Кирилл Моисеевич Чубченков / Kirill Moiseewitsch Tschubtschenkow

Geboren 17.1.1919 in Khoronevo
Gestorben 1945 in Mauthausen

Biografie

Geboren am 17. Januar 1909 im Dorf Choronew, Wolost Dolgij Moch, Ujesd Bychow, Gouvernement Mogiljow (jetzt Dorf Choronewo, Rajon Slawgorod, Oblast Mogiljow, Republik Belarus) in einer kinderreichen belarussischen Bauernfamilie. Seine Eltern Moisej Iwanowitsch und Praskowja Dmitrijewna hatten neun Kinder. Sechs von ihnen verstarben bereits vor dem Großen Vaterländischen Krieg an Krankheiten. Nur drei Söhne blieben am Leben: Iwan, Kirill und Nikifor. 1926 zog die ganze Familie in die Region Krasnodar um. 1929 traten sie einer Kolchose bei, die sich unweit der Stadt Tichorezk befand. Kirill besuchte die Abendschule, beendete einen Traktoren-Fahrkurs und arbeitete bei einer Kolchose als Traktorfahrer. Am 6. November 1930 wurde er in die Rote Armee eingezogen. Kirill wollte bei den Panzertruppen dienen, dafür war er aber zu groß – 178 cm! Er wurde der Infanterie zugewiesen und zum 50. Schützenregiment der 17. Schützendivision Nischni Nowgorod (Stadt Gorki) geschickt. Hier zeigte er sich von seiner besten Seite. 1931 wurde Tschubtschenkow in die kommunistische Partei aufgenommen.

Im September 1931 wurde der kluge, körperlich robuste und technikkundige junge Mann nach Abschluss eines Lehrgangs beim Regiment zum Studium an die Leningrader Militärtheoretische Schule der Luftstreitkräfte geschickt, und im Juli 1932 wurde er an die 14. Militärtheoretische Schule der Luftstreitkräfte des Priwolschski Militärbezirkes versetzt, die sich in der Stadt Engels befand. Hier stieg er zum ersten Mal in einer Polikarpow Po-2 in den Himmel auf. Tschubtschenkow übte Flugzeugsteuerung und Kampfeinsätze mit einer Polikarpow R-1, die in den Luftstreitkräften der Roten Armee als Kampfflugzeug, leichtes Bombenflugzeug und Aufklärungsflugzeug eingesetzt wurde. Er zeigte eine einzigartige Begabung für das Flugwesen, daher schickte man ihn im Dezember 1933, nach Abschluss der Ausbildung, nicht zu den Luftstreitkräften, sondern zum Kettenführer-Kurs an die 1. militärische Rotbanner-Flugschule namens Mjasnikow, die als die beste Schule der Luftstreitkräfte und Eliteschule galt. Die Schule befand sich in der Siedlung Katscha bei Sewastopol (Ukrainischer Militärbezirk). Als bester Absolvent wurde er im Juli 1934 in die Stadt Gomel geschickt, die damals als Hauptstadt der Schlachtflieger galt. Hier war die berühmte 114. Schlachtfliegerbrigade stationiert, angeführt vom „Vater der Schlachtflieger der Roten Armee“, Divisionskommandeur Alexander Turschanski. Kirill wurde zum Kettenführer in der 29. Schlachtstaffel der o. g. Brigade bestellt. Schon nach einem Jahr schlug Turschanski den begabten Piloten, der nun das Schlachtflugzeug Polikarpow R-5Sch gut steuern konnte und seine Kette gekonnt befehligte, für den Schwarmführer-Posten vor. Im April 1938 wurde Tschubtschenkow ins 5. Schlachtregiment versetzt, das Flugzeuge vom Typ P-5SSS einsetzte. Hier fungierte er als Staffelführer, stellvertretender Regimentskommandeur und eigentlicher Regimentskommandeur. Im September 1939 nahm das 5. Schlachtregiment als Bestandteil der Luftstreitkräfte der 11. Armee der Belarussischen Front an der polnischen Kampagne der Roten Armee teil. Am 13. Juni 1940 wurde Hauptmann Tschubtschenkow aus Belarus ins Baltikum versetzt und zum stellvertretenden Kommandeur des 61. Schlachtregiments in der Stadt Kėdainiai1 bestellt. In diesem Regiment kamen die Flugzeuge I-15bis und I-153-„Tschaika“ zum Einsatz. Das Regiment sollte als eine der ersten Formationen der Luftstreitkräfte die Steuerung des neuesten gepanzerten Schlachtflugzeugs IL-2 erlernen. Vor dem Krieg aber gelang dies nicht. Daher flog Major Tschubtschenkow seine ersten Kampfeinsätze mit einer I-153 „Tschaika“. Aber bereits im Juli 1941 lernte er zusammen mit den Piloten des 61. Schlachtregiments die IL-2 zu beherrschen und begann bei den Luftstreitkräften der Westfront in Ostbelarus, den Feind bei Smolensk und im Vorfeld Moskaus zu zerschmettern. Am 30. November 1941 wurde Major Tschubtschenkow der Orden des Roten Sterns verliehen. Im März 1942 wurde er zum Kommandeur des 235. Schlachtregiments bestellt, mit dem er an der blutigen Schlacht um Rschew teilnahm. Am 26. August 1942 wurde Oberstleutnant Tschubtschenkow zum Kommandeur des 6. selbständigen Garde-Schlachtregiments bestellt. Dieses Regiment galt als das beste Regiment der Luftstreitkräfte – es erhielt als erstes Schlachtregiment den Zusatz „Garde-“. Am 6. November 1942 wurde er für Mut und Tapferkeit in der Schlacht um Rschew mit dem Rotbannerorden ausgezeichnet.

