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Евгений Иванович Жуков / Ewgenij Iwanowitsch Schukow Bearbeiten

Geboren 7.12.1922 in Slawjansk
Gestorben 1944 in Mauthausen

Biografie

Es gibt kein Foto und keine Urkunden, selbst das genaue Geburtsdatum ist nicht überliefert. Bekannt war nur, dass er in Slawjansk (Stalinskaja Oblast, heute Region Donezk, Ukraine) geboren wurde, als Künstler tätig war und in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. Für unsere Familie, die später in Baku lebte, war der Großvater verschwunden, ohne Spuren zu hinterlassen.

Erst vor etwa zwei Jahren gelang es mir, seiner Enkelin, einen ersten Hinweis zu finden. Er war offensichtlich in das Konzentrationslager Mauthausen gebracht und dort bei seiner Ankunft nachweislich unter der Häftlingsnummer 66946 registriert worden. Bei ihm könne es sich um einen sogenannten K-Häftling gehandelt haben, wurde mir zusätzlich von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mitgeteilt. Als K- oder Kugel-Häftlinge wurden zunächst jene Zwangsarbeiter bezeichnet, die der Sabotage oder politischen Betätigung bezichtigt worden waren, ab 4. März 1944 auch kriegsgefangene, überwiegend sowjetische Offiziere, deren Flucht missglückt war. Viele der letzteren wurden kurz nach ihrem Eintreffen in Mauthausen exekutiert, im sogenannten Exekutionsbuch bis zum 23. Mai 1944 durch ein großes K gekennzeichnet. Später wurden sie im hermetisch abgeriegelten Block 20 untergebracht, wo die meisten von ihnen durch Unterversorgung, Misshandlungen und die katastrophale Unterbringung elendig ums Leben kamen. Die letzten etwa 500 K-Häftlinge brachen in der Nacht zum 2. Februar 1945 aus diesem Block aus, doch nahezu alle Geflüchteten wurden wiederergriffen und ermordet. Vermutlich lediglich elf Kriegsgefangene, von denen wiederum nur acht namentlich bekannt sind, überlebten diese sogenannte „Mühlviertler Hasenjagd“.

Einmal mit den Recherchen begonnen, gelang es mir, im Internet einige Unterlagen zu finden, die die deutsche Wehrmacht zu meinem Großvater angelegt hatte. Aus diesen ergaben sich weitere Hinweise auf sein Schicksal. Er war als Leutnant am 20. Juli 1942 bei Rschew gefangengenommen worden und über das Stammlager (Stalag) 342 in Maladsetschna (Belarus) am 30. September 1942 in das „Russenlager“ Münsingen transportiert worden, den Teil des Stalag V A Ludwigsburg, in dem sowjetische Kriegsgefangene registriert wurden. Er erhielt dort die Nummer V A 50039. Nur wenige Tage später, am 8. Oktober, wurde er in Stuttgart-Bad Cannstatt zur Arbeit (=> ein Kgf. ist kein Zwangsarbeiter, da zur Arbeit völkerrechtlich verpflichtet) eingesetzt. Dort blieb er bis zum 19. März 1943. An diesem Datum erfolgte seine Versetzung in ein anderes Lager, Stalag V C Offenburg. Von dort schickte man ihn sofort weiter zu einem Arbeitskommando in Flehingen im Norden von Baden, das von dem Bauunternehmen Siegrist in Karlsruhe betrieben wurde. In Flehingen blieb er mehr als ein Jahr, bis er am 9. Mai 1944 einen Fluchtversuch unternahm. Nur einen Tag später wurde er wenige Kilometer entfernt gefasst und entsprechend den geltenden, völkerrechtswidrigen Bestimmungen als wiederergriffener Offizier nach Mauthausen überstellt, wo er irrtümlich registriert wurde: sein Eintrag im dortigen Zugangsbuch wurde nachträglich durchgestrichen, in einem anderen Buch überklebt und durch den Namen eines anderen Häftlings ersetzt. Nach außen hin wurde somit der Eindruck erweckt, er sei nie dort gewesen. Da er vom Stalag V A Ludwigsburg zum 9. Mai als „geflohen und nicht wiederergriffen“ offiziell abgemeldet worden war, verliert sich in diesem Moment seine Spur, wenn man den Hintergrund nicht kennt. – er ist verschwunden.

Weiß man allerdings – wie inzwischen möglich –, die Quellen zu lesen, und kennt man die Zusammenhänge, dann ist sein Weg eindeutig. Als K-Häftling kam er nach Mauthausen, wurde dort aber wohl nicht unmittelbar exekutiert, sondern starb im Block 20 – wann, ist unbekannt. Dass er noch am Ausbruch vom 2. Februar 1945 beteiligt war, ist äußerst unwahrscheinlich. Er dürfte bereits im Sommer 1944 ums Leben gekommen sein.

Es gibt zweifellos noch Lücken in seiner Biographie, etwa, was seine Zeit in der Roten Armee angeht. Das Entscheidende jedoch ist, dass uns sein Schicksal jetzt bekannt ist. Es ist kein Trost, aber wenigstens ist die Ungewissheit vorbei – nach 74 Jahren.

 

Natalia Valeriewna Egorowa/Reinhard Otto

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