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Georg Bethke 1893 - 1944 Bearbeiten

Geboren 23.3.1893 in Wolgast
Gestorben 20.4.1944 in Gusen

Biografie

Georg Bethke wird am 23. März 1893 in Wolgast im heutigen Mecklenburg-Vorpommern geboren. Sehr früh, noch während seiner Lehre als Schreiner, verliert er den Vater. Nach der Lehrzeit arbeitet er in Greifswald und anderen Städten als Geselle. 1914 kommt er nach Leichlingen, wo er 1915 Martha Lindenberg (geb. am 24. Januar 1889 in Pillenhof/Sieg, gest. am 20. Oktober 1934 in Solingen) heiratet. Am 17. August 1915 wird in Leichlingen ihre gemeinsame Tochter Ilse geboren. Während des Ersten Weltkrieges dient Bethke von Mai 1915 an elf Monate lang in der Materialbeschaffungsstelle einer Pionierabteilung im Felde. Im April 1916 erkrankt er und wird ins Lazarett verlegt, anschließend wohl aus dem Heeresdienst entlassen.

Schon während seiner Lehrzeit ist Bethke Anhänger der sozialistischen Arbeiterbewegung. Seit 1911 ist er gewerkschaftlich im Deutschen Holzarbeiterverband organisiert, am Widerstand gegen den Kapp-Putsch nimmt er 1920 nach Schilderung seiner späteren Lebensgefährtin, Martha Hammerstein, als aktiver Kämpfer teil. 1921 tritt Bethke der KPD bei und engagiert sich später auch für den „Verband für Mutterschutz und Sexualreform". 1927 zieht er nach Wald, zunächst nach Weyer, 1935 dann in die Rosenkamper Straße 10b. In der Weltwirtschaftskrise hat er noch bis Juli 1931 Arbeit, dann wird auch er arbeitslos.

In einer Stellungnahme von 1938 beschreibt die Gestapo Bethke rückblickend als „vollkommen kommunistisch eingestellten Menschen." [1] Sie hält ihn für einen äußerst aktiven Funktionär der Walder KPD, der es jedoch verstehe, öffentlich nicht in Erscheinung zu treten. Bereits vor der „Machtergreifung" im Januar 1933 soll er Genossen in der Handhabung von Schusswaffen trainiert haben.

Am 13. Juli 1933 wird Bethke von den Nationalsozialisten festgenommen. In der Wohnung seiner Freundin, der verwitweten Martha Hammerstein (geb. am 13. Juli 1885 in Witten, gest. am 22. Oktober 1965 in Solingen), findet die Polizei Schusswaffen, Flugblätter und ein Namensverzeichnis führender Solinger Nationalsozialisten. Die Polizei beschlagnahmt zudem Gelder, die Hammerstein für Partei, Rote Hilfe und Sexual-Reform gesammelt hat, behält aber auch deren private Ersparnisse ein.

Bis zur Verurteilung in Hamm werden Hammerstein und Bethke in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert. Am 6. September 1933 verurteilt der II. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm Bethke wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ und Vergehen gegen das Schusswaffengesetz zu zwei Jahren Zuchthaus. Die Gestapo empört sich später, er habe sich beim Schlusswort des Gerichtes „äußerst frech" verhalten, „indem er sagte, er habe nichts zu erwidern, da er von diesem Gericht keine Milde zu erwarten habe." [2] Auch Martha Hammerstein erhält eine Strafe von einem Jahr und fünf Monaten, die sie im nordhessischen Zuchthaus Ziegenhain absitzt. Bethke verbüßt seine Strafe in Lüttringhausen. Nach seiner Entlassung am 9. April 1934 arbeitet er kurzzeitig beim Bau der Reichsautobahn, ist der schweren Arbeit aber körperlich nicht gewachsen. Kurze Zeit später findet er wieder eine Anstellung als Schreiner.

