Miroslav Moravec 1905 - 1942 Bearbeiten
Geboren 8.6.1905 in Ladovice
Gestorben 24.10.1942 in Mauthausen
Biografie
Die Geschichte der Familie Moravec
Miroslav Moravec führte an der Schwelle der 30er und 40er Jahre Tagebuch. Der letzte Satz, den er in sein Tagebuch schrieb, war zu Neujahr 1942. Er lautete „das Jahr 1942, in welches wir so viel Hoffnung legen…“ Diese erfüllte sich jedoch bestimmt nicht gemäß den Vorstellungen der Eheleute. Beide Eheleute wurden am 24. Oktober 1942 im Konzentrationslager Mauthausen durch einen Schuss in den Hinterkopf ermordet.
Miroslav Moravec wurde am 8. Juni 1905 in Ledvice (Bezirk Teplice) in die Familie von Jan Moravec und Anna Moravcová, geb. Dandová, hineingeboren. Diese war in ihren 30er Jahren im Jahre 1918 an der Spanischen Grippe erkrankt. Miroslav Moravec hatte noch zwei Geschwister. Die um zwei Jahre jüngere Zdeňka und den um 16 Jahre jüngeren Halbbruder Jan aus der zweiten Ehe des Vaters. Miroslav war römisch-katholischen Bekenntnisses.
Sein Vater Jan war Händler und stammte aus der armen Region Vysočina. Die sich im Gebiet von Ledvice gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelnde Bergbauindustrie brachte für ihn eine Herausforderung zur Entfaltung seines Geschäftstalents mit sich. Im Laufe der Zeit betrieb er zwei Gemischtwarenläden. Es gelang ihm, auch in der Politik Erfolg zu haben, nachdem er nach 1918 in der neuen ČSR Bürgermeister der Stadt Ledvice geworden war. Er machte sich auch sehr um die Gründung einer örtlichen tschechischen Schule verdient. Er war Mitglied des Sportvereins Sokol und wurde im Laufe der Zeit dessen Vorsitzender.
Auch sein Sohn Miroslav begann den Verein Sokol zu besuchen. Nach und nach arbeitete er sich bis in den Verbandsvorstand des Erzgebirgsverbands Kukaňovy hoch. Dadurch gelangte er in engen Kontakt mit den führenden Repräsentanten des Verbands Kukaňovy wie Jan Zelenka, Václav Novák und Bedřich Kubice, mit denen er nach der Okkupation im Widerstand zusammenarbeitete. Politisch war er in der nationalen sozialistischen Partei organisiert.
Seine künftige Frau Anna Hrodková lernte Miroslav Moravec im Juli 1937 kennen. Anna Hrodková war Vorsitzende des Sokol in Most, den sie hauptsächlich bei nationalen Schwimmwettkämpfen repräsentierte. Sie stammte ebenfalls aus einer Händlerfamilie. Die Hrodeks hatten in Most ein Kurzwarengeschäft. Sie wurde am 26. Juli 1912 in Most als Tochter von František Hrodek und Anna Hrodková, geborene Šalová, geboren. Anna hatte drei Brüder. Ihre Familie zog zur Zeit der Entwicklung der Industrie in der Region Most von Kolín nach Most.
Miroslav Moravec und Anna Hrodková heirateten am 26. Juni 1938 in der Kirche des Hl. Franziskus in Most. Zu diesem Zeitpunkt liefen die Vorbereitungen auf das X. Sportfest aller Sokol-Vereine in Prag auf Hochtouren. An diesem Sportfest nahmen die Jungverheirateten teil. Das Sportfest wurde vor allem dadurch bekannt, dass die Mitglieder des Verbands Krušnohorská Kukaňova die feierliche Tribüne schweigend und ohne Gruß passierten, um auf ihre schwierige Situation im Grenzgebiet (Sudetenland) aufmerksam zu machen.