Am 8. März 1943 wurde der Gardeoberstleutnant Tschubtschenkow zum Kommandeur der neu zu bildenden 308. Schlachtfliegerdivision bestellt. Dabei hat er den Posten des stellvertretenden Divisionskommandeurs – der eigentlich eine obligatorische Laufbahnstufe war – quasi übersprungen. Derart hoch war seine Autorität als Pilot und Kommandeur! Am 1. Mai 1943 wurde ihm der Dienstgrad eines Obersts verliehen. Nachdem die o. g. Division gebildet wurde, begann Tschubtschenkow am 28. Mai 1943 zusammen mit seinen Piloten an der Brjansker Front zu kämpfen. Am 27. Juni 1943 wurde der Gardeoberst Tschubtschenkow zu einem Fortbildungslehrgang für Kommandeure und Stabschefs von Fliegerdivisionen an der Militärakademie der Luftstreitkräfte der Roten Armee in der Stadt Tschkalow (heute Orenburg) delegiert. Nach dem Abschluss dieses Lehrgangs wäre er zweifellos bald General geworden. Das Schicksal hatte ihm aber ein anderes Los beschieden. Am 16. Februar 1944 wurde Tschubtschenkow zum Kommandeur der 206. Schlachtfliegerdivision bestellt, die an der Offensivoperation Nikopol-Kryvyi Rih2 teilnahm. Am 8. April begann die Schlacht um die Krim. Unter dem Befehl von Gardeoberst Tschubtschenkow standen 74 Schlachtflugzeuge IL-2, die drei Schlachtregimentern (Nr. 503, 806 und 807) der 206. Division angehörten. Tschubtschenkow flog nach wie vor selbst Kampfeinsätze mit einer IL-2 und riskierte dabei, abgeschossen zu werden, obwohl er als Divisionskommandeur darauf verzichten durfte. Seinen letzten Einsatzflug führte er am 10. April 1944 durch. Am 12. April 1944 flog er mit einem Ausbildungsflugzeug Po-2 zu einem neuen Flugplatz unweit der Sowchose „Simferopolski“ auf der Krim, um diesen Flugplatz zu besichtigen. Als er landete, wusste er aber nicht, dass im nahegelegen aufgeforsteten Gebiet sich zum Meer zurückziehende deutsche Truppen kauerten. Die Deutschen griffen unerwartet an und nahmen den Gardeoberst Tschubtschenkow gefangen. Von der Krim brachten sie ihn in ein Sonderlager für kriegsgefangene Piloten in Moritzfelde. Tschubtschenkow verweigerte die Zusammenarbeit mit den Nazis. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch wurde er in das Lager im polnischen Łódź (Litzmannstadt) überstellt. Auf dem Lichtbild aus der Akte, wo er mit dem Registrierungsbrettchen steht, ist neben der Personennummer 3850 der Buchstabe „K“ – Kugel – zu sehen, d. h. es war geplant, diesen Gefangenen zu erschießen. Der Versuch, aus dem Lager Łódź auszubrechen, scheiterte. Tschubtschenkow wurde nach Mauthausen verlegt und im Block 20 — dem Todesblock — untergebracht. Im Januar 1945 leitete Gardeoberst Tschubtschenkow zusammen mit Oberst Isupow sowie den Helden der Sowjetunion Wlassow und Koblikow die Vorbereitung eines Aufstandes und der Flucht aus dem Todesblock. Sie wurden verraten. Tschubtschenkow und seine Kameraden wurden gefasst und hingerichtet. Das Ganze war aber nicht umsonst. Am 2. Februar fand der Aufstand doch statt! Die zum Tode Verurteilten wagten den Sturm in die Freiheit und brachen aus. Fast alle von ihnen kamen ums Leben, aber sie senkten nicht die Köpfe vor den Folterknechten. Für seinen Mut, seine Tapferkeit und Hingabe an die Heimat, die er in der Gefangenschaft an den Tag legte, ist Tschubtschenkow leider bis heute nicht ausgezeichnet worden.

