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Carmelo Salanitro 1894 - 1945 Bearbeiten

Geboren 30.10.1894 in Adrano
Gestorben 24.4.1945 in Mauthausen

Biografie

Carmelo Salanitro wurde am 30. Oktober 1894 in Adrano in Catania geboren. Sein Vater Nicolò war ein bescheidener Handwerker und seine Mutter Concetta Portaro war Hausfrau. Den Eltern gelang es unter großen Opfern den fünf Kindern eine Universitätsausbildung zu ermöglichen. Carmelo besuchte das Gymnasium in Adrano. Später wurde er aufgrund seiner hervorragenden schulischen Leistungen an der Internatsschule Gulli e Pennisi in Arcireale aufgenommen, wo er das Gymnasium abschloss. Er verbrachte auch seine Universitätszeit in Arcireale, wo er 1911 an der geisteswissenschaftlichen Fakultät immatrikuliert hatte. In jenen Jahren unterrichtete er neben seinem Studium auch am Institut und der Internatsschule San Michele der Oratorianer.

Nach seinem Studienabschluss im Jahr 1919 und seiner Rückkehr nach Adrano begann seine kurze politische Karriere in der neugegründeten Partei Partito Popolare. Er wurde als Parteisekretär Mitglied des Führungsgremiums der Gruppe von Adrano der jungen Partei.

Er arbeitete mit dem Priester Vincenzo Bascetta zusammen, der 1914 stellvertretender Bürgermeister von Adrano war. 1920 war er gemeinsam mit Padre Bascetta ein glühender Unterstützer der Wahlkampagne für die Erneuerung des Provinzrates von Catania. Am 7. November errangen die Popolari einen großen Sieg. Padre Bascetta wurde mit 2.268 Stimmen gewählt und der damals 26-jährige Salanitro bekam 2.194 Stimmen.

Im November 1923 rissen die Faschisten sämtliche Verwaltungsbehörden gewaltsam an sich. Von diesem Zeitpunkt an verlieren sich auch die Spuren jeglicher politischer Aktivität von Carmelo. Ein Eintrag in seinem kurzen Tagebuch, das er am 28. Oktober 1931 begonnen hatte, gibt Aufschluss über seine Gemütsverfassung in jenen Jahren, als der Faschismus triumphiert hat: „Am heutigen Mittwoch beginnt das 10. Jahr des faschistischen Regimes. Heute ist es genau neun Jahre her, seit am 28. Oktober 1922 diese Farce begonnen hat, die nur ein tragisches Ende finden kann. Heute will ich mithilfe dieses Tagebuchs zu reden beginnen, und zwar mit mir selbst, denn selbst wenn du mit einem Freund, dem du vertraust, über die Dinge aus deinem Ort sprechen willst, musst du die Stimme senken und dich vorsichtig umschauen und auf die stummen Mauern achten, die dich umgeben.”

In diesen Jahren unterrichtete Carmelo mit großer Leidenschaft Latein und Griechisch und gab seine umfangreichen Kenntnisse der klassischen Welt an seine Schüler weiter. Er war in vielen Städten Siziliens bekannt, denn nach einem Jahr des Unterrichtens in Taranto außerhalb von Sizilien kam er nach Adrano, dann nach Caltagirone und Arcireali und 1937 wurde er schließlich an das Gymnasium Cutelli in Catania versetzt, wo er auf den damaligen Schulleiter traf, der ihn später denunzieren würde. Carmelo war der einzige Professor an jener Schule, der sich weigerte, der faschistischen Partei beizutreten.

Es ist nicht schwer zu erraten, dass er seine Unterrichtsstunden vorwiegend jenen Autoren widmete, die ihm Anlass gaben, sich mit den Problemen der Gesellschaft seiner Zeit auseinander zu setzen: Das Streben nach Frieden, die triste Lage der subalternen Gesellschaftsschichten und die extreme Not der Bauern, die den Großteil der Bevölkerung seiner Geburtsstadt ausmachten. Diesen unglücklichen Mitbürgern galt Carmelos brüderliche Solidarität. Die Georgica des Vergil dienten ihm zur Verdeutlichung des Strebens nach Frieden und der Bedeutung der Arbeit der Bauernschaft.

Er musste seinen Schülern auch Tacitus vorlesen, dessen Schriften einen leichten Anlass zur Kritik an jeder Form der Tyrannei bieten.

Zwei Essays, die von Carmelo Salanitro veröffentlicht wurden, enthalten eine indirekte, aber dennoch klare Kritik am Regime: Homerica. Ideale di pace e sentimento del dolore nell’Iliade  (Adrano 1929) (Homerica. Das Ideal des Friedens und das Gefühl des Schmerzes in der Ilias) und Attorno alle Georgiche virgiliane. Impressioni e note (Caltagirone 1933) (Rund um die Georgica des Vergil. Eindrücke und Anmerkungen).

