Louis Pfeifer 1895 - 1945 Bearbeiten
Geboren 8.1.1895 in Bad Marienberg
Gestorben 20.2.1945 in Mauthausen
Biografie
Ab Dezember 1936 führten Beamte der Staatspolizeistelle Frankfurt am Main von Marienberg im Westerwald ausgehend die „Aktion ‚Oberwesterwald‘“ gegen die Zeugen Jehovas durch. Auslöser dieser Verhaftungswelle war die Festnahme des Kuriers Louis Pfeifer mit dessen beschlagnahmten Beweismaterial am 9. Dezember 1936 auf der Straße zwischen Sechshelden und Dillenburg. Pfeifer wurde zur tragischen Schlüsselfigur für die Verfolgung seiner Glaubensgenossen im Westerwald und in den angrenzenden Kreisen Biedenkopf und Wetzlar, weil er dem immensen Druck in den Gestapo-Verhören nur etwa einen Monat standhielt.
Louis Pfeifer wurde am 8. Januar 1895 in Marienberg als Sohn des Landwirtes Wilhelm Pfeifer und dessen Ehefrau Pauline geb. Wüst geboren. Nach dem Besuch der Volksschule erlernte er in einer Schilderfabrik im nahen Erbach das Graveurhandwerk. Im Oktober 1914 meldete er sich freiwillig zur Kriegsmarine und leistete bis 1918 seinen Kriegsdienst bei einer Torpedo-Division in Wilhelmshaven ohne Einbeziehung in Kampfhandlungen ab. Beeinflusst durch die ‚Bibelforscher‘ im nahen Zinhain wurde er 1923 Zeuge Jehovas, trat im Folgejahr aus der evangelischen Kirche aus und ließ sich taufen. Zunächst nur in seiner Freizeit als ‚Kolporteur‘ im Vertrieb von religiösen Schriften tätig, gab er 1925 seinen Beruf auf und wurde ‚Voll-Kolporteur‘, finanziert durch seine Glaubensgenossen und eigene Ersparnisse. Von 1927 bis 1933 war er in der Magdeburger Zentrale der Wachtturm-Bibel- und Traktat-Gesellschaft als ‚Stereotypeur‘ beschäftigt.
Unter dem Eindruck des Verbotes der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung in Preußen ging Pfeifer im November 1933 in die Tschechoslowakei, um für die Zeugen Jehovas im tschechischen Schlesien Bücher zu verkaufen. Wegen eines Verbotes gegen das Pressegesetz wurde er verhaftet und aus dem Bezirk Šumperk ausgewiesen. Er kehrte nach Deutschland zurück, in der irrigen Annahme, dass sich seine Ausweisung auf die komplette Tschechoslowakei bezog. 1934 fand er bei seinem Bruder Karl in Zinhain ein neues Zuhause und arbeitete für den dortigen heimlichen Leiter der Zeugen Jehovas Heinrich Klimaschewski als Vertreter für Waschmittel, Gewürze usw. Von Herbst 1934 an verkaufte er auch Bibeln und nahm eine herausragende Rolle bei der Wiederbelebung des Zinhainer geistigen Lebens der Zeugen Jehovas im Untergrund ein – von der Gestapo als „Gruppe Pfeifer“ bezeichnet.
Nach ca. viermonatigen Kurierfahrten in die hessischen Nachbarkreise 1936 wurde der Westerwälder verhaftet und gab schließlich unter großem seelischen Druck die Namen etlicher Glaubensgenossen preis, wurde ihnen immer wieder durch die Gestapo gegenübergestellt und diente als Hauptbelastungszeuge wider Willen. Er selbst wurde durch das Sondergericht Frankfurt am Main im Juni 1937 zu zweijähriger Haft verurteilt, die er zunächst im Strafgefängnis Frankfurt-Preungesheim verbüßte, bevor er im Oktober 1937 in die gefürchteten Strafgefangenenlager im Emsland überführt wurde. In den Lagern Walchum, Börgermoor und Fullen lernte er die geballte Gewalt der SA-Leute kennen und musste Schwerstarbeit im Moor leisten. Nach Ablauf seiner Haftzeit wurde Pfeifer nach den gängigen Vorgaben für seine Glaubensgemeinschaft erneut in Schutzhaft genommen und kam im Dezember 1938 nach Buchenwald. In diesem Konzentrationslager erlebte er das erste Vierteljahr in der Strafkompanie die härteste und schmutzigste Zwangsarbeit sowie sadistische Sonderaktionen gegen die ‚Bibelforscher‘. Er traf ebenfalls auf einige der von ihm belasteten Zeugen Jehovas aus dem Westerwald, erlebte physische wie psychische Torturen der Wachmannschaften. Ab 1940 war Pfeifer zur Zwangsarbeit in seinem erlernten Beruf in SS-Werkstätten der Deutschen Ausrüstungswerke GmbH (DAW) eingeteilt.
Im Januar 1944 wurde der Westerwälder in ein Außenlager des Konzentrationslagers Lublin-Majdanek, in das DAW-Werk Lipowastraße, deportiert, wo er bessere Bedingungen als im Stammlager vorgefunden haben dürfte. Einen Tag vor der Befreiung gelangte Pfeifer mit dem letzten Evakuierungstransport – zunächst auf dem Todesmarsch nach Ćmielów – im Juli 1944 nach Auschwitz.
