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Henryk Sławik 1894 - 1944 Bearbeiten

Geboren 15.7.1894 in Jastrzębie-Zdró
Gestorben 23.8.1944 in Mauthausen

Biografie

Im Oktober 2013, 69 Jahre nach seiner Ermordung in Mauthausen, schloss die Wiener Botschaft der Republik Polen die gemeinsam mit der ungarischen Botschaft in Wien organisierten Gedenkfeierlichkeiten für den 1990 von der Gedenkstätte Yad Vashem postum zum Gerechten unter den Völkern erklärten Obmann des Bürgerkomitees zur Unterstützung der polnischen Flüchtlinge in Ungarn, Henryk Sławik, mit einer großen Veranstaltung ab. Ein paar Monate zuvor, am 5. Mai 2013, war im Beisein des österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer durch den Staatspräsidenten Polens Bronisław Komorowski und den Staatspräsidenten Ungarns János Áder eine Gedenktafel auf dem Gelände des ehemaligen KZ Mauthausen für Sławik und seine Mitarbeiter enthüllt worden.

Bei der Veranstaltung wurde der Dokumentarfilm von Grzegorz Łubczyk und Mark Maldis Henryk Sławik – polnischer Wallenberg [Raoul Wallenberg, schwedischer Diplomat, der zahlreiche ungarische Juden 1944/45 vor der Deportation und Ermordung gerettet hatte, 1947 nach Russland verschleppt wurde und von da an verschollen blieb] gezeigt und in einer Diskussion an den bis 1944 aktiven Henryk Sławik und seine Einrichtung sowie an andere Helfer zur Verhinderung von Deportationen und Ermordungen von Verfolgten in der Nazi-Zeit erinnert.

Henryk Sławik wurde am 16. Juli 1894 in Jastrzębie-Zdró als Kind von Kleinbauern geboren. Er absolvierte das Gymnasium und nahm als Freiwilliger in der polnischen Armee am Ersten Weltkrieg teil. 1918 trat Sławik in die Polnische Sozialistische Partei ein, arbeitete bei der Ausrichtung der Schlesischen Volksabstimmung mit und begann als Journalist für Gazeta Robotnicza zu schreiben, deren Herausgeber er ein Jahr später wurde. 1922 übernahm Sławik die Funktion des Präsidenten des Arbeiterjugendverbandes Siła, 1928 heiratete er die Warschauerin Jadwiga Purzycka, 1929 wurde er Stadtrat in Katowice. Er war ein erbitterter Gegner der ab 1926 einsetzenden Politik der Sanacja (Heilung) der autoritären Regierungen Józef Piłsudskis. Von 1934 bis 1939 war Sławik Präsident des Polnischen Journalistenverbandes für Ober- und Niederschlesien.

Nach dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939 und dem Einfall der Sowjetunion am 17. September 1939 zur Aufteilung Polens auf Deutschland und auf die Sowjetunion verließ Sławik Polen und wurde in einem ungarischen Lager bei Miskolc interniert. Er war einer der Gesuchten des nationalsozialistischen „Sonderfahndungsbuchs Polen“. Im Gefangenenlager bei Miskolc stieß der Bevollmächtigte zur Betreuung von zivilen Flüchtlingen in Ungarn, József Antal (Vater des späteren gleichnamigen ungarischen Premierministers), auf Sławik und fand aufgrund von Sławiks guten Deutschkenntnissen in seinem Tätigkeitsbereich für ihn Verwendung. Es entstand das Komitet Obywatelski ds. Opieki nad Polskimi Uchodźcami (Bürgerkomitee zur Unterstützung polnischer Flüchtlinge), um den polnischen Flüchtlingen in Ungarn Arbeit zu verschaffen, Schulen und Waisenhäuser einzurichten und die Ausreise in sichere Exilländer zu ermöglichen. (Ab 1940 schob Ungarn nicht-ungarische Juden in das Generalgouvernement Galizien ab, wo sie dem deutschen Zugriff ausgeliefert waren.) Sławik begann seinen jüdischen Mitbürgern falsche Pässe auszustellen und half bei der Einrichtung eines Heims für polnische jüdische Waisen in Vác, das offiziell ein Waisenhaus für Kinder polnischer Offiziere war.

Am 19. März 1944 besetzten die Nationalsozialisten Ungarn, Sławik konnte durch eine Abmachung mit dem für das Lager der polnischen Juden verantwortlichen Offizier die Lagerinsassen vor den Nazis in Sicherheit bringen. Auch die jüdischen Kinder aus dem Waisenhaus in Vác wurden rechtzeitig evakuiert. Er selbst konnte sich nicht retten. Sławik wurde auf Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler zur Exekution in das Konzentrationslager Gusen I (Mauthausen II bzw. „Polenlager“) deportiert und dort am 23. August 1944 gehängt. Gusen I war zum Zeitpunkt der Einlieferung Sławiks längst ein Konzentrationslager der Stufe III für Einweisungen der Kategorie „Rückkehr unerwünscht“.

Henryk Sławik und seine Organisation konnten rund 30.000 nach Ungarn geflohene polnische Flüchtlinge retten, rund 5.000 von ihnen waren Juden. Sowohl die kommunistischen Regierungen Polens und Ungarns als auch das heutige Polen und das heutige Ungarn haben diese außerordentlichen Leistungen Sławiks und seiner Organisation gewürdigt.

Jadwiga Sławik, die Frau Henryk Sławiks, überlebte das Frauen-KZ Ravensbrück und traf nach dem Krieg ihre Tochter wieder, die von der Familie Antal vor den Nationalsozialisten versteckt worden war.

Gerhard Ruiss

Gerhard Ruiss, geb. 1951 in Ziersdorf (Niederöstereich), Autor, Musiker, Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren. Bücher, u. a.: Nachdichtungen der Lieder Oswalds von Wolkenstein in drei Bänden (Bozen/Wien 2011), und Paradiese – Schöne Gedichte (Horn 2013). Stücke, u. a.: Das 100. Jahr (Uraufführung Feldkirch 2014).

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