Zurück

Józef Nowak 1890 - 1940 Bearbeiten

Geboren 2.1.1890 in Jasienica
Gestorben 22.8.1940 in Gusen

Biografie

Geschichte der Suche nach biografischen Fakten

Ich habe im Rahmen meiner Ahnenforschung Informationen über meinen Großvater, Józef Nowak, gesammelt - ich führe einen Stammbaum der Familie Nowak.

Die mir zur Verfügung stehenden Quellen sind:

[1] Erzählungen meines Vaters, Tadeusz Nowak, Sohn von Józef, geboren am 24. Juni 1924 in Bielsko-Biała [Bielitz-Biala], gestorben am 4. September 2013 in Radom.

[2] Persönlich von meinem Vater verfasste Erinnerungen, im Folgenden Tagebuch genannt.

[3] Korrespondenz aus den Archiven der Konzentrationslager Dachau, Mauthausen, Gusen.

[4] Fotokopien von Dokumenten aus diesen Archiven: unter anderem die Seite 006811 aus dem Dachauer Buch, in dem die Ankunft, die Daten und der Tod der Häftlinge verzeichnet wurden.

[5] Daten aus genealogischen Recherchen und Suchmaschinen: Arolsen Archiv (Suche vom 15. September 2020), Dachau Concentration Camp Records [Dachauer Konzentrationslagerakten], 1945 (online).

Darüber hinaus:

[6] Lagererinnerungen von Marian Główka http://041940.pl/gehenna-obozowa/gusen-drugi-oboz/gusen/gusen/ online (gesammelt in der Datei: wo bist du Josef Nowak.pdf)

Koszmary z hilterowskich polenlagrów, więzień i konzentrationslagrów w latach 1939-1945   Marian Główka, online [Albträume aus den nationalsozialistischen Polen-Konzentrationslagern, Gefängnissen und Konzentrationslagern in den Jahren 1939-1945 Marian Główka, online]

[7] „Wspomnienia farmaceutów z lat 1939-1945 [Erinnerungen von Pharmazeuten aus den Jahren 1939-1945]“ herausgegeben von Witold Włodzimierz Głowacki, Wydawnictwo Literackie, Kraków 1975, Kapitel 1, Franciszek Nowak „Trudna droga do wolności [Ein steiniger Weg in die Freiheit]” S. 15-23.

[8] Krzysztof Dunin-Wąsowicz, Ucieczki z obozów koncentracyjnych [Berichte über die Flucht aus Konzentrationslagern], Teil II,  DZIEJE NAJNOWSZE [Die neueste Geschichte], ROCZNIK [Annual] IX — 1977, 4, S. 23.  

[9] Druh Wacław Milke, Posmiertna autobiografia [Posthume Autobiographie], Płock 2014 http://videoad.plocman.com/dzieciplocka/Druh%20Wac%C5%82aw%20Milke%20-%20po%C5%9Bmiertna%20autobiografia.pdf

 

Die Geschichte von Józef Nowak.

Mein Großvater war ein polnischer Polizist und arbeitete bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auf der Polizeistation in Mikuszowice (Nikelsdorf) bei Bielsko-Biała [Bielitz-Biala]. Als Soldat geriet er im Ersten Weltkrieg in russische Gefangenschaft und wurde nach Sibirien verbannt. Von dort entkam er und machte sich durch das weite Land zu Fuß auf den Weg zurück nach Polen. Er war ein tapferer Mann. Für seine mutige Verteidigung der Jenkner-Fabrik gegen Einbrecher belohnte ihn der dankbare Besitzer jedes Jahr zu Weihnachten mit einer Kiste Likör, die ihm zu den Festtagen nach Hause geliefert wurde.

 

Über das sibirische Schicksal von Józef Nowak, über das mein Vater auch oft bei Familiengesprächen berichtete, lesen wir im Tagebuch (S.1):

Ich wurde am 24. Juni 1924 in Bielsko [Bielitz] (heute Bielsko-Biała [Bielitz-Biala]) als ein 5,5 kg schweres „Bärchen“ geboren – mein Vater war ein polnischer Polizist mit teilweise deutscher Abstammung und meine Mutter hieß Helena (geborene Michalik). Die genaue Biografie meines Vaters kenne ich nicht; Folgendes fand ich erst am Vortag seiner Verhaftung durch die Gestapo im Jahr 1940 heraus:

a) Mein Vater diente während des Ersten Weltkriegs in der österreichischen Armee und geriet 1915 in russische Gefangenschaft. Er wurde von den Russen gefangen genommen und nach Sibirien deportiert.

