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Tadeusz Tyrna 1920 - 1940 Bearbeiten

Geboren 27.8.1920 in Brzeszcze
Gestorben 26.11.1940 in Gusen

Biografie

Tadeusz Tyrna war das älteste Kind von Anna und Faustyn. Er hatte zwei Schwestern, Czesława und Helene – meine Großmutter. Er wuchs in einem Backsteinhaus an einer der Straßen von Brzeszcze auf, einem Dorf am Fluss Soła in der Nähe von Oświęcim.

In meiner Kindheit erzählte mir meine Großmutter oft von Großonkel Tadeusz. Es waren schöne und berührende Geschichten, aber sehr traurig, da jede von ihnen das gleiche Ende hatte, in dem sich die Worte wie ein Mantra wiederholten: Krieg, Konzentrationslager, Tod ... Aber vor diesem Ende enthielten die Geschichten eine Menge interessanter und lustiger Erzählungen.

In der Schule gefielen Großonkel Tadeusz am besten die exakten Wissenschaften: Physik und Mathematik. Was ihn aber nicht davon abhielt, im Schultheater mitzuspielen, wo er einen der griechischen Götter spielte. In seiner Freizeit löste er am liebsten mathematische Rätsel, aber er griff auch zu Werken der Belletristik. Er war ein Mensch mit vielen Talenten. Alle Frauen, die die Chance erhielten, ihn kennenzulernen, sagten einvernehmlich, dass es keinen wie ihn auf der Tanzfläche gab, er war ein großartiger Tänzer. Manchmal kam es auch vor, dass er Lieder aus Filmen vorsang, aber dieses Talent offenbarte er nur einem einzigen Mädchen – jenem, mit der er gemeinsame Pläne für die Zukunft schmiedete. Die Auserwählte meines Großonkels erinnerte sich an ihn als einen absoluten Gentleman, charmant und wohlerzogen, in dessen Gesellschaft sich Frauen sicher fühlen konnten. Er war ein fürsorglicher und hilfsbereiter junger Mann. Darüber hinaus war er auch ein begabter Sportler und nahm an gesamtpolnischen Sportwettkämpfen teil. Er war groß, stark und gut gebaut. Ziemlich ernst und reif für sein Alter, versuchte er, ein guter Sohn und Bruder zu sein. Er und sein Vater waren ein Fels in der Brandung für die drei Frauen im Haus. Im September 1939 sollte mein Großonkel in die Militärschule in Toruń gehen. Dazu kam es aber nicht ... Es kam der 1. September 1939. Krieg, Konzentrationslager, Tod …

März 1940, Ende des Winters, Frost. Es war mitten in der Nacht, plötzlich hörte man im ganzen Haus lautes Klopfen an der Tür und Schreie. Deutsche Soldaten kamen, um meinen Großonkel zu verhaften. Das ist die letzte Erinnerung meiner Großmutter, in dieser Nacht sah sie ihn zum letzten Mal. Den nächsten Tag verbrachte er auf der Polizeistation in Brzeszcze. Meine Urgroßeltern konnten ihm noch einen warmen Pullover dorthin bringen. Damals sahen sie ihren Sohn zum letzten Mal.

Im Dezember desselben Jahres kam ein Brief aus dem Konzentrationslager Mauthausen. In dem Umschlag war der Totenschein des Großonkels – nur ein paar Zeilen.

Todesdatum: 26.11.1940. Ursache des Todes: Rippenfellentzündung.

Später, durch Berichte von Menschen, die mit meinem Großonkel im Konzentrationslager gewesen waren und es geschafft hatten zu überleben, fanden meine Urgroßeltern heraus, dass er von deutschen Soldaten mit einer Schaufel getötet worden war.

Als ich ein kleines Mädchen war, nahm mich meine Großmutter zum Grab meines Großonkels mit. Ich erinnere mich, wie ich das Geburtsjahr vom Todesdatum subtrahierte, und wie unwahrscheinlich es mir schien, dass er nur 20 Jahre lang gelebt hat. Ich fragte mich, wie ich in diesem Alter sein würde. Als ich letztes Mal an seinem Grab stand, erkannte ich, dass ich bereits vor längerer Zeit dieses Alter überschritten hatte. Wenn ich so lange gelebt hätte wie er, wäre ich nicht mehr hier …

Meine Großmutter hatte durch ihre Geschichten in meinem Kopf ein starkes und klares Bild meines Großonkels gemalt – ich hoffe, dass ich es schaffe, das gleiche Bild dieses klugen, starken und schönen Mannes im Gedächtnis der zukünftigen Generationen zu malen, damit die Erinnerung an ihn nie erlischt.

Anna M. Walczyk

Anna M. Walczyk ist die Großnichte von Tadeusz Tyrna.

 

Aus dem Polnischen von Katharina Czachor

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