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Wilhelm Ebert 1896 - 1945 Bearbeiten

Geboren 22.12.1896 in Gelsenkirchen
Gestorben 21.2.1945 in Mauthausen

Biografie

Wilhelm Ebert war Metallarbeiter in Bielefeld und überzeugter Kommunist. Er wurde vom NS-Regime verfolgt, mehrmals inhaftiert und 1936 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu mehr als zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. Er starb im Februar 1945 im Konzentrationslager Mauthausen.

Zur Person

Wilhelm Ebert wurde am 22. Dezember 1897 in Wanne im nördlichen Ruhrgebiet geboren als zweites von fünf Kindern einer Bergmannsfamilie. Nach dem Besuch der Volksschule lernte er den Beruf des Schlossers. Über seine frühe Erwerbstätigkeit ist nichts bekannt. Er war verheiratet ohne Kinder. Am 1. Oktober 1915 meldete sich Wilhelm Ebert, damals also 17 Jahre alt, freiwillig zur Marine. Auf Torpedobooten und U-Booten eingesetzt war er an verschiedenen Seeschlachten im Skagerrak beteiligt und nahm an einer Fernfahrt nach Konstantinopel und bis an den Euphrat teil. Diese Kriegsbeteiligung und seine Verdienste als Soldat wurden ihm bei seinem späteren Prozess (1936) als mildernde Umstände anerkannt. Ab 1931 war er in Bielefeld gemeldet, ab 1934 in der Bleichstrasse 205b. Zunächst arbeitete er in der Metallindustrie, die spätestens ab 1933 konsequent zur Rüstungsindustrie umgestaltet wurde. Nach seiner ersten Inhaftierung 1933 war er überwiegend arbeitslos, zeitweise verdiente er sein Geld als Bauarbeiter. Über ihn als Person ist so gut wie nichts bekannt, es gibt kein Foto von ihm, keine Briefe, keine sonstigen persönlichen Dokumente. Lediglich eine blasse Bleistiftzeichnung auf einer Art selbstgefertigter Visitenkarte lässt sein Bild erahnen. In verschiedenen Häftlingskarteien wird er als mittelgroß und schlank beschrieben, mit blaugrauen Augen und einer Tätowierung am linken Unterarm. Beim Vergleich verschiedener Eintragungen lässt sich erahnen, wie sich sein körperlicher Zustand im Laufe der Haft fortlaufend verschlechterte. Bei den Verfolgungsbehörden galt er als „besonders fanatischer Anhänger der kommunistischen Idee“.

Widerstand, Verfolgung und Tod

Wilhelm Ebert war Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei DKP. Im Unterbezirk Bielefeld war er zuständig für das Kassieren der Mitgliedsbeiträge. So hatte er regelmäßigen persönlichen Kontakt zu allen organisierten Kommunist*innen in diesem Gebiet. Laut Gerichtsakte von 1934 galt er als führender Kopf beim illegalen Wiederaufbau der kommunistischen Partei nach deren Verbot Anfang 1933.

1933 und 1934 war Wilhelm Ebert jeweils für kürzere Zeit wegen Verdachts auf staatsfeindliche Tätigkeiten inhaftiert. Der Vorwurf lautete auf Herstellung und Verbreitung illegaler Schriften oder Flugblätter. In einem Fall ging es darum, dass bei einem verhafteten Kommunisten Eberts Visitenkarte gefunden worden war. In beiden Fällen konnte ihm letztlich nichts Konkretes nachgewiesen werden.

Erneut kam es am 12. Mai 1935 in Bielefeld zu einer großen Verhaftungswelle, nachdem ein hauptamtlicher kommunistischer Parteifunktionär (Ernst Bertram aus Solingen) im Zug zwischen Bielefeld und dem Ruhrgebiet von zwei zufällig im gleichen Abteil reisenden Berliner Gestapo-Funktionären erkannt worden war. Unter den über hundert Verhafteten war auch Wilhelm Ebert. Vom Oberlandesgericht Hamm, welches eigens zu diesem Zweck in Bielefeld tagte, wurde er am 15. Februar 1936 verurteilt, gemeinsam mit 64 Mitangeklagten. Wilhelm Ebert war der Hauptbeschuldigte. Ihm wurde „Vorbereitung zum Hochverrat“ vorgeworfen. Dies bedeutete in der Terminologie der Ankläger eine Betätigung mit dem Ziel eines Regierungsumsturzes. Das Urteil lautete auf zwölf Jahre und drei Monate Zuchthaus. Auch die Mitangeklagten wurden fast alle zu hohen Strafen verurteilt. Mit diesem Prozess war der kommunistische Widerstand in Bielefeld zerschlagen, zumindest für die nächsten Jahre.

