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Rudolf Hösl 1903 - 1945 Bearbeiten

Geboren 15.2.1903 in Wien
Gestorben 4.3.1945 in Hinterbrühl

Biografie

Mehr als ein Viertel aller österreichischen Deportierten im KZ Mauthausen waren sogenannte Berufsverbrecher. In der harten Anfangsphase waren sie die einzige Häftlingsgruppe in diesem Lager, die als besonders entbehrungsreich erinnerte Gründungsgeschichte des KZ Mauthausen ist von ihnen geprägt. „Berufsverbrecher“ galten vielen Überlebenden in ihren Worten als „degenerierte Kriminelle“ und „Raubtiere“, als „übelste Elemente“ und als sprichwörtlich „verlängerter Arm der SS“. Sie wurden mit prügelnden Funktionshäftlingen und mordenden Kapos identifiziert und für die Verbrechen in den Konzentrationslagern verantwortlich gemacht – wegen ihrer Präsenz im Lageralltag oft in stärkerem Ausmaß als SS-Angehörige. Tatsächlich hatten als „Berufsverbrecher“ Etikettierte bei ihrer Verhaftung allerdings kein strafrechtlich relevantes Delikt begangen und waren von keinem ordentlichen Gericht verurteilt worden. Tausende wurden vielmehr per Erlass einzig aufgrund ihrer Vorstrafen von der Kriminalpolizei „vorbeugend“ in die Konzentrationslager deportiert. Viele von ihnen starben, wie Angehörige aller anderen Opfergruppen, unmittelbar nach ihrer Einlieferung. Vielen wurde in der Nachkriegszeit auch von ehemals politischen Gefangenen bescheinigt, sich im KZ kameradschaftlich verhalten zu haben. Dennoch erinnert nichts und niemand an sie, dennoch sind ihre Geschichten in Vergessenheit geraten. Heute ist es mangels geeigneter Quellen äußerst schwierig, einzelne Lebensgeschichten zu rekonstruieren. In vielen Fällen existieren allerdings Gerichtsakten, die zwar definitiv keine Biografie schreibbar machen, aber doch eine biografische Annäherung ermöglichen. Dies soll im Folgenden versucht werden.

Bei einem Einbruch in der Wohnung des Buchhalters Hans B. in Wien werden am 8. März 1942 Wertsachen im Wert von über 1.000 Reichsmark entwendet. B. lenkt den Verdacht schnell auf den „übel beleumundeten“ Hilfsarbeiter Rudolf Hösl, der als Tankwart in der Garage des Hauses beschäftigt gewesen ist. Zudem ist Hösl mit B.s Nachbarin Gertrude Novak befreundet. Novak ist Jüdin. In der kriminalpolizeilichen Sachverhaltsdarstellung für die Staatsanwaltschaft ist bald nur mehr von „Hösl und der Volljüdin“ die Rede. Hösl und Novak werden nicht nur der Tat, sondern auch – obwohl beide jegliche intime Beziehung vehement bestreiten – der „Rassenschande“ bezichtigt. Hösl gibt zu Protokoll: „Meine Beziehungen zu Novak sind rein freundschaftlicher Natur[,] und habe mit ihr nie den Geschlechtsverkehr ausgeübt. Als ich erfahren habe[,] dass die Novak eine Jüdin ist, habe ich deshalb mein [sic] Beziehungen zu ihr nie aufgegeben, weil sie keinen Judenstern trägt. Ich dachte[,] für mich kann es doch keine Folgen haben, weil sie auch mit einem Arier verheiratet ist.“ Sollte sie aber geschieden sein, so Hösl wenig ruhmreich weiter, und dementsprechend den rechtlichen Schutz verlieren, den eine Ehe mit einem „Arier“ mit sich bringe, sollte sie also als geschiedene „Volljüdin“ einen Judenstern zu tragen haben, breche er die Beziehungen sofort ab. In den weiteren Ermittlungen erhärtet sich der kriminalpolizeiliche Anfangsverdacht in Bezug auf den Diebstahl; schließlich wird Anklage erhoben. In der Anklageschrift vom Mai 1942 wird allerdings eingeräumt, dass keine intime Beziehung nachgewiesen werden konnte; zudem wird zwar auf die Vorstrafen hingewiesen, aber (aus welchen Gründen auch immer) auf Begrifflichkeiten wie „Berufsverbrecher“ und „Gewohnheitsverbrecher“ verzichtet. Hösl wird nur „als gewiegte[r] Einbrecher“ beschrieben.

Über das Schicksal von Gertrude Novak geht aus dem Strafakt nichts hervor. Gertrude Novak, geboren am 16. April 1913 in Wien, stirbt am 1. Jänner 1943 im KZ Auschwitz.

Rudolf Hösl wird am 29. Mai 1942 vom Landgericht Wien wegen Diebstahls und des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes zu zweieinhalb Jahren schwerem Kerker verurteilt. „Mildernd war nichts“, stellt der Richter fest. Hösl wird am 26. Juni 1942 an die Strafanstalt Bernau abgegeben, von dort am 15. August 1942 ins Zuchthaus Garsten und schließlich in das Arbeitshaus Suben überstellt. Dieses überstellt ihn am 7. Oktober 1944 wegen „Ablauf der Strafzeit“ in das Polizeigefängnis Wien, im Volksmund wegen seiner damaligen Adresse an der „Elisabethpromenade“ allzu lieblich „Liesl“ genannt. Die Bestätigung der Rücküberstellung nach Wien ist das letzte Dokument, das sich im Strafakt findet. Hösls Verurteilung ist die dritte, die mit sechs oder mehr Monaten Strafmaß geahndet worden ist. Damit sind die Bedingungen des „grundlegenden Erlasses zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung“ für die Kriminalpolizeileitstelle Wien erfüllt. Bereits am 3. November 1944 wird er ins KZ Mauthausen deportiert, in dessen Außenlager in Hinterbrühl er am 4. März 1945 stirbt.

Andreas Kranebitter

Andreas Kranebitter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Universitätsassistent am Institut für Soziologie der Universität Wien; er ist koordinierender Herausgeber der Jahrbücher der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und des Gedenkbuchs für die Toten des KZ Mauthausen und seiner Außenlager.

 

Quellen:

Wiener Stadt- und Landesarchiv, Landesgericht für Strafsachen Wien, A11 – Vr. 488/42.

Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Totenbuch des SS-Standortarztes Mauthausen, Y/46.

http://www.doew.at/ (Eintrag zu Gertrude Nowak, Zugriff am 1.12.2015).

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