Carmelo Salanitro war ein überzeugter Verfechter des höchsten Wertes der Freiheit der Person, des Gedankens und des Handelns sowie jenes der Demokratie und des Friedens. Seine politischen und sozialen Erfahrungen waren bereits vor der Machtübernahme durch die Faschisten gestärkt. Er war ein Erzieher der Jugend, ein wahrer Lehrer, der sich aber nicht einzig und allein der Lehre des Griechischen und Lateinischen verschrieben hatte, sondern der die Rolle eines echten Lehrmeisters für die Gewissensbildung der Jugend wahrgenommen hat.

Er hat sich der einzigen faschistischen Doktrin, die mit ihren zahlreichen liturgischen Modellen auf verheerende Art und Weise alles und jeden durchdrungen hatte, nicht gebeugt. Ein Regime, das den erzwungenen Alltagsrhythmus in der alltäglichen Durchsetzung unerbittlich skandierte, mit dem schonungslosen Einsatz von Gewalt und der Unterdrückung all jener Instrumente, welche die Grundlage einer demokratischen Gesellschaft bilden: die Einsetzung einer einzigen Partei in der nationalen politischen Struktur und der Ausschaltung jeder Manifestation von Pressefreiheit, der Äußerung des freien Gedankens, dem Dissens mit den Handlungen des Regimes, Gefängnisstrafe oder Tod.

Er fand sich weder mit der passiven und unterwürfigen Akzeptanz der Gesetze ab, welche die Juden arg diskriminiert haben, noch mit der Lobpreisung der „erwählten Rasse” oder dem Aggressionskrieg gegen Afrika und dann gegen die Völker Europas.

Der freie und rebellische Geist von Professor Carmelo Salanitro resignierte auch zu Beginn des faschistischen Aggressionskriegs im Juni 1940 nicht. Carmelo begann vielmehr, seiner Wut und seinem Schmerz angesichts des unglaublichen Massakers, das in Gang gesetzt wurde, Ausdruck zu verleihen. Seine Empörung über den Faschismus, der die Jugend in den Tod schickte und die Zerstörung Italiens vorantrieb, war enorm.

In seiner Entrüstung schrieb er mit einer Schreibmaschine Zettel, die er an öffentlichen Orten, angefangen vom Gymnasium Mario Cutelli, an dem er unterrichtete, und in Briefkästen deponierte. Auf diesen Zetteln stand geschrieben: “Der wahre Feind Italiens ist der Faschismus. Es lebe der Frieden. Es lebe die Freiheit […]”, „Der Faschismus hat grundlos einen verbrecherischen Krieg ausgelöst, in dem unsere Söhne und Brüder den Tod finden. Sizilianer, kämpfen wir nicht […]“, „Der Faschismus überzieht die Nation mit Blut und Zerstörung” und „Mussolini ist ein blutdurstiger Tiger, Tod für Mussolini.”

Diese Anprangerungen, die bereits nach der Aggression von Nazi-Deutschland gegenüber Polen begonnen hatten, wurden nach der Kriegserklärung an Frankreich und England durch die faschistische Diktatur noch intensiver.

Ein wahrer unbewaffneter Held, den seine anständigen Empfindungen mit Leidenschaft erfüllten und der unter der Unterwerfung der riesigen Herde an Feiglingen, die ihn umgaben und die sich der faschistischen Gewalt beugten und ihren Vorteil suchten, litt. Das Umfeld war bereits von einer unterwürfigen Automatisierung gekennzeichnet, in dem es nur so von niederträchtigen Spitzeln wimmelte, die alles heimtückisch beobachteten, um dann von den Faschisten den Sold zu erhalten, der Denunzianten zustand.

Man kann sich die fürchterlichen Sorgen vorstellen, die ihn bei dem Gedanken an seine Frau Giuseppina und den fünfjährigen Sohn Nicolò plagten, als er schweigend seine Zettel verteilte, auf denen er Freiheit forderte und gegen die Diktatur und den verheerenden Krieg Position bezog.

Der Schuldirektor zeigte ihn bei der faschistischen Miliz an. Daraufhin wurde er überwacht und dabei erwischt, als er seine Aufrufe gegen den Faschismus an öffentlichen Orten deponierte. Er wurde sofort verhaftet. Das war am 14. November 1940. Am 25. Februar 1941 wurde er zu einer 18-jährigen Haftstrafe verurteilt. Das war eine sehr hohe Strafe für eine nicht gewaltsame Handlung, wie sie nur eine sadistische und freiheitsfeindliche Diktatur verhängen konnte. Verkündet wurde die Strafe vom sogenannten Tribunale Speciale per la difesa dello Stato (Sondergericht zur Verteidigung des Staates).

Carmelo Salanitro war in Regina Coeli (Rom), in Civitavecchia und schließlich in Badia di Sulmona inhaftiert. Nach dem Waffenstillstand vom 8. September haben ihn die faschistischen Behörden und jene der neuen Regierung Badoglio nicht freigelassen. Unbescholten und kohärent mit seinen Handlungen weigerte er sich, ein Gnadengesuch zu stellen, da dies ein explizites Schuldbekenntnis gewesen wäre. Der Staatsanwalt des Königs schrieb in einem Bericht an das Justizministerium, dass „das Gnadengesuch aus besonderen Gründen nicht ratsam wäre.”