Im September 1938 erreichte der von Deutschland angestachelte Konflikt zwischen der deutschen und der tschechischen Bevölkerung der Tschechoslowakei seinen Höhepunkt. Der Vater Jan Moravec verließ schon vor diesen Ereignissen vorausschauend das Grenzgebiet (Sudetenland) und zog nach Kostelec nad Černými lesy, wo er eine Familienvilla anschaffte und hier sein Handelsgewerbe betrieb. Demgegenüber beabsichtigten die neu verheirateten Eheleute Moravec auch nach der Abtretung des tschechischen Grenzgebiets an Deutschland im Grenzgebiet zu bleiben. Der Druck der deutschen Bevölkerung auf Tschechen, die im Grenzgebiet blieben, wurde jedoch immer stärker. In Ledvice gipfelte er in der Nacht vom 13. zum 14. Oktober, wie Miroslav in sein Tagebuch schrieb (es wurde nach dem Krieg zwischen weiteren Schriftstücken der Familie auf dem Boden des Hauses in Konojedý gefunden). Damals lief um halb acht Uhr abends ein ungefähr 300 Mitglieder zählender Mob durch Ledvice, die um 8 Uhr vor dem Haus und Laden der Moravec Halt machte. Die Menschenmenge schrie damals auf Deutsch „Die Moravec hinaus in die Tschechei!“ Der Umzug dieses Mobs wiederholte sich noch zwei weitere Male. Gegen zehn Uhr abends trennten sich ungefähr 40 der radikalsten Männer von dem Zug. Sie waren bewaffnet und warfen sich gegen die Haustür der Familie Moravec, die sie aufbrechen wollten. Die Tür hielt einige Zeit stand, gab aber schließlich unter dem Druck einer so großen Masse nach. Die ungebetenen Gäste sammelten sich im Flur und drangen weiter in das Innere der Wohnung vor. Hinter der Küchentür hockten die Eheleute Moravec in der Dunkelheit. „Dann öffnete ich, gestärkt durch den Segen meiner Frau und ihren Kuss und die Bitte an den Herrgott um Kraft in diesem Augenblick, die Tür.“ Als Miroslav fragte, was sie hier suchen, wurde ihm nur geantwortet: „Hinaus, hinaus!“ „Es gab einen Befehl von der wütenden Menge junger bekannter Gesichter, die im Flur des Familienhauses auftauchten – sie trieben mich nach draußen – an der Haustür erhielt ich den ersten Schlag ins Gesicht – vom jüngsten Sohn der Milchfrau – und weitere ungezählte Schläge, so dass mein Körper noch am nächsten Tag von roten Flecken übersät war, wie von Masern. Ich wich vor der Menge zurück und fragte ihre Rädelsführer, was sie von mir wollten. Die wütende Menge kannte keine andere Antwort als Blut.“ Eine ähnliche Attacke wiederholte sich in dieser Nacht noch einmal, aber dieses Mal drangen die Angreifer nicht mehr in den Laden ein. Die Verletzungen, die Miroslav Moravec während dieses Kampfes erlitt, erforderten einen einwöchigen Aufenthalt im Bett. Diese Pogrome führten zu einem großen Exodus der verbliebenen Tschechen aus dem Grenzgebiet ins tschechische Binnenland. Gerade von diesen Menschen erfuhren seine Eltern in Kostelec von der Situation der Moravec'. Sie veranlassten ihren Sohn und ihre Schwiegertochter, endgültig aus dem Grenzgebiet wegzuziehen und kauften daher für die Jungverheirateten das Haus Nr. 99 in Konojedy. Der eigentliche Umzug erfolgte erst kurz vor Weihnachten 1938, als zuerst Miroslav und zwei Tage nach ihm, am 23. Dezember 1939, seine Frau Anna, die zu dieser Zeit schon im fünften Monat schwanger war, in das tschechische Binnenland abreisten. Am 1. Mai 1939 wurde dann ihre Tochter Anna geboren. Taufpate der kleinen Anna wurde Josef Kopecký, der damalige Bürgermeister der Gemeinde.