1935 versuchen die Kommunisten, ihre Widerstandstätigkeit in Solingen neu zu beleben. Die Emigranten Wilhelm Kratz und Ernst Lörcher bereisen als Instrukteure die Stadt und treffen unter anderem mit Albert Teichert und Paul Büscher zusammen. Über Elfriede Kratz werden Flugblätter nach Solingen geliefert. Bethke wird laut den späteren Ermittlungen der Gestapo und dem darauf aufbauenden Gerichtsurteil von Artur Hönemann angesprochen: „Komm mal, ich habe noch etwas für Jungens, die aus der Strafhaft wiederkommen." [3] Er erhält Flugschriften und bewahrt zudem Gelder für die Partei auf.

Anfang 1937 gelingt es der Gestapo, die Gruppe aufzurollen. Bethke wird am 9. März festgenommen und während der Untersuchungshaft in Elberfeld gefangen gehalten. Am 8. Oktober 1937 wird er in Hamm vom 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts zusammen mit 19 weiteren Solinger Kommunisten abgeurteilt. Trotz des eher geringfügigen Umfangs der Widerstandsaktivitäten der Gruppe werden sehr harte Strafen ausgesprochen. Mit acht Jahren Zuchthaus erhält Bethke die höchste Strafe überhaupt, wobei das Gericht meint, es habe insgesamt noch Augenmaß gewahrt: „Strafverschärfend fiel bei dem Angeklagten ins Gewicht, dass er, obwohl er erheblich einschlägig vorbestraft ist, sich dies nicht zur Warnung dienen ließ und sich bald nach seiner Strafhaft wieder illegal betätigte. Eine schwere und jeden anderen abschreckende Strafe war daher am Platze. Nur unter Würdigung seiner persönlichen Verhältnisse, bei denen eine gewisse Notlage nicht zu verkennen ist und die ihn zu seinem Handeln veranlasst haben mag, hat der Senat es mit einer Zuchthausstrafe von acht Jahren bewenden lassen.“ [4] Ein Gnadengesuch Bethkes lehnt die Gestapo kategorisch ab. Die um Stellungnahme befragte Außendienststelle Wuppertal urteilt im Mai 1938 im Schreiben an die Düsseldorfer Leitstelle: „[…] dass es sich bei Bethke um einen gefährlichen Kommunisten handelt, bei dem ein Rückfälligwerden stark befürchtet werden muss. Die Befürwortung eines Gnadenerweises vom Standpunkt der Staatssicherheit aus kann diesseits nicht verantwortet werden.“ [5]

Seine Strafe verbüßt Bethke in Münster, wo er in der Schreinerei des Zuchthauses arbeitet. Im Oktober 1943 besucht ihn Martha Hammerstein. Bethke ist gesundheitlich wohlauf und insgesamt sehr optimistisch gestimmt. Im Dezember 1943 wird er jedoch überraschend in das KZ Mauthausen verlegt. Die Hintergründe der Verlegung sind heute nicht mehr genau zu rekonstruieren. Die Autoren des Buches „Widerstand in Solingen“ von 1975 berufen sich auf einen Bericht von Karl Schabrod. Danach sei Bethke von einem Wachtmeister beim Lesen einer illegalen Flugschrift erwischt worden: Dieser habe von Bethke verlangt, er solle die Schuldigen für das Einschmuggeln der Flugblätter in die Anstalt benennen. Bethke habe sich jedoch standhaft geweigert und stattdessen um eigene Bestrafung gebeten.

Legende oder nicht, tatsächlich wendet sich die Staatspolizeistelle Münster im September 1943 zwecks „Abgabe asozialer Gefangener der Justiz an die Polizei“ nach Berlin und verlangt die Anordnung von „Schutzhaft“ und die Einweisung Bethkes nach Mauthausen, da er nach Strafverbüßung „zu der Befürchtung Anlass [gebe], in Freiheit seine reichsfeindlichen Bestrebungen fortzusetzen“. [6] Am 29. Oktober entspricht Berlin dieser Bitte.