Beide Brüder von Kirill Tschubtschenkow nahmen ebenfalls am Krieg teil. Iwan beendete den Krieg als Gardeoberstleutnant und stellvertretender Leiter der Kraftfahrzeugverwaltung der 2. Ukrainischen Front. 1945 nahm er am Sowjetisch-japanischen Krieg teil. Er wurde mit dem Rotbannerorden, dem Orden des Vaterländischen Krieges I. Klasse, zwei Orden des Vaterländischen Krieges II. Klasse und zwei Medaillen „Für Verdienste im Kampf“ ausgezeichnet. Nach dem Krieg diente er weiter und wurde Oberst. Nikifor kämpfte als für politische Arbeit zuständiger stellvertretender Kommandeur des 130. selbständigen motorisierten Ponton-Brücken-Bataillons. Er beendete den Krieg als Major. Auszeichnungen: Rotbannerorden, Orden des Roten Sterns und Medaille „Für Verdienste im Kampf“. Nach dem Krieg beendete er die Frunse-Militärakademie mit einer Goldmedaille, arbeitete beim Militärischen Abschirmdienst, wurde zum Oberst befördert und mit dem Abzeichen „Ehrenmitarbeiter der Staatssicherheitsorgane“ ausgezeichnet.

Katschuk Nikolaj Nikolajewitsch, Journalist und Forscher, Oberst a. D.

 

Quellennachweise:

Николай Качук: Без вести не пропавший - Героическая судьба полковника Чубченкова, СБ-Беларусь сегодня, 29./30.03.2013. (Nikolaj Katschuk: Nicht vermisst – Das heldenhafte Schicksal von Oberst Tschubtschenkow, SB-Belarus segodnja, 29./30.03.2013.)

Николай Качук: О жизни, последнем боевом задании и героической гибели гвардии полковника Кирилла Чубченкова. Право на бессмертие, СБ-Беларусь сегодня, 08.02.2020. (Nikolaj Katschuk: Über das Leben, den letzten Kampfeinsatz und den heroischen Tod von Gardeoberst Kirill Tschubtschenkow. Recht auf Unsterblichkeit, SB-Belarus segodnja, 08.02.2020)

 

Bilder:

1. Militärpilot Kirill Tschubtschenkow. 1933

2. Kettenführer in der 29. Schlachtstaffel der 114. Schlachtfliegerbrigade (Luftstreitkräfte des Belarussischen Militärbezirks) K. Tschubtschenkow. 1934, Gomel

3. Schwarmführer in der 29. Schlachtstaffel der 114. Schlachtfliegerbrigade (Luftstreitkräfte des Belarussischen Militärbezirks) K. Tschubtschenkow, 1935, Gomel

4. Kirill Tschubtschenkow in Fliegeruniform, November 1937, Gomel

5. Kirill Tschubtschenkow (rechts) mit seinem Bruder Iwan, Gomel, 28.12.1935

6. Hauptmann Tschubtschenkow mit seiner Frau Klawdija und seinem Bruder Nikifor, Gomel

7. Kettenführer K. Tschubtschenkow mit seinem Bruder Nikifor, Gomel, 1934

8. Hauptmann K. Tschubtschenkow (rechts) mit seinem Bruder Nikifor, Gomel, 1937

9. Kirill Tschubtschenkow in einem Sanatorium in Gursuf (Krim), 1936

10. Kirill Tschubtschenkow mit seinem Motorrad L-300 Krasnyj Oktjabr, 28.11.1937

11. Kirill Tschubtschenkow auf dem Motorrad L-300 vor dem Verlassen von Gomel nach Choronew, 28.11.1937

12. Stellvertretender Kommandeur des 61. Schlachtregiments Major K. Tschubtschenkow im Cockpit einer IL-2, 1941

13. Kommandeur des 235. Schlachtregiments Oberstleutnant K. Tschubtschenkow, 1942

14. Kommandeur des 6. Garde-Schlachtregiments Gardeoberstleutnant K. Tschubtschenkow, 1943

15. Kommandeur der 308. Schlachtfliegerdivision Gardeoberstleutnant K. Tschubtschenkow (zweiter von links sitzend), April 1943

16. Brüder von Tschubtschenkow Iwan (Oberstleutnant links) und Nikifor (Major rechts), Mai 1945

17. Kirill mit seiner Schwester Eva (rechts) und seinem Bruder Nikifor (links), Stadt Tichorezk, Region Krasnodar, 1929

18. Mutter von Kirill Tschubtschenkow: Praskowja Dmitrijewna

18. Eltern von Kirill Tschubtschenkow: Praskowja Dmitrijewna und Moisej Iwanowitsch

20. Ausschnitt aus der Zeitung „Stalinskij sokol“ (Stalins Falke) vom 21.08.1942 über den Kommandeur des 235. Regiments Tschubtschenkow

21. Gardeoberst Tschubtschenkow im Konzentrationslager Łódź, 1944

 

1 Anm. d. Übers.: Stadt in Litauen, deutsch: Kedahnen

 

2 Anm. d. Übers.: transliterierte Form Kriwoi Rog, Stadt in der Ukraine

 

Position im Raum