Die Anfänge der geschäftlichen Tätigkeit von Miroslav Moravec in Konojedy waren alles andere als einfach. In seinem Tagebuch schrieb er sogar, dass die Reaktion der örtlichen Bevölkerung ihm gegenüber zu Anfang von Misstrauen geprägt war. Dennoch war er ab dem 1. Januar 1941 gezwungen, eine Auszubildende einzustellen und das Geschäft wurde um den Verkauf von Kohle erweitert.
Im Gegensatz zu seinem geschäftlichen Erfolg entwickelte sich die Situation in der Sokol-Bewegung unerfreulich. Die Tätigkeit von Sokol wurde im April 1941 ausgesetzt und immer mehr Sokol-Repräsentanten gelangten in Konflikt mit dem Okkupationsregime. Wahrscheinlich besuchte Václav Novák, der frühere Verbandsvorsitzende des Erzgebirgsverbands Kukaňovy, Miroslav Moravec zusammen mit seiner Familie im Sommer 1941. Zu diesem Zeitpunkt bat er M. Moravec um Lebensmittelhilfe für Familien, deren Ernährer verhaftet worden waren. Nach der Ankunft der Fallschirmspringer im Protektorat wurde diese Lebensmittelhilfe auch auf die Fallschirmspringer ausgeweitet, die von der Sokol-Organisation in Prag versteckt gehalten wurden. Zu ihnen gehörten auch die Fallschirmspringer der Gruppe ANTHROPOID Josef Gabčík und Jan Kubiš. Es blieb nicht nur bei dieser Art der Hilfe. Moravec hielt auch zu Sokol-Mitgliedern im östlichen Tschechien Kontakt, die sich in die Widerstandsorganisation S21B umgewandelt hatten.
Nach Durchführung des Attentats auf Reinhard Heydrich machte sich auch Miroslav Moravec Sorgen bezüglich der Reaktion, die das Attentat zur Folge hatte. Bei einem plötzlichen und unangekündigten Besuch bei seinem Schwager Bohumil Hrodka in Brno kurz nach dem Attentat vertraute er diesem seine Befürchtungen an und sagte, dass schreckliche Dinge passieren würden (es kann davon ausgegangen werden, dass er auch zu einem anderen Zweck und nicht nur wegen eines üblichen Familienbesuchs reiste).
In der zweiten Julihälfte erfolgte eine weitere Verhaftungswelle. Am 18. Juli 1942 wurde auch Miroslav Moravec von Kriminalkommissar Heinz Jantur verhaftet. Wegen seiner Frau Anna kamen die Gestapo-Angehörigen erst am 27. August 1942. Sie wurde in die Zelle 5 im Polizeigefängnis in der Bartolomějská ulice gebracht. Die Eheleute wurden dann im September in die Kleine Festung Terezín verlegt. Nach ihrer Verurteilung durch ein Standgericht zum Tode während ihrer Abwesenheit wurden sie am 23. Oktober in das KZ Mauthausen verschleppt. Hier wurde am 24. Oktober 1942 zuerst die Ehefrau Anna um 10:46 Uhr und dann ihr Mann Miroslav um 15:22 Uhr im Erschießungsraum ermordet.
Ihre Tochter Anna wurde am Tag der Verhaftung der Mutter in das Kleine Schloss Jeneralka gebracht, wo die Kinder der Unterstützer der Fallschirmspringer aus der Gruppe ANTHROPOID nach und nach interniert wurden. Im April 1944 wurden sie in das Internierungslager Svatobořice gebracht und noch kurz vor Kriegsende nach Planá nad Lužnicí transportiert, wo sie die Befreiung erlebten. Laut Anordnung von K. H. Frank erwartete sie das gleiche Schicksal wie ihre Eltern. Sie sollten nach dem siegreichen Krieg des Großdeutschen Reiches hingerichtet werden.
Die kleine Anička wurde nach dem Krieg von Verwandten mütterlicherseits aufgenommen.
Vlastislav Janík, Forscher, Delegierter des Mauthausen-Komitees in Tschechien