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Marie Pechmanová 1902 - 1943 Bearbeiten

Geboren 6.4.1902 in Kosmonosy
Gestorben 26.1.1943 in Mauthausen

Biografie

Die Geschichte der Familie Pechman

Jaroslav Pechman wurde am 01. Mai 1900 in Radobyčice bei Plzeň geboren. Nach dem Ende seiner Ausbildung zog er mit 19 Jahren nach Prag um, wo er als Postassistent Mitarbeiter der staatlichen Post wurde. Im Jahre 1923 heiratete er Marie Bohuslavová. Marie stammte aus Kosmonosy, wo sie am 06. März 1902 als Tochter von František und Anna Bohuslavová geboren wurde. Marie war Hausfrau. Wie ihre Eltern war sie Mitglied der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (Českobratrská církev evangelická). Die Pechmans wohnten in der Hanušova ulice Nr. 1025 in Prag-Michle. An Jaroslavs Geburtstag wurde den Eheleuten im Jahre 1925 ein Sohn geboren, der nach dem Vater den Vornamen Jaroslav bekam. Nach Abschluss der Grundschule besuchte er die Handelsakademie in der Resslova ulice. Wie seine Eltern meldete er sich in der Kirche der Böhmischen Brüder an. Am 06. Dezember 1929 wurde den Eheleuten die Tochter Milena geboren. Im Jahr 1942 war sie Schülerin in der Klasse III. A der Haupt-Mädchenschule in Prag-Nusle in der Svatoslavova ulice.

Die gesamte Familie war sehr im Sportverein Sokol engagiert. Ihr Heimatverein wurde der Verein Sokol in Michle, wo Jaroslav Pechman im Laufe der Zeit zum Vorsitzenden aufstieg und sich unter anderem um den Bau einer neuen Sportstätte für den Verein Sokol sehr verdient machte. Die neue Sportstätte des Vereins wurde im Jahre 1937 erbaut, ihre Eröffnung fiel mit dem fünfzigsten Jahrestag der Gründung des Sportvereins Sokol in Michle zusammen. Die feierliche Eröffnung fand im neuen Jahr 1938 statt. Das Gebäude wurde während eines einzigen Jahres fertiggestellt, ohne dass sich der Verein verschuldete. An der feierlichen Eröffnung nahmen auch Ehrengäste aus den Reihen der Künstler des Nationaltheaters – Eduard Haken und Václav Vydra – teil. Jaroslav Pechman machte sich auch um den Kauf von Grundstücken auf dem Berg Bohdalec verdient, wo der Verein schon vor dem Bau der neuen Sportstätte eine Turnhalle hatte. Mit den sich erhöhenden Spannungen in den internationalen Beziehungen wurde in den Sokol-Sportvereinen die Wehrausbildung erweitert. Da er sich der Wichtigkeit dieser Aufgabe bewusst war, übernahm Jaroslav Pechman zusammen mit dem stellvertretenden Vereinsvorsitzenden Miroslav Hvězda selbst die Leitung der Wehrausbildung.

Während der 1. Republik unterstützten die Sokol-Vereine im Landesinneren neu entstehende Vereine in den Grenzgebieten der Tschechoslowakei (Sudetenland), wo deren Aufbau angesichts der zahlreichen deutschen Bevölkerung und der geringen Mitgliederbasis sehr schwierig war. Der Verein in Michle war schon seit dem Jahre 1921 der Patenverein des Sportvereins Sokol in Háj u Duchcova. Im Jahre 1927 kam Jan Zelenka als neuer leitender Lehrer nach Duchcov. Schon bald wurde er hier Mitglied des Gemeinderates und Vorsitzender des örtlichen Sokol-Sportvereins. Diese Funktion verband ihn mit Jaroslav Pechman, der schon seit dem Jahre 1926 immer wieder nach Háj reiste und dort z. B. an der Hauptversammlung des Vereins, im Jahre 1928 an der vorläufigen Eröffnung und im Folgejahr auch an der feierlichen Eröffnung der neuen Sportstätte des Vereins Sokol teilnahm. Im Jahre 1935 brachte Jaroslav Pechman die neue feierliche Flagge, den Kasten für ihre Aufbewahrung, zehn feierliche Kostüme und ein Gedenkbuch aus Michle mit. Seit diesem Ereignis begann sich eine Freundschaft beider Männer zu entwickeln, die durch ihre gemeinsame Tätigkeit während der Okkupation besiegelt wurde. Beide Sokol-Funktionäre gründeten nach dem Leid, das Sokol im Jahre 1941 zugefügt wurde, d. h. der Einstellung der Tätigkeit und anschließend der vollkommenen Auflösung der Organisation, der die Verhaftung von ca. 1.500 leitenden Repräsentanten des Vereins vorausging, eine Widerstandsorganisation namens Říjen (Oktober). Diese Fraktion der Widerstandsorganisation Sokol plante Sabotage- und Diversionsaktionen. Zu ihren Mitgliedern gehörten außer den beiden schon erwähnten Mitgliedern Oldřich Frolík, Václav Novák, František Hejl, Karel Pavlík, Antonín Oktábec und František Pecháček. Die Treffen der Widerstandskämpfer fanden auch in der Wohnung der Pechmans statt, Jaroslav Pechman selbst sicherte diese mit einer in einem Geigenkasten versteckten Waffe ab.