Seit dem Tag seiner Verhaftung im Mai 1935 hat seine Familie Wilhelm Ebert nicht wiedergesehen. Er verbüßte seine Strafe zunächst in verschiedenen Zuchthäusern (Münster, Butzbach, Kassel, Werl). Die Ehefrau gab später (nach dem Krieg) an, dass er sich gelegentlich per Brief gemeldet habe. Am 20. Dezember 1943 wurde Wilhelm Ebert der Staatspolizei Münster übergeben und von dieser am 1. Januar 1944, aus dem Konzentrationslager Dachau kommend, in das Konzentrationslager Mauthausen eingeliefert (damals Deutsches Reich, ab Kriegsende wieder Österreich). Als Haftgrund ist „Schutzhaft“ vermerkt mit dem Zusatz „politisch“. Laut Häftlingspersonalkarte war er „Invalide“, wobei es sich hierbei mutmaßlich um einen späteren Eintrag handelt. Denn bei Einweisung wurde sein körperlicher Zustand noch als „gut“ bezeichnet. Ab dem 21. Januar 1944 war er als Schlosser im Außenlager Schwechat eingesetzt. Hierbei handelte es sich um einen Rüstungsbetrieb im Wiener Umland, welcher zu Tarnungszwecken in einem Brauereikeller untergebracht war. Vom 30. Mai 1944 an befand sich Wilhelm Ebert im „Revier“ in Mauthausen. Dies war ein Ort zur Unterbringung und allenfalls rudimentären Versorgung kranker Häftlinge. Viele Schwerkranke wurden mit pseudomedizinischen Mitteln direkt dort ermordet oder in eine Vernichtungsanstalt verlegt und dann vergast.[1]

Die letzte briefliche Nachricht von ihrem Mann erhielt Anna Ebert im Januar 1945 aus Mauthausen. Nach Kriegsende galt er zunächst als „verschollen“. Erst am 6. September 1948 erhielt die Familie eine Todesnachricht vom Internationalen Roten Kreuz in Genf auf dem Umweg über den Suchdienst für vermisste Deutsche in der sowjetischen Besatzungszone in Berlin. Demnach war Wilhelm Ebert am 21. Februar 1945 in Mauthausen verstorben. Diese Auskunft beruhte allerdings lediglich auf einem Eintrag im Sterberegister des KZ. Eine offizielle Sterbeurkunde konnten die österreichischen Behörden seinerzeit nicht ausstellen. Es dauerte dann noch mehr als zwei Jahre, bis die von Wohlfahrtsunterstützung abhängige Ehefrau eine offizielle Todesurkunde bekam. Diese wurde vom Sonderstandesamt Arolsen ausgestellt, welches inzwischen für Beurkundungen von Sterbefällen in Konzentrationslagern außerhalb Deutschlands eingerichtet worden war. Somit konnte sie nun eine Hinterbliebenenrente beantragen.

Über die letzte Lebenszeit von Wilhelm Ebert ist aus den Unterlagen der Gedenkstätte Mauthausen zu entnehmen, dass er nicht im Krankenrevier, sondern im sogenannten „Sanitätslager“ starb. Es handelte sich hierbei um eine Einrichtung außerhalb des eigentlichen KZ, die nach dortiger Auskunft praktisch keine medizinische Versorgung mehr geboten habe, sondern lediglich der „Auslagerung des Sterbens“ gedient habe. Als Todesursache wird „Lungentuberkulose“ angegeben. In Wirklichkeit wird er verhungert sein oder an Entkräftung, Misshandlung und Vernachlässigung gestorben. Die Befreiung des KZ Mauthausen am 6. Mai 1945 durch amerikanischen Truppen kam für Wilhelm Ebert zweieinhalb Monate zu spät.

 

Nachleben

Die Ehefrau Anna Ebert stellte bereits im Februar 1946 einen Wiedergutmachungsantrag nach den von der britischen Besatzungsmacht im Dezember 1945 erlassenen Bestimmungen. Das Verfahren zog sich aus verschiedenen Gründen über Jahre hin, unter anderem wegen Zuständigkeitswechsel, Gesetzesänderungen und -ergänzungen. Letztlich erhielten die Witwe und andere Erben bescheidene finanzielle Entschädigungsleistungen, u.a. für „Schaden an Leben und Gesundheit“, für die Haftzeit, für entgangenen Verdienst und Nachteile im beruflichen Fortkommen.

Bereits im Juli 1948 war Wilhelm Ebert als „noch nicht Zurückgekehrter“ als politisch Verfolgter anerkannt worden. Seine Verurteilung von 1936 wurde schließlich am 20. August 1954 vom Oberlandesgericht Hamm annulliert.

2007 wurde auf Veranlassung der Stolperstein-Initiative in Bielefeld für Wilhelm Ebert vor seiner letzten Wohnung in der Bleichstraße 205b ein Stolperstein verlegt. 2022 wurden ergänzende Recherchen zu seinem Schicksal durchgeführt. Etliche weitere Stolpersteine in diesem traditionellen Arbeiterviertel erinnern an weitere Angehörige des kommunistischen Widerstands. Zu diesen gehört auch der jüngere Bruder Hugo Ebert, dem ein eigener Stolperstein gewidmet wird.