Dort ist er im Häftlingskrankenbau nachweisbar, weil er an Tuberkulose erkrankt war. Im Auflösungsprozess des Lagers ab dem 17. Januar 1945 musste Pfeifer den Todesmarsch nach Loslau überstehen, von wo er im Transport mit offenen Güterwaggons in mehrtägiger Fahrt nach Mauthausen gelangte. Gleich nach seiner Ankunft am 25. Januar 1945 soll er nach dem Augenzeugenbericht eines langjährigen Mithäftlings auf dem Fußmarsch ins Konzentrationslager zusammengebrochen sein. Im Krankenlager starb er am 20. Februar 1945, wenige Wochen vor der Befreiung. Pfeifer dürfte in seiner eigenen Gemeinschaft in Unkenntnis der wahren Hintergründe als derjenige Verräter gegolten haben, der er nie sein wollte.
Dr. Markus Müller, im Mai 2024
Dr. Markus Müller, geb. 1970, ist Oberstudienrat an einem Westerwälder Gymnasium. Er erforscht seit vielen Jahren die Biografien „vergessener“ NS-Verfolgter und nutzt seine Ergebnisse immer wieder für Unterrichtsprojekte. Für Louis Pfeifer und die Opfergruppe der Zeugen Jehovas haben seine Oberstufenschüler ein Kleindenkmal in Form jener Aktentasche entworfen, mit der Pfeifer 1936 verhaftet wurde. Die Stadt Bad Marienberg wird dieses Kleindenkmal zu seiner Rehabilitierung und im Gedenken an die bedeutende regionale Opfergruppe der Zeugen Jehovas realisieren.
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Louis Pfeifer war der Sohn von Wilhelm und Pauline Pfeifer, einer alteingesessenen Familie in Bad Marienberg/Westerwald.
Im Ersten Weltkrieg diente er als Marinesoldat. Danach arbeitete er als Graveur. In dieser Zeit wurde Louis Pfeifer ein überzeugter Anhänger der Bibelforscher. Von 1921 bis 1934 war er in der deutschen Zentralstelle der Bibelforscher in Magdeburg tätig. Aufgrund der einsetzenden Verfolgung der Bibelforscher durch das NS-Regime erfolgte die Auflösung und Zerschlagung dieser Institution. Louis Pfeifer versuchte, in die damalige Tschechoslowakei zu gelangen. Als „unerwünschter Deutscher“ wurde ihm die Einreise verwehrt. Daher kehrte er nach Zinhain bei Marienberg zurück, unterstützte die dortige Gruppe der Bibelforscher und verdiente seinen Lebensunterhalt als reisender Vertreter für Kurzwaren.
Louis Pfeifer wurde im Oktober 1936 von der Gestapo in Liebenscheid im Oberwesterwald verhaftet. Er wurde in das Gefängnis Frankfurt-Preungesheim gebracht, wo es zu ersten Folterungen kam. Bei einem Prozess in Frankfurt gegen eine Gruppe von Bibelforschern wurde er verurteilt. Anfang 1939 wurde er in das im Aufbau befindliche KZ Buchenwald überstellt. Er erhielt die Häftlingsnummer 1105. Dort blieb er fünf Jahre, wobei er auch im Steinbruch arbeiten musste.
Am 2. Februar 1944 wurde Louis Pfeifer in das Konzentrationslager Lublin-Majdanek überstellt. Der schnelle Vormarsch der Roten Armee zwang die SS, das Konzentrationslager Majdanek schnellstens zu räumen und am 23. Juli 1944 aufzulösen. Die Schließung des Lagers erforderte den Abtransport der Häftlinge. Pfeifer wurde in verschiedene Zwischenlager verlegt. Schließlich kam Louis Pfeifer mit einem Transport in offenen Güterwaggons nach Mauthausen.
Wie ein Mithäftling nach Kriegsende berichtete, traf dieser Transport, aus Auschwitz kommend, am 25. Jänner 1945 in Mauthausen ein. Auf dem steinigen Weg vom Bahnhof ins KZ Mauthausen brach Louis Pfeifer total erschöpft zusammen. Nur mit Hilfe seiner Kameraden erreichte er das Lager. Dort wurde er unter der Häftlingsnummer 118178 registriert. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands kam er ins Sanitätslager, was die Trennung von der Gruppe seiner Glaubensgefährten zur Folge hatte.
Auch aufgrund der dort vorherrschenden schlimmen Verhältnisse verstarb Louis Pfeifer am 20. Februar 1945 im Alter von 50 Jahren nach insgesamt mehr als acht Jahren Haft.
Sein Name wurde in das Totenbuch des Konzentrationslagers Mauthausen des Jahres 1945 unter der Nummer 1.583 eingetragen.
Während seiner Haftzeit hatte Louis Pfeifer nur wenig Briefkontakt mit Verwandten. Diese Briefe waren zensuriert und enthielten die Mitteilungen: „Ich bin gesund“ und „Mir geht es gut“.
Den Bibelforschern wurde als einziger Häftlingsgruppe die Möglichkeit geboten, die Entlassung aus einem Konzentrationslager zu erwirken, indem sie mit ihrer Unterschrift der Zugehörigkeit zur Internationalen Bibelforscher-Vereinigung abschworen. Nur wenige unterschieben den Revers.
Ulrike Springer, 2016
Ulrike Springer, geb. 1956 in St. Georgen an der Gusen, ist freie Mitarbeiterin im Mauthausen Komitee Österreich und Vermittlerin in der KZ Gedenkstätte Mauthausen. Sie ist ehrenamtlich für den Verein „Lila Winkel“ tätig.