Nach Ankunft der Fallschirmspringer der Gruppe ANTHROPOID in Prag beteiligten sich die genannten Männer aktiv an deren Unterstützung. Sie begrüßten die Ankunft der Fallschirmjäger als Ankunft nationaler Rächer für alle Opfer, die der stellvertretende Reichsprotektor Reinhard Heydrich dem tschechischen Volk zugefügt hatte. Sie boten den Fallschirmspringern Unterkunft, besorgten Bekleidung, Verpflegung, Ausweise und Arbeitsbücher. Es gelang ihnen auch, einige Waffen zu beschaffen, die Jaroslav Pechman im Garten ihres Hauses in Michle vergrub. Die Waffen kamen dann in den Tagen des Prager Aufstands zum Einsatz, als sie ausgegraben und beim Aufstand benutzt wurden. Einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung der Fallschirmjäger leisteten auch Finanzmittel in Höhe von 100.000,- CZK, zu deren Behebung vom Konto des Sokol-Ortsvereins Jaroslav Pechman als Vereinsvorsitzender den Auftrag erteilte. Zu den Geldern hatte dann auch Jan Kubiš Zugang, der den Geldbetrag selbst von der Bankfiliale in Michle abholte. Jaroslav Pechman machte sich als Obersekretär der Postdirektion auch dadurch verdient, dass auch nach Auflösung des Vereins Sokol auf Anordnung des stellvertretenden Reichsprotektors R. Heydrich die Sportstätte von Sokol in Michle als Lager für Postwertzeichen dienen konnte. Damit verhinderte er die unmittelbare Beschlagnahme des Gebäudes durch die deutsche Wehrmacht. Jaroslav Pechman gelang es auch, die Fallschirmspringer in die Plzener Widerstandsorganisation einzubinden, die in diesem Falle durch Karel Baxa, den Bürgermeister von Radobytčice, repräsentiert wurde.

Die Verhaftung von Jaroslav Pechman erfolgte am 5. Oktober. Am Samstag vor der Verhaftung blieben wir alle daheim im Garten. Den Sonntag verbrachten wir daheim und fühlten uns zusammen unwahrscheinlich gut. Ich weiß nicht, ob Papa etwas geahnt hat,erinnerte sich nach dem Krieg die Tochter Milena an die Zeit unmittelbar vor der Verhaftung. Am Montag dem Fünften kam die Gestapo direkt in die Postdirektion in der Holečkova ulice in Smichov, wo Jaroslav Pechman arbeitete. Die Gestapo-Schergen hatten jedoch nicht lange Freude an ihrem „Fang“. Jaroslav Pechman hatte schon seit einigen Tagen erwartet, verhaftet zu werden. Er wurde hauptsächlich durch die Verhaftung von Oldřich Frolík alarmiert, der in der Nachbarstraße wohnte und der Gestapo acht Tage nach seiner Flucht, am 23. September 1942, in die Hände fiel. Jaroslav Pechman steckte sich vor Ankunft der Gestapo eine Gelatineampulle mit Cyankali in den Mund. Er war sich bewusst, dass er immer noch bisher nicht ermittelte Mitglieder des Widerstands gefährden konnte. In einem unbeobachteten Moment zerbiss er die Ampulle. Der Tod trat fast augenblicklich ein. Die Gestapo-Schergen brachten daher bloß einen leblosen Körper in das Petschek-Palais.