 

Gerlinde Bartels, Stolperstein-Initiative Bielefeld

 

Literatur:

Diewald-Kerkmann, G., Kunz, K., Knobelsdorf, A.: Vor braunen Richtern. Die Verfolgung von Widerstandshandlungen, Resistenz und sogenannter Heimtücke durch die Justiz in Bielefeld 1933-1945 (Bielefeld 1992).

Knobelsdorf, A.: Politische Strafjustiz in Ostwestfalen-Lippe von 1933 – 1945 und ihre Verarbeitung nach 1945, in: 78.Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensburg (Bielefeld 1990), S. 173-241.

Lawan, C.: Aus dem Bielefelder Arbeiterwiderstand 1935 – 1945, in: Emer, Horst, Schuler-Jung: Provinz unterm Hakenkreuz (Bielefeld 1984), S.39-72.

Lawan, C.: Die Bielefelder KPD im Widerstand gegen den Faschismus, in: Harder-Gersdorf, Klönne, Stiller: Beiträge zur Geschichte der Bielefelder Arbeiterbewegung (Bielefeld 1981), S. 199-230.

Lawan, C.: Untersuchungen zum antifaschistischen Widerstand der KPD 1932-1935 in Bielefeld (Bielefeld 1977).

Minninger, M.: Politisch und religiös Verfolgte in Stadt und Kreis Bielefeld, in: Meynert, Klönne: Verdrängte Geschichte. Verfolgung und Vernichtung in Ostwestfalen 1933-1945 (Bielefeld 1986).

Quellen:

Stadtarchiv Bielefeld

Wiedergutmachungsakten Ebert, StArchBI104_003_1197_0060

Hausbuch Am Uhlenteich 7, StArchBI109_003_A0050, _A0051, _A0064, -A0031

Hausbuch Bleichstrasse 2005b, StArchBI_104_003_1246_3281

Meldekarte Wilhelm Ebert, StArchBI_104_03_018_0358

Mauthausen Memorial,

Liste der Zugänge MM_Y46b_003208-003236.jpg

Eintrag im Sterbebuch MM_Y46b_003208-003236.jpg Wilhelm Ebert, KZ Mauthausen Signatur 01012603 oS

Arolsen Archives

Häftlingskarte KZ Mauthausen, Häftlingsnummer 41576, Signatur 01012603 oS

Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, Standort Münster,

            5 OJs 315-35

K 700, Nr. 2143, Transportbuch Polizeipräsidien (Verlegung von Gerichtsgefängnis Bielefeld nach Justizvollzugsanstalt Münster)

Q 920, Nr. 1331, Justizvollzugsanstalt Hamm, (Gefangenentransport 1941)

Q 222a, Nr. 3326, Generalstaatsanwaltschaft Hamm (Prozess Lieberum, Ebert als Mitinhaftierter vernommen)

Q211a, Nr. 3327 (Handakte Staatsanwalt 1934), Nr. 3333, Nr. 3334, Generalstaatsanwaltschaft Hamm, Ermittlungen 1933 1934 (Prozess Larsch, Ebert war nicht beteiligt, dennoch interessant als Umfeldinformation)

Q 211a, Nr. 5513 (Wiedergutmachungsangelegenheiten 1946 – 1958)

Q211a, Nr. 13222 (Ermittlungen und Verfahren 1933-1935, 1946-1958)

Hessisches Staatsarchiv Marburg

HStaM, Bestand 251, Wehlheide 2895, (Gefangenenpersonalkarte Strafanstalt Kassel-Wehlheide)

Landesarchiv NRW, Abt. OWL,

D1 BEG Nr. 9704, Entschädigungsakte Bezirksregierung Detmold,

D 20, B Nr. 643, Verfahren vor der Entschädigungskammer des LG Detmold

Landesarchiv Niedersachsen, Abteilung Hannover

NLA HA, Hann. 86 Hameln, Acc. 143/90 Nr. 2644 (Gefangenenpersonalakte Hugo Ebert, Haftanstalt Hameln, hierin vollständige Prozessakte von 1936, beide Brüder Ebert und zahlreiche Mitangeklagte betreffend)

 

 

[1] Anm. d. Red.: Das „Revier“ war ab Frühjahr 1943 im Vergleich zum „Sanitätslager“ ein Ort, wo privilegierte Häftlinge relativ gute Verpflegung erhielten, da die SS aufgrund des erhöhten Bedarfs der Rüstungsindustrie Interesse hatte, die Arbeitskraft der Häftlinge zu erhalten. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass auch dort medizinische Versuche an den Häftlingen durchgeführt worden sind. Die Selektionen für die Vergasungen wurden generell im „Sanitätslager“ durchgeführt, wo tatsächlich kaum medizinische Versorgung vorhanden war und es sich de facto um ein Sterbelager handelte (siehe unten). Für weitere Ausführungen siehe Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation (Wien 2016), S. 201f.

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