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Lucien Bunel 1900 - 1945 Bearbeiten

Geboren 29.1.1900 in Barentin
Gestorben 2.6.1945 in Linz

Biografie

„Auf Wiedersehen, Kinder.“

Lucien Bunel, bekannt als Père Jacques, war Karmeliter-Priester und Direktor des Petit Collège des Carmes in Avon nahe Fontainebleau. 1900 in eine Arbeiterfamilie in der Normandie geboren, wurde er 1925 zum Priester geweiht. In seinen ersten Jahren als Priester diente er im Priesterseminar der Kirche St. Joseph in Le Havre. Er unterrichtete Religion und Englisch und fühlte sich vor allem den HafenarbeiterInnen und der armen Bevölkerung verbunden. Im Jahr 1931 begann er das Karmeliter-Noviziat und wurde drei Jahre später Gründer und Direktor des Karmeliter-Internats. Während der Besatzung traf er die Entscheidung, seine Institution für jene zu öffnen, die Sicherheit vor der deutschen Verfolgung suchten.

Drei junge Juden – Jacques Halpern, Maurice Schlosser und Hans Helmut Michel – wurden in die Schule aufgenommen, wo sie unter falschen Namen, die ihnen Bunel gab, lebten und lernten. Das Ordenshaus Notre Dame de Sion in Paris hatte die drei Buben, die dringend einen sicheren Platz gesucht hatten, zu Vater Jacques geschickt, der sie zunächst bei einer Familie auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Schule unterbrachte. Schließlich entschied er, dass es sicherer wäre, sie in der Schule zu beherbergen. Vater Jacques stellte auch Lucien Weil ein, einen Lehrer für Naturwissenschaften, der wegen der Vichy-Gesetze zur Anstellung von Juden seine Arbeit am Lycée von Fontainebleau verloren hatte.

Am 15. Jänner 1944 tauchte die Gestapo, die von einem Informanten detaillierte und zutreffende Informationen erhalten hatte, am Gelände der Schule auf. Ohne Vorwarnung stürmte sie in die Schulklassen und verhaftete die drei jüdischen Schüler und Père Jacques, den Schuldirektor. Die drei Buben wurden zuerst nach Drancy in das Durchgangslager für Juden gebracht, dann am 3. Februar 1944 mit dem Konvoy Nr. 67 nach Auschwitz. Unter den 1.214 Personen, die in die Güterwaggons gepfercht wurden, waren 184 Kinder unter 18 Jahren.

Père Jacques wurde verhaftet und die Schule auf Befehl der Deutschen geschlossen. Lucien Weil sowie dessen Mutter und Schwester wurden noch am selben Tag in ihrem Haus in Fontainebleau verhaftet. Sie wurden nach Auschwitz deportiert, wo auch sie zu Tode kamen. Colonel de Larminat aus Fontainebleau berichtete später, dass Père Jacques kurz vor seiner Verhaftung gesagt habe: „Manchmal wird mir Leichtsinn vorgeworfen. Man sagt mir, dass ich jetzt, wo ich die Verantwortung für die Kinder am Petit Collège trage, nicht mehr das Recht dazu hätte, mich in die Gefahr einer möglichen Verhaftung durch die Deutschen zu begeben. Aber denken Sie nicht, dass ich, sollte es passieren und sollte ich vielleicht getötet werden, dadurch ein Beispiel geben würde, das weit mehr wert wäre als alles, was ich ihnen in der Schule beibringen könnte?“

Lucien Bunel wurde zunächst im Gefängnis von Fontainebleau interniert, dann nach Mauthausen deportiert. Er schaffte es, bis zur Befreiung zu überleben, starb aber, erschöpft von den unmenschlichen Bedingungen seiner Haft, wenige Tage danach. Seine Leiche wurde nach Frankreich überstellt und am Friedhof von Avon begraben.

Weil diese tragische Geschichte der Rettung ohne Überlebende blieb, kam sie erst durch das Zeugnis von Hans Helmut Michels Schwester ans Licht.[1] Ihrem Bericht zufolge versteckte Père Jacques ihren Bruder Hans nicht nur, sondern arrangierte auch zwei Treffen mit ihm während der Schulpausen. In einem der Treffen bedankte sie sich bei Père Jacques und erklärte, dass sie nicht wisse, wie sie das Schulgeld bezahlen solle. Père Jacques antwortete, dass er keine Gegenleistung erwarten würde, weder dann noch in der Zukunft. Im Gegenteil: Er würde sich freuen, ihren Bruder auch nach dem Krieg bis zur Reifeprüfung in der Schule zu sehen. Da der Junge keine Eltern mehr habe, würde Bunel gerne deren Platz einnehmen.

Der Filmregisseur Louis Malle war ebenfalls Schüler des Kollegs. Sein Film, Au revoir les enfants (Auf Wiedersehen, Kinder), basiert auf seinen Erinnerungen an die Tragödie von Bunel und seinen drei jüdischen Protegés. Im Jahr 1988 meinte Louis Malle zu einem Journalisten der New York Times: „Das war für mich der bei weitem stärkste Eindruck meiner Kindheit, die Erinnerung, die an Lebhaftigkeit alle anderen übertrifft.“ Er erzählte, dass er sich gut daran erinnern könne, wie sich Père Jacques, während er mit seinen drei jüdischen Schülern abgeführt wurde, zu den versammelten SchülerInnen umdrehte und sagte: „Au revoir et à bientôt.“ [„Auf Wiedersehen und bis bald.“] Dann sagte er: „Plötzlich passierte etwas, das sehr bizarr war. Irgendjemand begann zu applaudieren, und dann applaudierten alle – trotz der Schreie der Gestapo, ruhig zu sein.“

Am 17. Jänner 1985 hat Yad Vashem Lucien Bunel, auch als Père Jacques bekannt, zum Gerechten unter den Völkern erklärt.

Yad Vashem

[http://www.yadvashem.org/yv/en/righteous/stories/bunel.asp]

Aus dem Englischen von Andreas Kranebitter

 


[1] Anm. d. Ü.: Mit diesem Zeugnis ist eine der Pages of Testimony gemeint, die die Gedenkstätte Yad Vashem seit den 1950er-Jahren sammelt. In den Pages of Testimony können Angehörige Informationen zu ihren verstorbenen Verwandten und Bekannten einreichen.

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