Bethke wird am 27. Dezember 1943 über das Polizeigefängnis Frankfurt-Bockenheim nach Mauthausen verlegt, wo er am 8. Januar 1944 eintrifft. Nur wenige Wochen später stirbt er am 20. April 1944 im Konzentrationslager, und zwar nach Auskunft der KZ Gedenkstätte Mauthausen vom 8. August 2017 im Nebenlager Gusen. Angebliche Todesursache ist „Herzmuskelschwäche“. Am 21. April 1944 wird die Leiche eingeäschert, Martha Hammerstein wird erst am 29. April vom Tode Bethkes benachrichtigt. Es wird ihr erlaubt, die Urne in Solingen beizusetzen. Das Begräbnis findet unter großer Anteilnahme ehemaliger Genossen am 10. Juni 1944 auf dem Stadtfriedhof Vogelsang statt.

Nicht einmal einen Monat später wird auch Bethkes Tochter Ilse, seit 1937 verheiratete Nickele und Mutter einer 1940 geborenen Tochter, Opfer der menschenverachtenden „Erbgesundheits-“ und Ausmerzungspolitik der Nationalsozialisten. Bereits 1940 hat Dr. Wildt, Leiter des Solinger Gesundheitsamtes, wegen vermeintlich vorliegender Epilepsie einen Antrag auf Zwangsterilisation der unter Krampfanfällen leidenden jungen Frau gestellt. Doch nach psychiatrischer Beobachtung und Begutachtung in der Anstalt Bethel in Bielefeld lehnt das Erbgesundheitsgericht Wuppertal am 12. Juni 1941 den Antrag ab, da sich eine Erbkrankheit im Sinne des „Gesetzes zur Verhütung erbranken Nachwuchses“ nicht mit Sicherheit nachweisen lasse. Auch die vom Solinger Gesundheitsamt im Gutachten von Dr. Blaß angeführte Haftstrafe des Vaters ließe sich „erbbiologisch“ nicht verwerten, da Bethke aus politischen Gründen in Haft sei.

Zu einem unbekannten Zeitpunkt wird Ilse Nickele später erneut in den Städtischen Krankenanstalten Solingen behandelt und von dort im Januar 1944 in die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Galkhausen eingewiesen. Als gegen Kriegsende im Zuge der „Aktion Brandt“ die Patienten rheinischer Heil- und Pflegeanstalten in den Osten verlegt werden, gehört auch Ilse Nickele zu den Opfern. Am 5. Juli 1944 wird sie nach Meseritz-Obrawalde in Posen deportiert, wo die Patienten durch Nahrungsentzug und aufgrund von Vernachlässigung sterben oder gezielt getötet werden. Nur kurz nach ihrer Ankunft stirbt Ilse dort am 9. Juli 1944. Ihr Schicksal bleibt der Öffentlichkeit bis 2017 unbekannt.

 

Stadtarchiv Solingen, Autor Armin Schulte

 

Quellen:

Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland, Brauweiler - Akten 55344, 71266 und 71267.

Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – RW 58, Nr. 60507 [1–6].

Stadtarchiv Solingen, SG 15227 (Georg Bethke) und SG 6289 (Ilse Nickele).

 

Literatur:

Inge Sbosny/Karl Schabrod: Widerstand in Solingen. Aus dem Leben antifaschistischer Kämpfer (Frankfurt 1975), S. 115.

Armin Schulte: „Man soll mich nicht vergessen!“ Stolpersteine in Solingen. Schicksale 1933–1945, hrsg. vom Stadtarchiv Solingen (Solingen 2020).

 

Stolperstein:

Rosenkamper Straße 10b, verlegt am 4.12.2008 (Georg Bethke)

https://www.solingen.de/de/archiv/stolperstein-bethke-georg-94078/ 

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