b) 1917 schloss er sich dem tschechischen Korps an, mit dem er 1918 unter den Angriffen der bolschewistischen Verbände bis nach Wladiwostok durchbrach.

c) In der Nähe der Oberen Tunguska (Fluss) [stießen sie] auf die Holzhütte eines polnischen Verbannten aus dem Jahr 1863.

d) Dieser Verbannte hatte durch Mundpropaganda erfahren, dass Polen [wieder] gegründet worden war.

e) [Der Verbannte] zog einen Klumpen Gold hinter einem Dachvorsprung hervor und sagte: „Ich bin zu alt, um in das freie Polen zurückzukehren, aber wenn ihr zurückkehrt, gebt es der polnischen Staatskasse als Geschenk eines Aufständischen von 1963.“ [1]

Das ganze Abenteuer und die Worte meines Vaters: „Auch wenn wir alle Wege Sibiriens durchqueren müssten, bleiben wir Polen“, setzten sich in meinen Kopf und in meinem Herzen fest und hatten einen entscheidenden Einfluss auf mein zukünftiges [...] Leben.

Als der Krieg begann, überwachte Józef Nowak die Evakuierung der polnischen Bevölkerung, die in den Osten floh. Laut Tagebuch seines Sohnes Tadeusz boten ihm die Deutschen zu Beginn des Krieges den Posten eines „schlesischen Polizisten“ an, den er mit der Begründung ablehnte, dass er ein „polnischer Polizist“ sein wollte (Tagebuch S. 5):    

Die Deutschen gaben keine Ruhe und behelligten [meinen] Vater weiter. Sie luden ihn auf die Wache vor und boten ihm das Kommando über eine Polizeistation der Granatowa Policja (Polnische Polizei) [2] im Generalgouvernement an, unter der Bedingung, dass er die [Bestätigung über seine] schlesische Zugehörigkeit unterschriebe. Vater stimmte dem unter der Bedingung zu, dass man „polnischer Schlesier“ hinzufügen würde. Dies erzürnte die Deutschen. Außerdem beschwerten sich die Deutschen, bei welchen mein Vater während des Kriegsrechts Pferde für die polnische Armee beschlagnahmt hatte, bei ihren Behörden darüber. Es gab auch einzelne Deutsche, die meinen Vater warnten und ihm rieten zu fliehen. Mein Vater gab auf (meine Mutter kehrte mit den [jüngsten] Kindern noch nicht zurück) und erzählte mir dann von seinem Schicksal als Verbannter nach Sibirien. Die Gestapo inhaftierte [meinen] Vater im Konzentrationslager Dachau.

Józef Nowak wurde von den Deutschen verhaftet und am 28. April 1940 in das Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er als Häftling mit der Gefangenennummer 4248/6839 festgesetzt wurde; dort blieb er auch bis zum 05. Juni 1940 (Seite 006811 des Dachauer Buches).

Dann wurde er, vermutlich weil er in den Konzentrationslagerunterlagen als Beamter geführt worden war, nach Gusen verlegt (Schreibst-Karte.jpg). „Die Menschen, die nach Gusen deportiert wurden, waren vor allem jene mit höherer Bildung, die zuerst liquidiert werden sollten.“ ([7], S. 18)

Sowohl [6], [7] als auch [8] geben unabhängig voneinander die Geschichte von Józef Nowak wieder, welcher aus dem Konzentrationslager Gusen geflohen war. Aus [6] und [7] schließen wir, dass die Flucht [in der Zeit] zwischen dem 28. Juli 1940 und vor dem 15. August 1940 stattfand, da sich der Autor [7] zu diesem Zeitpunkt in Gusen aufhielt. Er schrieb über die schreckliche „Satansnacht“ als Vergeltung der Deutschen für die Flucht von Józef Nowak. Die anschließende Gefangennahme von Nowak und sein weiteres Schicksal wurden [von ihm] nicht erwähnt, so dass dies wahrscheinlich nach dem 15. August geschah.

Der zweite Autor [8] hingegen gibt das genaue Datum der (von diesem und dem Autor [6] ausführlich beschriebenen) schrecklichen Nacht an, die er „die Nacht des Józef Nowak“ oder auch „die Nacht des Heiligen Bartholomäus“ nennt. Es war die Nacht vom 29. auf den 30. Juli 1940. Alle Überlebenden beschlossen, eine Einzelflucht zu verhindern, gründeten aber gleichzeitig eine Untergrundbewegung innerhalb des Konzentrationslagers. (S. 22). Wir lesen weiter [8]:

Ein Entkommen aus dem Lager war fast unmöglich. Józef Nowak wurde in den nächsten Tagen gefangen genommen, als der Hunger ihn dazu zwang, mit Menschen in Kontakt zu treten. Die Wachsamkeit der Gestapo war so groß, dass der Flüchtige keine Chance hatte, gerettet zu werden, wenn nicht sofortige Hilfe von außen käme. Nowak, der unweit von Gusen gefangen genommen wurde, wurde ins Konzentrationslager gebracht und mit Handschellen gefesselt vor dem Tor zur Schau gestellt, an seiner Brust hing ein Pappschild mit der Aufschrift: „Ha, ha, ha, ich bin wieder da!“, was vom außergewöhnlichen Witz des Kommandanten Chmielewski [3] zeugen sollte. Der Anblick eines zerschundenen und ausgemergelten Kameraden sollte dagegen andere von der Flucht abhalten.

Nowak wurde an diesem Tag am Abend nach Mauthausen gebracht und im Krematorium verbrannt.

Die Todesursache war nach Angaben eines Augenzeugen, des ersten Bürgermeisters von Bielsko (1945), eine so grausame Prügelstrafe, dass „das Fleisch von den Knochen abfiel“. Zu diesem Thema heißt es im Tagebuch (S. 6):

Vom ersten Bürgermeister von Bielsko (1945), der das Lager überlebte, erfuhr ich, dass er furchtbar gefoltert wurde, dass ihm das Fleisch von den Knochen fiel und dass er nach [4] seinem letzten Appell, zu dem er bereits geschleppt worden war, im Krematorium verbrannt wurde.

Meine Mutter wurde 1940 informiert, dass er eines natürlichen Todes gestorben war.

Mein Vater erzählte bei Familiengesprächen diese Geschichte immer wieder.

In einer E-Mail vom Archiv des Konzentrationslagers Mauthausen-Gusen (vom 27. August 2014) informierte mich der Beamte Peter Egger wie folgt:

Attached you will also find a scan of the Gusen death registers (shelf mark AMM/1/1/6). According to this document Mr. Josef Nowak died in branch camp Gusen on August 22, 1940. The cause of death is given as „akute Herzschwäche“ (i.e. ‘acute heart weakness’). We would like to point out that the causes of death given in the source often do not match the actual[5]

Übersetzung: Beiliegend finden Sie auch einen Scan aus dem Sterberegister von Gusen (Signatur AMM/1/1/6). Laut diesem Dokument verstarb Józef Nowak am 22. August 1940 im Außenlager Gusen. Als Todesursache wurde „eine akute Herzschwäche“ angegeben. Allerdings möchten wir darauf hinweisen, dass die Todesursachen, die in dieser Quelle angeführt wurden, oft nicht mit den tatsächlichen Todesursachen übereinstimmen.

 

Lange Zeit war ich unsicher, ob es sich bei dieser Geschichte um meinen Großvater handelte, obwohl es aufgrund der Daten wahrscheinlich war. Doch er, ein Soldat, der einst aus russischer Gefangenschaft entkommen und durch Sibirien nach Polen zurückgekehrt war, später ein mutiger polnischer Polizist, hätte die Flucht wagen können.

Die endgültige Antwort ergab sich aus einer Analyse der Materialien des Arolsen Archivs und der Gedenkstätte Mauthausen. Laut Lagerdokumenten starb mein Großvater Józef Nowak am 22. August 1940. Laut der Suche im Arolsen Archiv am 15. September 2020 und laut den Daten der Gedenkstätte Mauthausen gibt es keine Hinweise darauf, dass in der Zeit zwischen dem  28. Juni 1940 und dem 14. Dezember 1940 ein anderer Gefangener namens Józef Nowak im Konzentrationslager verstorben war. Wie ein Mitarbeiter des Archivs bestätigte, handelte es sich bei der von den Autoren [6-9] zitierten Geschichte der tragischen Flucht von Józef Nowak also doch um meinen Großvater.

 

Małgorzata Nowak

Tochter von Tadeusz Nowak, [und] Enkeltochter von Józef Nowak

[1] Anm. d. Über.: laut Original, müsste es 1863 sein – es handelt sich sehr wahrscheinlich um den Januaraufstand

[2] Anm. d. Übers.: sog. Polnische Polizei, das Adjektiv im Polnischen bezieht sich auf die Farbe der Uniform, welche marineblau war

[3] Karl Chmielewski war damals der Kommandant des Konzentrationslager und berüchtigt wegen seiner Grausamkeit, im Original Fußnote 1

[4] Anm. d. Übers.: im Original: beim Appell

[5] Anm. d. Übers.: Original auf Englisch, nachfolgend ins Deutsche übersetzt

Informationen zur Person senden...

Weitere Informationen zur Person hinzufügen...