Gleichzeitig mit der versuchten Verhaftung von Jaroslav Pechman wurde daheim seine Ehefrau Marie verhaftet. Ihr Sohn Jaroslav wurde während des Unterrichts an der Handelsschule verhaftet. Ein Mitschüler brachte seine Schultasche in die Wohnung. In dieser war eine Nachricht über seine Verhaftung versteckt. Ihre Tochter Milena war an diesem Vormittag nicht zu Hause, sondern zur Klavierstunde. Sie entging so der ersten Verhaftung. Die Deutschen kamen zwei Tage später, um sie zu verhaften und brachten sie in das Gestapo-Sondergefängnis im Kleinen Schloss Jeneralka. Die Zeit bis zu ihrer Verhaftung verbrachte sie bei Bekannten der Familie, die im gleichen Haus wie die Pechmans wohnten. Sohn und Mutter wurden nach den Verhören in das Haftgefängnis der Prager Gestapo in die Kleine Festung Terezín gebracht, wo die Mutter in Zelle 20 gefangen gehalten wurde. Während der Gefangenschaft wurden sie am 8. Januar 1943 in Abwesenheit von einem Standgericht zusammen mit anderen Unterstützern der Fallschirmspringer zum Tode verurteilt. Am 13. Januar 1943 wurde in der Kleinen Festung Terezín ein Transport mit 31 Menschen zusammengestellt, dessen Ziel das KZ Mauthausen war. Bis zum 23. Januar verbrachten diese Verurteilten die langen Winterabende in den Zellen des sog. Bunkers in Mauthausen. Von dort wurden in den Nachmittagsstunden des 26. Januar 1943 zuerst die Frauen herausgerufen. Sie wurden in den ca. 3x3 Meter großen Kellerraum des Bunkers getrieben, der als Gaskammer diente. Hier wurden sie um 16:13 Uhr vergast.

Die Männer wurden in Abständen von zwei Minuten durch einen Schuss in den Hinterkopf ermordet. Jaroslav Pechman kam um 16:41 Uhr an die Reihe.

Das einzige Familienmitglied, das den Krieg überlebte, war die Tochter Milena. In Jeneralka traf sie auf gleichaltrige Kinder von Eltern, die wegen der Unterstützung der Fallschirmspringer im KZ Mauthausen hingerichtet wurden. Sie durchlief nacheinander ein Internierungslager in Svatobořice und ein Arbeitslager in Planá nad Lužnicí, wo sie im Mai 1945 die Befreiung erlebte.

Gleichzeitig mit den Pechmans wurde auch Václav Pokorný, der Onkel von Marie Pechmanová, verhaftet. Er teilte sich eine verbundene Wohnung auf der gleichen Etage mit den Pechmans. Das reichte den Schergen der deutschen Geheimpolizei, um Václav Pokorný zu verhaften und als Unterstützer der Fallschirmspringer einzustufen. Václav Pokorný wurde am 26. Januar 1943 um 16:51 Uhr im KZ Mauthausen durch einen Schuss in den Hinterkopf ermordet.

Am 3. August 1946 verlieh der Verteidigungsminister General Ludvik Svoboda dem Hauptmann der Reserve Jaroslav Pechman sowie Marie Pechmanová und ihrem Sohn Jaroslav das tschechoslowakische Kriegsverdienstkreuz.

Am 5. Oktober 1947, dem fünften Todestag von Jaroslav Pechman wurde vom Sportverein Sokol in Michle an dem Haus, in dem Jaroslav Pechman gelebt hatte, eine Gedenktafel für ihn, seine Ehefrau Marie und ihren Sohn Jaroslav enthüllt. An der Enthüllung der Gedenktafel nahmen Vertreter des Sportvereins Sokol, der Tschechoslowakischen Legionen, der staatlichen und örtlichen Verwaltungsbehörden, des Tschechoslowakischen Roten Kreuzes sowie 39 Mitglieder des Sportvereins Sokol aus der Musikkapelle statt. Im Jahre 2019 wurde die Gedenktafel um diese Geschichte ergänzt.

Vlastislav Janík, Forscher, Delegierter des Mauthausen-Komitees in Tschechien

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