionisten (Georg Kaiser, Paul Kornfeld, Leo Birinski, Ferdinand Bruckner) in Wien ans Theater gebracht hatte: Von 1926 bis 1933 war er Direktor des Theaters in der Josefstadt, 1935/36 Spielleiter (Regisseur) am Wiener Volkstheater (Deutsches Volkstheater) und von 1930 bis 1938 Leiter des Max Reinhardt-Seminars, nebenbei wirkte er als Kunstsammler noch im Kreis der Blätter für die Kunst mit.

1941, im Jahr der von den Nazis angeordneten Zwangskennzeichnung der jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich mit dem „Judenstern“ und der propagierten „Endlösung“, der systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten, verlor er seine Wohnung in der Siebensterngasse und musste in eine Wohnung in der Krugerstraße übersiedeln. Erst jetzt wollte der fast 70-jährige Geyer doch ausreisen und unternahm mit seiner Schwester Jeanette und seinem Schwager Otto Herrmann 1942 den Versuch, nach Ungarn zu flüchten, das zwar gemeinsam mit den Nationalsozialisten Krieg gegen Russland führte, das sich aber nicht an der systematischen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten beteiligte. Die Flucht misslang, Geyer kam wegen „versuchter illegaler Auswanderung“ am 16. Mai 1942 in Gestapo-Haft und wurde am 31. Juli 1942 in das Konzentrationslager Mauthausen überstellt und dort am darauffolgenden Tag „auf der Flucht erschossen“.

Der Gestapo-Photographierschein vom 16. Mai 1942 zeigt ihn als einen korrekt gekleideten, gut aussehenden Mann, glatt rasiert, mit perfektem Haarschnitt. Nur die Masche auf den beiden Fotografien, die ihn in Vorderansichten zeigen, ist etwas verrutscht.

Im Personalbeschreibungsbogen der Gestapo vom 18. Mai 1942 finden sich zu ihm folgende Angaben: „Größe 1 m 61 cm; Haar: dunkelbraun; Bart: rasiert; Auge [nur in der Einzahl angeführt – G.R.]: braun; Nase: gradlinig; Ohren: sehr groß, oval, abstehend; Mund: klein; Zähne: lückenhaft; Gesicht: blaß, länglich, eingefallen; Gestalt: schlank, schwächlich.“

Sein Doktor-Titel scheint in keinem der Papiere der Gestapo auf.

70 Jahre nach seiner Ermordung in Mauthausen, am 8. November 2012, wurde an der ehemaligen Wohnadresse Emil Geyers in Wien 7, in der Siebensterngasse 31, eine Tafel zum Gedenken an ihn angebracht, die ihn als eine der prägenden Theaterpersönlichkeiten der Ersten Republik würdigt, inklusive Doktor-Titel und Angaben über seine wichtigsten Funktionen und Lebensstationen.

Die lange „Vergessenheit“ Emil Geyers, auch im Reinhardt-Seminar selbst, beruhte nicht zuletzt auf der Wiedereinsetzung des Leiters in der NS-Zeit, Hans Niederführ, der nach einer Zwangspause mit Berufsverbot dem 1945 wiedererstandenen Reinhardt-Seminar von 1954 bis 1959 neuerlich vorstand.

Gerhard Ruiss
 

Gerhard Ruiss, geb. 1951 in Ziersdorf (Niederöstereich), Autor, Musiker, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren. Bücher, u. a.: Nachdichtungen der Lieder Oswalds von Wolkenstein in drei Bänden (Bozen/Wien 2011), und Paradiese – Schöne Gedichte (Horn 2013). Stücke, u. a.: Das 100. Jahr (Uraufführung Feldkirch 2014).

Informationen zur Person senden...

Weitere Informationen zur Person hinzufügen...