Am 8. Oktober wurde er den Deutschen übergeben und als Häftling aus Gründen der Staatssicherheit nach Dachau deportiert, wo er die Häftlingsnummer 61.302 erhielt. Am 6. Dezember 1943 wurde er nach Mauthausen überstellt, wo er als politischer Häftling eingestuft wurde und ihm die Häftlingsnummer 40745 zugewiesen wurde. Nach einem kurzen Aufenthalt in Schwechat-Floridsdorf, einem Außenlager von Mauthausen, wurde er am 9. Jänner 1944 nach Dachau zurückgebracht. Am 17. August 1944 wurde er nach Mauthausen verlegt, wo er die Häftlingsnummer 90294 erhielt. Nach einem kurzen Aufenthalt im Außenlager St. Valentin wurde er nach Mauthausen zurückgebracht, wo er am 24. April 1945 ermordet wurde. Er wurde 51 Jahre alt.

Hätte er sich schweigend gefügt so wie viele andere, wäre ihm der schmerzhafte Leidensweg erspart geblieben, der nur elf Tage vor der Befreiung des Lagers, als die Nazis bereits zur Flucht bereit waren, mit seinem Tod in der Gaskammer endete.

Brief an die Mutter vom 27. Februar 1943, aus dem Gefängnis von Civitavecchia:

„Meine geliebte Mutter, vorgestern am Donnerstag sind genau zwei Jahre seit meinem Prozess und meiner Verurteilung vergangen. Dennoch ist weder der Körper ermattet, noch der Geist gebrochen, die Gnade des gerechten und gnädigen Gottes. Ich musste viel Mut aufbringen, als ich mich auf die gewöhnliche Bank gesetzt habe, und auch in der fatalen Nacht vom 15. auf den 16. Dezember von Catania nach Rom. Aber auch in dem Tumult im größten Drama meines bewegten Lebens, im Innersten meines Geistes hat das ruhige und sanfte Licht nie aufgehört zu strahlen, das immer meine Stärke und mein größter Trost war. Tadle mich nicht, wenn ich einen Moment lang die Familie vergessen und vernachlässigen konnte. Wirf mir nicht Unvorsichtigkeit und Leichtigkeit vor, wegen derer ich meine Position zerstört und meinen Posten verloren habe und das Ergebnis von jahrzehntelangem Opfer und Mühen von mir und meiner Eltern zunichte gemacht habe. In keiner Phase meiner Existenz, seit ich die Schulbank gedrückt habe und auch als Jugendlicher und als Mann habe ich mich jemals von materiellen Interessen, von Geld oder Vorteilen oder äußerlichen Annehmlichkeiten in meinen Handlungen, Gedanken und Gefühlen leiten lassen. Ich habe stets versucht, in Frieden mit mir selbst zu leben. Grund für Freude und Zufriedenheit habe ich stets aus meinem Gewissen geschöpft. Mir scheint, dass sich im Schrei, im Aufruf und in der Ermahnung des Gewissens die mächtige Stimme Gottes offenbart. Ich habe das Folgen seiner klaren Impulse, das Befolgen seiner unabdingbaren Gebote stets als strenge Pflicht des Individuums erachtet, das es sich nicht in einer moralischen Trägheit bequem macht, die schlimmer ist als der Tod, und das seinen Platz nicht verlässt und nicht auf die Befriedigung gewisser nicht unterdrückbarer Bedürfnisse der Persönlichkeit und der menschlichen Würde verzichtet. Sich ohne Unterbrechung und Müdigkeit abzumühen, wieder aufzustehen, wann man hinfällt: das ist der Rhythmus des Lebens. Das Streben nach etwas, das die materiellen Formen und Grenzen aufhebt. Die Wirkung der Zeit ist immens, sie lindert Schmerz und macht Unrecht wieder gut. Und was bedeutet außerdem unsere individuelle Mühsal angesichts der unendlichen Schmerzen und Mühen, mit denen die Leute von heute für die Menschen von morgen eine bessere und gerechtere Zukunft erbauen? Ich beklage mich nicht, wenn ich eines Tages, wenn ich in das Leben draußen zurückkehre, wieder von ganz vorne anfangen muss und wenn ich arbeiten und schwitzen muss, um zu überleben. Es hilft mir das Beispiel meines Vaters, der so wie deiner in der Bresche gestorben ist. Du gabst mir das Leben. Unter großen Opfern hast du mich studieren lassen und mir jene Kultur gegeben, die insbesondere in meinem Zustand das Licht meines Geistes und die Nahrung meines Herzens ist. Und ich kann es dir nicht einmal lohnen. Aber der Herrgott, der alles weiß, wird es dir als Dank für deine Tugenden gestatten, so hoffe ich, den verlorenen und verirrten Sohn wiederzufinden und zurück zu bekommen, damit er dir teilweise seine große Schuld zurückzahlen kann …”

Maria Salanitro Scavuzzo, Schwiegertochter von Carmelo Salanitro

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